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Sané bei EM dabei: Aber kein Ticket für Hummels und Goretzka

Die Nominierungsorgie des DFB geht weiter. Viele Fans lieben die Social-Media-Schnipsel und Stürmer Füllkrug lacht sich ins Fäustchen. Für Mats Hummels und Leon Goretzka gibt es aber kein Happy End.

Leroy Sane (l) und Mats Hummels auf dem Trainingsplatz.
Foto: Christian Charisius/dpa

Leroy Sané schaute auf dem Porträt in der renommierten Frankfurter Kunstsammlung Schirn fast genauso geheimnisvoll wie Mona Lisa. Mats Hummels und Leon Goretzka werden in diesem Sommer jedoch definitiv nicht lächeln. Während die skurrile Nominierungsorgie des DFB die meisten Fans in den sozialen Medien total begeisterte, ist das Ausscheiden aus dem Turnier für den Dortmunder Abwehrspieler trotz des Dortmunder Champions-League-Ausflugs sowie für seinen Münchner Leidensgenossen Goretzka offensichtlich beschlossene Sache.

Hummels ging früher als seine BVB-Kollegen am Dienstag nach einem öffentlichen Training in die Kabine. Kein Wort zu seinen pulverisierten Perspektiven in der Fußball-Nationalmannschaft. Kein Wort zu einem möglichen Karriereende im Allgemeinen. Klar ist jedoch auch, dass Hummels und Goretzka bereits Bescheid wissen. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat bereits alle EM-Kandidaten informiert.

Hummels’ Kollege Niclas Füllkrug bestätigte indirekt die Ausbootung. «Natürlich hätte er es leistungstechnisch sicherlich auch verdient. Das sind aber mit Sicherheit auch Überlegungen, wo andere Dinge auch eine Rolle spielen. Der Bundestrainer wird da auch seine Idee haben. Darauf müssen wir auch alle vertrauen», sagte der 31-Jährige, der selbst per Radio-News bei 1live am frühen Morgen seine EM-Zusage bekommen hatte über Hummels.

Führich beim Bäcker, Koch im WorldWideWohnzimmer

Die Beweislast gegen den 35-jährigen Hummels und den sechs Jahre jüngeren Goretzka war erdrückend. Am Dienstag erhielt auch Robin Koch seine offizielle EM-Zusage – und zwar von den Youtube-Entertainern Dennis und Benni Wolter im WorldWideWohnzimmer, nachdem bereits Füllkrug und Chris Führich bei einem Bäcker im Nordschwarzwald ihre Zusage erhalten hatten.

Der Verteidiger aus Frankfurt ist nach Hummels’ BVB-Kollege Nico Schlotterbeck und Leverkusens gesetztem Manndecker Jonathan Tah der dritte zentrale Abwehrmann. Antonio Rüdiger von Real Madrid ist ebenfalls sicher dabei und ein weiteres Ticket scheint für Waldemar Anton vom VfB Stuttgart reserviert zu sein.

Hummels wird nach der klaren Ausbootung von Nagelsmann im März ohnehin nicht mehr benötigt. Nach 78 Länderspielen, darunter der WM-Sieg 2014, ist seine Karriere wohl endgültig vorbei. Goretzka hat spätestens nach der Nominierung seines Club-Kollegen Aleksandar Pavlovic durch RTL-Frontfrau Frauke Ludowig am Montagabend verstanden, dass er als Box-to-Box-Experte nicht mehr gebraucht wird. Er präsentierte sich auf einem Instagram-Foto modisch elegant mit Cap und Sonnenbrille auf dem Sofa.

Nagelsmanns März-Worte gelten noch

Mit der Absage an die Alphatiere, die noch im Herbst bei Nagelsmanns Dienstantritt als absolute sichere EM-Spieler galten, setzt der Bundestrainer seinen im März eingeläuteten Personalkurs radikal fort. Wer dem 36-Jährigen damals genau zugehört hatte, kann jetzt nicht überrascht sein. «Außer Frage steht: Falls alle gesund bleiben und so weiter performen, werden wir auf jeden Fall nicht zehn Spieler tauschen im Sommer. Eigentlich auch nicht fünf, vielleicht ein, zwei – plus Verletzte», sagte Nagelsmann nach den EM-Mutmachern gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1).

Schlotterbeck und der damals gesperrte Sané sind nun diejenigen, denen Nagelsmann schlicht nicht zutraut, den EM-Sommer in Nebenrollen akzeptieren zu können, nicht Hummels und Goretzka. Sané hatte die Botschaft des Bundestrainers erkannt und war trotz Rot-Sperre nach Frankfurt gereist, schlenderte mit Schirmmütze durch die Mixed Zone und machte auf Gut-Wetter.

Sein Gesicht wurde am Dienstag in der bekannten Galerie Schirn in Frankfurt enthüllt. Es handelt sich um den nächsten PR-Coup der DFB-Serie, die am Donnerstag um 13.00 Uhr mit dem Auftritt von Nagelsmann zur Bekanntgabe des restlichen Kaders in Berlin beim alten und neuen Generalsponsor VW ihren Höhepunkt erreichen soll.

Der DFB hat berücksichtigt, dass bei den Social-Media-Aktionen auch mal etwas schiefgehen kann. Die Brottüte mit dem Bild von Führich beim Bäcker Seeger in Nagold hatte der völlig unbekannte X-User Valentin am Dienstagvormittag gesehen und kurz bevor dieses Online gehen sollte, gepostet.

DFB-Strategie funktioniert

Im Rauschen der vielen Internet- und Medienbotschaften machte diese Schleife die Aktion sogar noch charmanter. Der normale Fan mischt mit. Besser hätten es sich auch die Marketingstrategen nicht ausdenken können. «Irgendwie holt man die gesamte Gesellschaft mit ins Boot», sagte Füllkrug.

Der Tag hatte mit dem Radio-Jubel des bislang besten Torschützen unter Nagelsmann (vier Tore seit Oktober) schon euphorisch begonnen. «Ich kriege Gänsehaut, wenn ich daran denke», sagte der telefonisch zugeschaltete Füllkrug im Ausblick auf das Turnier in wenigen Wochen. Dass seine Tochter mit der nach ihm gestalteten Playmobilfigur die EM schon nachspielt, passte perfekt in den Plot der menschlichen Nationalspieler, die der DFB auf seiner Nominierungstour verkauft. 

Die ganze Aktion ist – wie Füllkrug verriet – auch eine Retourkutsche gegen die aufgeregte Medienbranche. «Dieses ganze Geleake der vergangenen Jahre. Donnerstags ist Nominierung und montags gibt es dann ja so ein paar Nicht-Fachmagazine, die dann ein paar Kader geleakt haben – die haben wir jetzt mal ein bisschen auf die Schippe genommen und selber geleakt. Das finde ich sehr cool», sagte der Angreifer. 

Auch Havertz ballert

Es war eine Herausforderung, den Überblick darüber zu behalten, wer bereits sicher dabei ist. Einige Medien-Trittbrettfahrer versuchten am Dienstag, der Nominierungspraxis zu folgen und Namen ohne das Instagram-Siegel des DFB zu verkünden. Vorläufig war nur Kai Havertz bestätigt. Der Arsenal-Stürmer wurde von den Youtubern Calcio Berlin aus der Baller League zum EM-Spieler ernannt. Er wird wie erwartet im Sommer für Deutschland spielen – im Gegensatz zu Hummels und Goretzka.

dpa