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Oranje-«Plage» Weghorst will Englands Albtraum werden

Edeljoker Weghorst führt die Niederlande zum Sieg gegen die Türkei. Im EM-Halbfinale wartet nun England mit Fußball-Star Harry Kane. Das Gefühl vom Titel wird «größer und größer».

Lässt sich feiern: Wout Weghorst streckt vor Freude die Zunge raus.
Foto: Sören Stache/dpa

Als die niederländischen Fans ihren EM-Ohrwurm anstimmten, wurde Wout Weghorst zum Feierbiest. Zuerst sprang er vor der prall gefüllten Oranje-Kurve nach links, dann nach rechts – und angetrieben von Kabinen-DJ Denzel Dumfries und dem Hit «Viva Hollandia» hüpfte Weghorst anschließend auch noch ausgelassen durch die Umkleide.

Als der Edeljoker, dessen Einwechslung maßgeblich zum hart erkämpften 2:1-Viertelfinalsieg gegen die Türkei beigetragen hatte, nach Mitternacht durch die Katakomben des Berliner Olympiastadions stapfte, grinste er nur schelmisch.

«Wir hatten eine tolle Zeit. Das sind Momente für das Leben, das ist Wahnsinn und pure Freude», schwärmte der niederländische Fußball-Nationalspieler und ließ die beeindruckenden Szenen noch einmal Revue passieren. Weghorst lobte den leidenschaftlichen Auftritt der Elftal, den Kampfgeist des gesamten Teams und blickte auf das anstehende Halbfinale am Mittwoch gegen England. «Ich bin bereit», schickte er als Kampfansage an Harry Kane und Co. 

https://twitter.com/OnsOranje/status/1809736744457097290

Edeljoker und Bessermacher

Etwa um 0.30 Uhr verließen die Oranje-Spieler frisch geduscht die Umkleide und stellten sich den Fragen der Journalisten. Ein Name war allgegenwärtig: Wout Weghorst. Der Angreifer, der in der vergangenen Saison an die TSG Hoffenheim ausgeliehen wurde, wurde von Bondscoach Ronald Koeman bisher in allen fünf EM-Spielen eingewechselt. Beim Auftakt gegen Polen gelang ihm mit dem ersten Ballkontakt der entscheidende 2:1-Siegtreffer. Seine Einwechslung gegen die Türkei brachte den entscheidenden Impuls.

Ob als Abräumer im eigenen Strafraum, als Balleroberer im Mittelfeld oder als Vorlagengeber in der Offensive – der gelernte Stürmer war überall. «Es ist ein Albtraum, wenn man gegen ihn spielt. Er ist stark, er ist eine Plage im Strafraum und er kämpft um alles, er rennt allem hinterher. Er ist für uns eine große Bereicherung», lobte Mitspieler Nathan Aké und versuchte so, den Engländern Angst zu machen. 

Weghorst war im mit etwa 40.000 türkischen Fans gefüllten Berliner Hexenkessel so etwas wie der Bessermacher. Nach der verdienten Führung für die Türken durch Samet Akaydin (35.) trieb er seine Mitspieler an und übernahm Verantwortung. Der Lohn: Erst der Ausgleich durch Stefan de Vrij (70.) und später das erzwungene Eigentor durch Mert Müldür (76.), der mit seiner Fußspitze Gegenspieler Cody Gakpo um den Rekord des alleinigen Torschützenkönigs bei dieser EM brachte.

Der Junge von der Bank

Doch selbst Gakpo wollte nicht über sein Beinahe-Tor sprechen. «Er ist groß, er ist gut in der Luft, er kämpft um jeden Ball, der in den Strafraum fliegt. Ich bin sehr glücklich, dass Wout heute Wout sein konnte», rühmte Gakpo viel lieber seinen Mitspieler. Auch für TV-Experte Lothar Matthäus war Weghorst der «Game-Changer». 

Über die politischen Debatten, die das Spiel überlagert hatten, sprach bei den Niederlanden niemand. Über den Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der mit seinem Besuch seinem Team inmitten des Wolfsgruß-Eklats den Rücken stärken wollte, erst recht nicht. Die Lobhudelei auf Weghorst machte einfach viel mehr Spaß. «Mit den Jungs auf der Bank können wir richtig was rausholen», befand Aké und verwies auf den «Faktor Ersatzspieler» 

Richtig was rausholen – das wird auch nötig sein, wenn die Elftal am Mittwoch gegen die bislang zwar glanzlosen, aber dennoch unangenehmen Engländer spielt. Der Traum vom zweiten EM-Titel nach 1988 lebt. «Es ist echt drin. Das Gefühl war immer da und es wächst, es wird immer größer und größer», berichtete Weghorst.

Koeman: Im Finale gerne gegen Spanien

Oranje-Trainer Ronald Koeman bewertete den Einzug ins Halbfinale als Erfolg für das ganze Land. «Ich denke, für die ganze Nation ist das etwas Besonderes. Wir sind eine kleine Nation und wir spielen jetzt im Halbfinale mit England, Spanien und Frankreich. Man muss einfach stolz sein auf diese Mannschaft», sagte der Bondscoach und befand: «Manchmal werden wir kritisiert, weil wir im Vergleich zu anderen Nationen angeblich mit zu wenig Herz spielen. Aber die Spieler haben heute gezeigt, dass sie großes Herz haben». 

Das große Herz soll die Niederländer zurück ins Olympiastadion führen. Denn dort findet am Sonntag das Finale statt. Der Glaube ist groß – so groß, dass Koeman sogar schon über einen Lieblingsgegner im Endspiel sprach. «Wenn wir das Finale spielen, dann würde ich gerne gegen Spanien spielen, weil wir hatten Frankreich ja schon in der Gruppe.»

dpa