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«Nicht damit gerechnet»: Pogacar sprintet ins Gelbe Trikot

Schon vor der ersten Bergankunft hat Tadej Pogacar die Führung der Tour de France übernommen. Der Slowene gewann die längste Etappe und löste den Belgier Wout van Aert ab.

Fährt ab jetzt in Gelb: Tadej Pogacar.
Foto: Thibault Camus/AP/dpa/Archivbild

Tadej Pogacar blickte sich kurz um, sah niemanden mehr an seinem Hinterrad und brüllte seine Freude heraus.

Mit einem phänomenalen Antritt am Schlussanstieg gewann der Titelverteidiger nicht nur die mit 220 Kilometern längste Etappe der 109. Tour de France, sondern stürmte auch ins Gelbe Trikot. Damit löste der 23 Jahre alte Dominator den Belgier Wout van Aert ab, der das Peloton auf der rasend schnellen Etappe zuvor mit einer fast 140 Kilometer langen Flucht in Atem gehalten hatte.

«Es ist unglaublich, dass ich das Gelbe Trikot habe. Ich habe nicht damit gerechnet. Ich habe mich einfach auf den Sprint vorbereitet, bin angetreten und dann kam niemand mehr», sagte Pogacar und meinte: «Das war kein richtiger Sprint am Ende. Ich hatte gute Beine und bin glücklich, gewonnen zu haben. Alles andere ist ein Bonus.» Sein Teamkollege Rafal Majka betonte: «Es war wichtig, dass Tadej heute gezeigt hat, wie stark er ist und die Etappe abgeschossen hat.»

«Einfach der stärkste Fahrer der Welt»

Auch die Konkurrenz war beeindruckt. Der in der Gesamtwertung mit vier Sekunden Rückstand zweitplatzierte Neilson Powless meinte: «Tadej ist Mann gegen Mann einfach der stärkste Fahrer der Welt.» Ähnlich äußerte sich der deutsche Ex-Meister Maximilian Schachmann: «Rafal Majka hat mir einen Einblick in seine Zahlen gegeben. Da muss schon viel passieren, dass er nicht gewinnt.»

Mit 31 Sekunden Rückstand ist der Vorjahreszweite Jonas Vingegaard Dritter. Das deutsche Team Bora-hansgrohe erlebte eine Schrecksekunde, als Kapitän Alexander Wlassow etwa acht Kilometer vor dem Ziel stürzte. Am Ende verlor der Russe nur fünf Sekunden auf Pogacar und ist Siebter der Gesamtwertung mit 52 Sekunden Rückstand. «Wenn das unser ganzes Pech in der Tour war, dann ist das zu verkraften. Mehr sollte es nicht werden», sagte Sportchef Rolf Aldag.

Van Aert wird 11 Kilometer vor dem Ziel eingeholt

Auf den ersten 60 Kilometern durch Belgien gelang es nicht, eine Ausreißergruppe zu etablieren. Dann probierte es Spitzenreiter van Aert nach 72 Kilometern selbst und konnte sich mit dem Dänen Jakob Fuglsang sowie dem US-Amerikaner Quinn Simmons absetzen. Mehr als dreineinhalb Minuten ließ man das Trio jedoch nicht weg. Van Aerts Flucht sorgte dafür, dass das Tempo konstant hoch blieb. Nach drei Rennstunden betrug der Schnitt 50,2 km/h. «Das war krass, was er gemacht hat. Das war wirklich mit der Brechstange», sagte Schachmann.

Trotz der Arbeit mehrerer Teams gelang es erst elf Kilometer vor dem Ziel, van Aert einzuholen. Seine beiden Begleiter hatte er da längst abgeschüttelt. Die Leistung des 27-Jährigen war einmal mehr beeindruckend. Erst am Mittwoch hatte er seinen Kapitän Vingegaard auf der Kopfsteinpflaster-Etappe praktisch im Alleingang wieder nach vorn gefahren und dafür gesorgt, dass der Däne auf Dominator Tadej Pogacar nur 13 Sekunden verlor.

Favoriten sind gefordert

Nach der längsten Etappe müssen die Favoriten am Freitag bei der ersten Bergankunft ihre Form zeigen. Der sieben Kilometer lange Anstieg zur La Super Planche de Belles Filles ist vor allem am Ende extrem hart. Es warten Steigungen von 20 und 24 Prozent, zudem ist die Straße teilweise nicht asphaltiert. Eigentlich ist die Planche eine Skipiste, wurde vor zehn Jahren von den Tour-Organisatoren entdeckt und erstmals ins Programm genommen.

Seitdem ist der Anstieg in den Vogesen so etwas wie der Schicksalsberg der Tour. Chris Froome (2012), Vincenzo Nibali (2014) und Tadej Pogacar (2020) siegten dort und gewannen am Ende die Tour. Fabio Aru (2017) und Dylan Teuns (2019) gelang dies trotz der Erfolge auf der Planche nicht.

In diesem Jahr rechnen viele Teams damit, dass eine Ausreißergruppe durchkommt. Da das Gelände vor dem Anstieg nicht allzu herausfordernd ist, geht man zudem von geringen Abständen unter den Klassementfahrern aus. «Da geht es eher um Sekunden als um Minuten», sagte Rolf Aldag, Sportchef bei Bora-hansgrohe. Die deutsche Mannschaft wird einen Fahrer in die Gruppe schicken wollen, der am Ende Kapitän Alexander Wlassow unterstützen soll. Diesen Plan dürften allerdings auch die anderen Top-Teams haben.

dpa