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Anzug-Chaos in Trondheim: Skisprung-WM-Entscheidung auf der Kippe

Maximale Verwirrung nach Disqualifikation der Norweger sorgt für mächtigen Wirbel und Proteste der Topnationen. Der Weltverband steht vor schweren Entscheidungen.

Bester deutscher Skispringer auf der Großschanze: Philipp Raimund.
Foto: Matthias Schrader/AP/dpa

Die letzte WM-Entscheidung und der Skisprung-Goldgewinner Domen Prevc gerieten im Anzug-Chaos von Trondheim völlig zur Nebensache. Stattdessen herrschte maximale Verwirrung und ein auf offener Bühne ausgetragener Streit, der dem Weltverband Fis und der gesamten Sportart auch nachhaltig mächtig schaden dürfte.

Nationen-Trio fordert drastische Konsequenzen

Ein anonym aufgenommenes und verbreitetes Video zeigt eine zweifelhafte Bearbeitung der norwegischen Anzüge. Nach dem Wettbewerb disqualifizierte die Fis die beiden norwegischen Weltklassespringer Marius Lindvik und Johann André Forfang. Lindvik hatte tatsächlich den zweiten Platz belegt und Silber gewonnen.

Die drei Topnationen Österreich, Slowenien und Polen protestierten zuvor gegen die Starterlaubnis der Norweger beim Einzel auf der Großschanze. Das Nationen-Trio strebte nicht nur an, die Norweger auszuschließen, sondern beantragte auch die Annullierung aller WM-Ergebnisse in Trondheim. Obwohl der Deutsche Skiverband (DSV) den Protest nicht unterzeichnete, bat er den Weltverband in einem Brief ausdrücklich um Klarstellung.

Skisprung-Bundestrainer empört

«Ich habe ein paar Dinge gesehen, wo eine Nation wilde Dinge macht, die völlig untendurch sind. Man kann das nicht unter den Teppich kehren. Die verantwortlichen Leute müssen reagieren», schimpfte Bundestrainer Stefan Horngacher in der ARD.

Christian Kathol, der Materialkontrolleur, hatte vor dem Wettbewerb betont, dass alle Anzüge überprüft und als regelkonform befunden wurden. Trotzdem wurde der Norweger Kristoffer Eriksen Sundal nach dem ersten Sprung disqualifiziert – Lindvik und Forfang traf dasselbe Schicksal nach dem Ende des Wettkampfs.

Wer hat was, wie und wann getan? Am denkwürdigen Skisprung-Tag in Trondheim blieb zunächst vieles unklar. Dass der Slowene Prevc und nicht Lindvik den Sprung gewann, änderte die Situation kaum bis gar nicht – denn die nachträgliche Disqualifikation sorgte für viel Aufregung. Der Österreicher Jan Hörl erhielt Silber statt Bronze, Ryoyu Kobayashi aus Japan rutschte unerwartet auf den Bronzeplatz. Philipp Raimund landete nach den Streichungen auf dem fünften Platz.

Wellinger: «Mir ist es am Ende eigentlich auch zu blöd»

Der sonst so diplomatische Horngacher sprach in ruhigem Ton Klartext. «Es sind Dinge passiert, die völlig inakzeptabel sind. Es gibt Limits und die Limits sind komplett überschritten worden. Es ist schwierig für den Skisprung. Es gibt leider Gottes immer wieder Leute, die diese Dinge immer wieder überspannen», sagte der Österreicher. Sportdirektor Horst Hüttel sagte, die Argumente der Norweger werden «von allen führenden Anzugexperten zerlegt – komplett».

Das Anzug-Thema schwelte im Lauf der WM immer wieder. ARD-Experte Sven Hannawald übte scharfe Kritik an auffällig großen Anzügen, polnische Medien attackierten auf der Normalschanze Karl Geiger. «Mir hat man auf der kleinen Schanze auch was vorgeworfen, was ich überhaupt nicht in Ordnung fand. Das minimiert die sportliche Leistung», monierte ein spürbar getroffener Geiger.

Von den Sportlern wurde der Protest inhaltlich weitgehend ferngehalten. Olympiasieger Andreas Wellinger erfuhr erst nach dem Wettbewerb von dem Eklat und sagte spontan: «Mir ist es am Ende eigentlich auch zu blöd. Mir geht das Thema nur auf die Nerven. Anzüge, Bindungen: Können wir uns bitte auf Skispringen konzentrieren? Der Beste soll gewinnen und nicht der, der am besten bescheißt.»

«Absolut skurrile Videos» im Umlauf

Wellinger hatte vor knapp einer Woche WM-Silber hinter Lindvik gewonnen und könnte nun nachträglich zum Weltmeister erklärt werden. Der 29 Jahre alte Bayer forderte nach seinem achten Platz im Großschanzeneinzel unmissverständlich: «Wenn einer bescheißt, gehört er rausgeschmissen.» Inhaltlich könne er sich zur Anklage bezüglich der norwegischen Anzüge nicht äußern.

Der deutsche Verband wartet jetzt auf eine Antwort von der Fis auf den Brief. «Wir sehen einen erheblichen Aufarbeitungsbedarf. Es gehen hier Videos rum, die absolut skurril sind. Man muss prüfen: Wo kommen die her, wer hat die gemacht? Wir fordern die Fis ganz klar zur Aufklärung der Situation auf», sagte Hüttel.

https://x.com/FISskijumping/status/1898410949419131249
dpa