Deutsche Fußballerinnen vor schwerem Viertelfinale gegen Frankreich. Baustellen in Abwehr und Angriff könnten frühes EM-Aus bedeuten.
DFB-Frauen vor EM-Aus? Analyse und Baustellen vor Viertelfinale gegen Frankreich
Die deutschen Fußballerinnen verbrachten ihren freien Tag in Zürich mit Spaziergängen, Café-Besuchen, Zeit mit Familie und Freunden. Währenddessen machten sich Bundestrainer Christian Wück und seine Assistentinnen Saskia Bartusiak und Maren Meinert Gedanken über die Analyse des Schweden-Debakels und den Viertelfinalgegner Frankreich. Beim DFB-Team sind während der Europameisterschaft einige Probleme aufgetaucht – ein frühes Ausscheiden bei der EM droht.
Der achtmalige Titelgewinner geht als Außenseiter in die erste K.o.-Runde am Samstag (21.00 Uhr/ZDF und DAZN) in Basel. Wück konnte sich beim 5:2 gegen die Niederlande selbst von den Stärken der Französinnen im St. Jakob-Park überzeugen.
«Für uns war ja klar, dass ein sehr schwerer Gegner auf uns wartet. Wir haben alle gesehen und wissen, über welche Qualitäten Frankreich verfügt, über welche Dynamik, welches Tempo», sagte DFB-Sportdirektorin Nia Künzer der ARD.
Trotz der Lehrstunde gegen die Schwedinnen und der höchsten Niederlage in der EM-Historie versicherte die Weltmeisterin von 2003: «Wir werden uns schütteln.» Und die Französinnen «stressen. Das mögen sie dann auch nicht.»
Die Herausforderungen des deutschen Teams:
Die Taktik
Das Bestreben, das Spiel zu dominieren und mutig nach vorne zu spielen, war gegen Schweden nur in den ersten Minuten erfolgreich. In der Regel konnte die DFB-Auswahl in den letzten Monaten Fehler in der Abwehr durch ihre Offensivstärke wieder wettmachen.
«Jeder weiß mittlerweile, dass wir relativ riskant spielen hinten, beziehungsweise nicht allzu tief stehen», sagte Abwehrchefin und Kapitänin Janina Minge nach dem 1:4 gegen Schweden. «Wir können dadurch viel nach vorn machen, wenn wir den Ball gewinnen. Es ist natürlich immer ein Killer, wenn wir den Ball verlieren.»
Gleichzeitig sprach sich Minge dagegen aus, das System komplett zu ändern. Das sieht auch Wück so: «Ich glaube, das liegt dieser Mannschaft nicht: Dass sie sich hinten reinstellt und versucht, die Null zu halten und nach vorn gar nichts tun. Dafür haben wir auch die falschen Spielerinnen.»
Die Technik
Der Bundestrainer bemängelt immer wieder die Passsicherheit seiner Spielerinnen und hat dies speziell in der Vorbereitung trainiert. In dieser Hinsicht sind die Französinnen und der Weltmeister Spanien dem deutschen Team weit voraus.
Die Offensive
Keine Frage: Klara Bühl (links) und Jule Brand (rechts) zählen zu den besten Flügelspielerinnen der Welt. Auch Frankreich müsse auf die beiden aufpassen, «die viel durchstoßen, die sehr schnell sind, sehr robust», warnte Top-Stürmerin Marie-Antoinette Katoto.
Bayern-Ass Bühl hatte bisher jedoch keinen Erfolg mit ihren Schussversuchen. Die ehemalige Wolfsburgerin Brand (zukünftig bei Olympique Lyon) erzielte zwei beeindruckende Tore, kämpft jedoch weiterhin mit ihrer mangelnden Konstanz. Etwas, das sie gemeinsam haben, ist, dass ihre Flanken selten einen Abnehmer finden. Mittelstürmerin Lea Schüller kann auch zwei Turniertreffer vorweisen, ist aber in vielen Spielphasen unauffällig.
Die Außenverteidigerinnen
Nachdem Kapitän Giulia Gwinn auf der rechten Seite ausgefallen ist, fehlt nun auch ihre Stellvertreterin Carlotta Wamser nach einer Roten Karte gegen Schweden. Wück denkt darüber nach, auf eine Dreierkette umzustellen, wie es in der zweiten Halbzeit beim 1:4 nach der Einwechslung von Kathrin Hendrich der Fall war. Es gibt nicht viele Alternativen in der Abwehr: Im Kader befinden sich noch die unerfahrene Franziska Kett (20) und Sophia Kleinherne, die seit Jahren keine Stammkraft in der DFB-Elf ist.
Die Innenverteidigung
Die entschlossene Wolfsburgerin Minge hat sich erfolgreich als Nachfolgerin von Abwehrchefin Marina Hegering etabliert. Wück entschied sich nach einigen Versuchen für Rebecca Knaak als ihre Partnerin, auch aufgrund fehlender Alternativen in der Bundesliga. Allerdings hat die 29-Jährige von Manchester City bei der EM offensichtlich Schwierigkeiten mit dem Tempo. Besonders gegen Schweden zeigte sie zudem Mängel im Stellungsspiel.
Die Spielmacherin
Die Hauptgewinnerin des Debakels gegen Schweden war Regisseurin Linda Dallmann – weil sie nicht spielte. Die Münchnerin konnte bei den Siegen gegen Polen und Portugal nicht ihre Bestleistung abrufen, aber Frankfurts Laura Freigang nutzte ihre Chance auf dieser Position nicht. Sydney Lohmann, die vom Profil her keine klassische Zehnerin ist, spielt weiterhin unter ihren großen Möglichkeiten.
Die Torhüterin
Wück kritisierte Stammkeeperin Ann-Katrin Berger erst wegen ihrer riskanten Dribblings, sagte dann: «Es gab bei uns nie eine Torwartdebatte.» Und musste mitansehen, wie die 34-jährige Olympia-Heldin gegen Schweden mit zwei Fehlpässen beinahe weiteres Unheil heraufbeschwor. Fakt ist aber auch, dass die Ersatztorhüterinnen Stina Johannes und Ena Mahmutovic sich bei ihren bisherigen DFB-Einsätzen nicht aufgedrängt haben. Und Berger mit ihrer Routine und Lufthoheit dem Team hilft.