Die bevorstehende Vergabe der Fußball-WM 2034 an Saudi-Arabien ist kein Zufall. Das Königreich investiert seit Jahren viele Milliarden in den Sport. Dahinter steckt ein Projekt – und wohl noch mehr.
Nicht nur Fußball-WM: Saudi-Arabiens Aufstieg zur Sportmacht

Für den Aufstieg zur neuen Sportmacht stellt Saudi-Arabien einen Staatsfonds mit etlichen Milliarden Euro bereit, doch Toni Kroos kann das Königreich damit nicht kaufen. Die Menschenrechtslage in dem Land sei «das eine, was mich von so einem Wechsel abhalten würde», sagte der Weltmeister von 2014 einmal vor dem Ende seiner Karriere. Wenn das Geld wichtiger als alles andere ist, «beginnt es schwierig zu werden für den Fußball, den wir alle kennen und lieben».
Kroos entschied sich im letzten Sommer dafür, seine Karriere lieber als Champions-League-Gewinner mit Real Madrid zu beenden, anstatt in Saudi-Arabien noch einmal richtig Geld zu verdienen. Im Gegensatz dazu folgten andere Fußballstars wie Cristiano Ronaldo oder Neymar dem Ruf des Geldes. Und nicht nur sie: Das wegen seiner Menschenrechtspolitik stark kritisierte Königreich ist aufgrund von enormen Investitionen, weltweitem Sponsoring und einem großen sportpolitischen Netzwerk längst ein großer Player im Sport.
Die offizielle Vergabe der Fußball-WM 2034 an Saudi-Arabien beim FIFA-Kongress an diesem Mittwoch ist der vorläufige Höhepunkt dieses Aufstiegs – aber bei weitem noch nicht der Endpunkt. Saudi-Arabien träumt von Olympia, der rote Teppich wurde bereits ausgerollt.
Sportswashing oder echtes Sportinteresse?
Das Internationale Olympische Komitee hat Saudi-Arabien zugesichert, die olympischen E-Sport-Spiele ab 2025 auszurichten. Es ist geradezu bizarr, dass in dem Land mit subtropischem Klima auch die Asien-Winterspiele 2029 stattfinden werden, in einer Region, in der es nur sehr selten schneit.
Doch viel Geld macht auch hier viel möglich. Oder wie Kronprinz Mohammed bin Salman es ausdrückt: Man wolle den «Bergtourismus für die Welt neu definieren».
Genau das ist – gemäß offizieller Sprachregelung – der Hauptgrund für die massiven Investitionen. Saudi-Arabien will seine Wirtschaft weniger abhängig vom Öl-Geschäft machen. Im Reformprogramm «Vision 2030», das 2016 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, spielen die Wirtschaftszweige Tourismus und Unterhaltung eine große Rolle.
Dem Königreich wird jedoch vorgeworfen, dass es versucht, mit dem Engagement von Verstößen gegen Menschenrechte abzulenken. Eines steht fest: Der Sport spielt bei dieser Strategie eine wichtige Rolle.
Topstars und Topevents in Saudi-Arabien
Nach einer Studie der Initiative «Play the Game» des Dänischen Instituts für Sportstudien hat Saudi-Arabien im Weltsport mehr als 900 Sponsorenverträge abgeschlossen. Etwa ein Drittel der Deals seien aus dem saudischen Investmentfonds PIF bezahlt worden. Dieser wurde eigens zur Umsetzung der «Vision 2030» gegründet und umfasst schätzungsweise 650 Milliarden Euro. Und das zahlt sich aus.
Ronaldo, ein mehrfacher Weltfußballer, und andere Fußballstars bringen die heimische Liga ins Rampenlicht. Die Supercups der Top-Ligen Spaniens und Italiens finden in Saudi-Arabien statt. Newcastle United, ein Premier-League-Club aus England, gehört de facto dem saudischen Staat über den PIF.
Seit 2021 drehen die Formel-1-Boliden ihre Runden auf dem Jeddah Corniche Circuit in Dschidda. In Riad finden die wichtigsten Box-Kämpfe statt, darunter das zweite WM-Duell zwischen den Schwergewichtlern Oleksandr Usyk und Tyson Fury am 21. Dezember. Die LIV Golf Invitational Series fordert die etablierte amerikanische PGA Tour mit teilweise hohen dreistelligen Millionenbeträgen Topstars wie Phil Mickelson heraus.
Schlägt Geld die Moral?
Im Tennis gab es kürzlich Aufregung um das sportlich unbedeutende Show-Turnier Six Kings Slam in Riad, aufgrund der Antrittsprämie von je 1,5 Millionen US-Dollar. In Saudi-Arabien fanden dieses Jahr auch erstmals die WTA-Finals der acht besten Tennisspielerinnen statt.
Für die Ikonen Chris Evert und Martina Navratilova war das «unvereinbar mit dem Spirit und dem Auftrag des Damen-Tennis und der WTA». Auch der deutsche Verbandspräsident Dietloff von Arnim meint, «dass die Debatte um Menschenrechte und demokratische Werte bei der Turniervergabe zu wenig geführt wird».
Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien immer wieder scharf. Im jüngsten Bericht von Human Rights Watch mit dem Namen «Stirb zuerst, und ich bezahle Dich später» werden etwa Zwangsarbeit, Lohndiebstahl, Arbeit bei extremer Hitze und fehlender Rechtsschutz bei Arbeitsmigranten angeprangert.
WM als Katalysator für Veränderungen?
All das werde höchstwahrscheinlich dazu führen, dass auch die Fußball-WM 2034 «mit weitreichenden Rechtsverletzungen behaftet sein wird». Der Weltverband FIFA entgegnete in seinem Evaluationsbericht, dass die WM-Endrunde in zehn Jahren «als Katalysator für einige der laufenden und künftigen Reformen» dienen könne und dass sich Saudi-Arabien zur Einhaltung verschiedenster Standards in Menschenrechtsfragen verpflichtet habe.
Toni Kroos erlebte am eigenen Leib, dass es um die Meinungsfreiheit in Saudi-Arabien noch nicht gut bestellt ist. Beim Supercopa-Halbfinale 2024 in Riad gegen Stadtrivale Atlético wurde der damalige Real-Profi aufgrund seiner kritischen Äußerungen bei praktisch jedem Ballkontakt ausgepfiffen.