Kirsty Coventry muss sich auf politisch hoch angespannter Weltbühne beweisen und klare Entscheidungen treffen.
Neue IOC-Präsidentin Coventry vor großen Herausforderungen
Bevor die olympische Welt neu geordnet wird, muss Kirsty Coventry noch einen Familienumzug organisieren. Thomas Bachs IOC-Thronerbin zieht mit ihrem Mann und den zwei kleinen Töchtern von ihrem Heimatland Simbabwe nach Lausanne um, dem Sitz des Internationalen Olympischen Komitees. Noch drei Monate bleiben der zukünftigen IOC-Präsidentin für einen Crashkurs bei Bach, bevor sie am 24. Juni die Amtsgeschäfte von ihrem deutschen Vorgänger übernimmt.
«Ich hoffe, dass diese Wahl eine Inspiration für viele Menschen sein wird. Ich bin mir meiner Verantwortung als Vorbild vollauf bewusst», sagte Coventry, nachdem sie von der IOC-Generalversammlung zur ersten Frau an die Spitze der Dachorganisation befördert worden war.
Erstmals in der Geschichte des IOC wird es auch eine längere Übergangszeit geben, in der Bach weiter das Tagesgeschäft leitet und seine 41 Jahre alte Nachfolgerin anlernt. «Wir haben bereits einen Fahrplan vereinbart, wie wir vorgehen und Entscheidungen treffen wollen», sagte Bach nach einem gemeinsamen Frühstück am Morgen nach der Wahl.
«Es wird viele Gespräche geben. Er hat viele Schwierigkeiten überwunden. Ich werde mit ihm darüber sprechen, wie er die bewältigt hat», kündigte Coventry an. Die frühere Top-Schwimmerin, die ihren Job als Sportministerin in Simbabwe nun aufgibt, wird sich schnell einer Reihe großer Herausforderungen stellen müssen.
Olympia mit Donald Trump
Wie wird die vergleichsweise junge und unerfahrene Coventry sich auf der politisch hoch angespannten Weltbühne gegen Alpha-Männer wie US-Präsident Trump behaupten? Der 78-Jährige ist für das IOC ein unberechenbarer Gastgeber der Sommerspiele 2028 in Los Angeles. «Ich musste mit, sagen wir mal, schwierigen Männern umgehen, seit ich 20 war», sagte Coventry. Kommunikation sei der Schlüssel für den Umgang mit Trump.
Wie zuvor schon Bach beteuerte die neue Präsidentin, Trump sei ein großer Sportfan. Mögliche Einreiseverbote für Sportlerinnen und Sportler aus Ländern, die Trump missfallen, will Coventry nicht hinnehmen. «Wir werden nicht von unseren Werten abweichen, dass alle Athleten, die sich für Olympia qualifiziert haben, auch teilnehmen und sich sicher fühlen können», sagte sie.
Streitthema Transgender-Athleten
Die Gespräche mit Trump könnten vor allem bei der Frage der Zulassung von Transgender-Athleten heikel werden. Seit der Geschlechter-Debatte um die Boxerinnen Imane Khelif und Lin Yu-ting bei den Spielen in Paris spaltet das Thema die olympische Welt. Trump plant, Transmenschen per Dekret vom Frauensport auszuschließen.
Coventry kündigte die Gründung einer Taskforce an, die ein erneutes IOC-Debakel wie in Paris verhindern soll. «Wir werden eine klare Entscheidung treffen und davon nicht abweichen», sagte sie.
Dauer-Problemzone Russland
Die neue IOC-Chefin muss auch Kremlchef Wladimir Putin die Stirn bieten, der sich von der neuen Führung die Rückkehr Russlands auf die große Sportbühne erhofft. Aufgrund des Skandals um staatlich organisiertes Doping bei den Winterspielen 2014 in Sotschi und später des Angriffskriegs gegen die Ukraine durften russische Sportler seit 2016 nicht mehr unter eigener Flagge bei Olympia starten.
Sportminister Michail Degtjarjow schrieb nach Coventrys Wahl bei Telegram, dass er sich auf die Rückkehr Russlands auf olympische Siegerpodien unter der neuen IOC-Führung freue. Coventry folgt vorerst der Linie von Bach, dessen Wunschkandidatin sie war.
Es gibt viele Konflikte auf der Welt, insbesondere auf ihrem Heimatkontinent Afrika, sagte sie. Athleten sollten nicht für die Politik ihrer Länder bestraft werden. Bevor eine endgültige Entscheidung über die Teilnahme Russlands an den Winterspielen 2026 in Italien getroffen wird, wird das IOC wahrscheinlich den Ausgang der Verhandlungen abwarten, die von Trump zur möglichen Beendigung des Ukraine-Kriegs vorangetrieben werden.
Zukunft der Geldmaschine Olympia
Die finanzielle Zukunft des IOC ist trotz der komplexen Sportpolitik gesichert, wie Bach mitteilte, da die Einnahmen um 60 Prozent gesteigert wurden. Coventry hat nun die Aufgabe, in einer digitalisierten Welt neue, junge Zielgruppen zu erreichen und die Bedeutung des Ringe-Spektakels aufrechtzuerhalten.
Bis 2034 sind alle Olympischen Spiele vergeben, für die Sommerspiele 2036 und danach gibt es laut Bach eine zweistellige Zahl von Interessenten. Auch Deutschland möchte endlich wieder Olympia-Gastgeber sein. «Wir sind eine starke Sportnation, die eine überzeugende Bewerbung abgeben wird», sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in ihrer Grußbotschaft an Coventry.
Jedoch angesichts der starken Konkurrenz scheinen die Aussichten für einen deutschen Anlauf eher gering zu sein. Außerdem ist das neue Vergabeverfahren ziemlich undurchsichtig. Einige der Wahlgegner von Coventry hatten versprochen, für mehr Transparenz zu sorgen. Ob dies auch auf der Agenda von Bachs Erbin steht, blieb wie so vieles in ihrem Wahlprogramm eher offen.