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Nervenstarke Niederländer stürzen Türkei aus EM-Turnier

Das Team von Ronald Koeman gewinnt Viertelfinale dank Leistungssteigerung und dreht Spiel in der zweiten Halbzeit. Türkei scheidet nach Wolfsgruß-Eklat aus.

Stefan de Vrij (M) wird nach seinem Tor zum 1:1 von den Mitspielern umjubelt.
Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Niederländer haben im türkischen Hexenkessel von Berlin das EM-Halbfinale erreicht und die Türkei nach dem Wolfsgruß-Eklat aus dem Turnier geschossen. Das Team von Bondscoach Ronald Koeman gewann das hochbrisante Viertelfinale im Berliner Olympiastadion dank einer Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit mit 2:1 (0:1) und darf damit weiter vom zweiten EM-Triumph auf deutschem Boden nach 1988 hoffen.

Samet Akaydin (35. Minute), der für den gesperrten Merih Demiral spielte, erzielte das erste Tor für die Türkei vor Präsident Recep Tayyip Erdogan und Mesut Özil. De Vrij (70.) und ein Eigentor von Mert Müldür (76.) drehten das Spiel zugunsten der Niederlande. Im Halbfinale treffen sie auf die bisher wenig überzeugenden Engländer. In der Nachspielzeit sah die türkische Bank noch Rot.

Die EM endete für die Türken nach den politischen Turbulenzen wegen des kontroversen Wolfsgruß-Jubels von Demiral, der daraufhin für zwei Spiele gesperrt wurde, auch sportlich enttäuschend. Trotzdem hatten sie zunächst dem Druck standgehalten und waren über weite Strecken das etwas stärkere Team. Durch Fehler in der Schlussphase zerstörten sie sich jedoch den Traum vom ersten Halbfinaleinzug bei einer EM seit 16 Jahren.

Özil hinter Erdogan 

Im dunklen Anzug und mit roter Krawatte verfolgte Erdogan, der nur für das Spiel nach Berlin gereist war, zusammen mit seiner Ehefrau Emine die Partie auf der VIP-Tribüne. Direkt hinter ihm saß der deutsche Ex-Nationalspieler Özil. Von dort aus konnten sie auch beobachten, wie viele türkische Fans beim Abspielen der Nationalhymne den Wolfsgruß zeigten.

Zuvor war schon der Fanmarsch zum Stadion von der Polizei vorzeitig beendet worden, weil die türkischen Anhänger fortlaufend den Wolfsgruß gezeigt hatten. Die Polizei schrieb beim Kurznachrichtendienst X: Ein Fanmarsch sei «keine Plattform für politische Botschaften». 

Ein EM-Spiel auch nicht, befand die UEFA und sperrte deswegen Demiral. Der 26-Jährige hatte gegen Österreich das Symbol der «Grauen Wölfe» gezeigt. So werden die Anhänger der rechtsextremistischen «Ülkücü-Bewegung» bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. All das hatte das Hochrisikospiel zusätzlich aufgeheizt.

Leidenschaftliche Türken, verspielte Holländer

Die Türken gingen mit reichlich Trotz in die Partie. «Wir werden sogar noch leidenschaftlicher und stolzer sein», hatte Trainer Vincenzo Montella angekündigt, gleichzeitig von seinen Spielern aber auch gefordert: «Wir müssen unsere Emotionen drosseln.»

Die Bedeutung dieser Balance wurde in der Anfangsphase deutlich. Die niederländische Offensive mit den trickreichen Cody Gakpo, Xavi Simons und Memphis Depay lief mit viel Tempo auf das gegnerische Tor zu, wirkte jedoch oft zu verspielt. Die Türken verteidigten mit Zweikampfhärte und Leidenschaft – und erarbeiteten sich ab Mitte der ersten Halbzeit auch mehr Ballbesitz.

Auch bei Standards von Hakan Calhanoglu, der nach abgesessener Gelbsperre im zentralen Mittelfeld neben dem Dortmunder Salih Özcan wieder Regie führte, kam Gefahr auf. So fiel auch die Führung: Nach einer Ecke des Ex-Bundesligaprofis landete der Ball bei Arda Güler, und der 19-Jährige servierte Torschütze Akaydin eine maßgeschneiderte Flanke auf den Kopf. Demiral applaudierte auf der Tribüne und lachte – auf eine erneute provokante Geste verzichtete er aber.

Weghorst belebt das Oranje-Spiel

In der Halbzeit reagierte Bondscoach Koeman und brachte Super-Joker Wout Weghorst für den enttäuschenden Steven Bergwijn. Der in der Vorsaison an Hoffenheim ausgeliehene Weghorst sorgte auch für mehr Schwung im Angriffsspiel von Oranje. Die Türken wagten sich nun weniger nach vorne, hatten durch Gülers Pfosten-Freistoß (56.) und Kenan Yildiz (65.) gute Chancen auf das 2:0. Doch dann folgte die erfolgreiche Aufholjagd für die in der Schlussphase deutlich besseren Niederländer. Sie hielten den anstürmenden Türken stand, vor allem Keeper Bart Verbruggen zeichnete sich entscheidend aus.

dpa