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«Spiel unseres Lebens»: Oberachern im Pokal-Fieber

Oberligist SV Oberachern fiebert dem DFB-Pokal-Duell mit Borussia Mönchengladbach entgegen. Auch der Bremer SV hat wieder einen Festtag – und nimmt dafür kalte Duschen in Kauf.

Trifft mit dem SV Oberachern auf Borussia Mönchengladbach: Kapitän Nicola Leberer.
Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Mark Lerandy bekommt eine Gänsehaut. «Wenn die Jungs ins Stadion einlaufen, wird’s kribbeln», sagt der Teammanager des SV Oberachern der Deutschen Presse-Agentur.

«Schon wenn sie in der Kabine sitzen und draußen die Zuschauer hören, wird ihr Herz pochen.» Wer dem 40-Jährigen zuhört, würde vermutlich am liebsten gleich selbst ein Trikot überziehen und auf den Platz rennen.

Das DFB-Pokal-Erstrunden-Duell mit Borussia Mönchengladbach am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) ist das Highlight in der fast 100-jährigen Historie des südbadischen Vereins und das einzige zwischen einem Oberligisten und einem Bundesligisten an diesem Wochenende. «Es ist das größte Spiel unseres Lebens», sagt Innenverteidiger und Kapitän Nicola Leberer.

Klein gegen Groß – das ist es, was dem Wettbewerb seit Jahrzehnten seinen besonderen Charme verleiht. Der Bremer SV etwa weiß das aus eigener Erfahrung, spielte 1979 schon gegen Borussia Dortmund und vergangene Saison gegen den FC Bayern München. Am Sonntag (13.00 Uhr/Sky) treten die Hanseaten gegen Bundesliga-Rückkehrer Schalke 04 an – nach zuvor fünf knapp verpassten Aufstiegen in Serie nun sogar als Regionalligist.

Oberachern zum ersten Mal dabei

Oberachern indes ist zum ersten Mal im DFB-Pokal dabei – und im Vergleich eines Fünft- mit einem Erstligisten natürlich krasser Außenseiter. «Wir bauen kein Abwehrbollwerk auf. Wir wollen unsere DNA an den Tag legen», kündigt Teammanager Lerandy an. «Wir lieben das Risiko, spielen mit offenem Visier.» Ein bisschen im Klopp-Stil.

Abseits des Rasens nennt Lerandy den 1. FC Heidenheim, der sich in den vergangenen 15 Jahren vom Ober- zum etablierten Zweitligisten gemausert hat, als Vorbild. Sportlich hat die Oberacherner die offensive Ausrichtung von Jürgen Klopp inspiriert. «Das, was Kloppo spielen lässt, gefällt uns», sagt Lerandy über den Starcoach des FC Liverpool. «Diese Intensität, mit der sie spielen, ist wahnsinnig», ergänzt Kapitän Leberer. «Wir wissen, dass unsere Chance vielleicht bei fünf Prozent liegt. Aber hinten reinstellen ist nichts für uns.»

Der 26-Jährige, der im Hauptberuf Sport- und Gymnastiklehrer ist und nebenher noch Pakete ausfährt, gehört zu mehreren Liverpool-Fans im Oberacherner Kader. «Wenn die Reds Champions League spielen, sind unsere Jungs nach dem Training erstaunlich schnell beim Duschen», scherzt Lerandy. Ein Gladbach-Fan findet sich bei den Badenern zwar nicht auf dem Rasen, aber auf der Tribüne. Als hätten sie es geahnt, schenkten die Spieler der Frau des Club-Präsidenten Ende Mai ein Trikot ihres Herzensvereins zum Geburtstag. Wenige Tage später erwischten sie bei der Auslosung, die sie gemeinsam auf einer Großleinwand verfolgten, «eines der Top-5-Lose», wie Lerandy die Borussia nennt.

Über 10.000 Zuschauer erwartet

Weit über 10.000 Zuschauer erwartet der SVO am Sonntag. Weil die auf dem Sportplatz am Waldsee natürlich keinen Platz hätten, zieht der Club aus dem gut 25.000 Einwohner zählenden Achern nach Freiburg ins Dreisamstadion um. Lerandy, der früher für den Drittligisten 1. FC Saarbrücken und mit diesem im Pokal 2012 gegen Schalke spielte, kennt solche Kulissen. Die Schützlinge von Oberacherns Trainer Fabian Himmel nicht. «Im Training will jeder noch ein paar Prozent rausholen und sich für die Startelf empfehlen», sagt Spielführer Leberer. Auch andere Oberacherner legen sich ins Zeug. In einem Schokoladenladen wurden vor dem großen Spiel extra Pralinen in Fußball-Form gebacken.

Das Pokal-Fieber hat auch den Bremer SV wieder gepackt. «Für den Verein und für die Spieler ist das ein riesiges Event. Wir können uns zeigen. Schalke ist ein Glückslos», sagt Trainer Torsten Gütschow, einst Torjäger bei Dynamo Dresden und ein Star der DDR-Oberliga. «Die Karten waren an einem Tag weg. Ich habe den Spielern schon gesagt: ‚Wir haben absolut keine Chance – aber die nutzen wir!’»

Der BSV ist ein populärer Stadtteilclub mit eigener, traditionell linker Fankultur und wird «klein St. Pauli» genannt. Da die eigene Spielstätte zu klein und das Weserstadion von den Betriebskosten her zu teuer ist, tritt der Verein im Stadion des VfB Oldenburg gegen Schalke an. Einziger Haken: Wegen der Energiesparmaßnahmen der Stadt während der Sommerferien bleiben die Duschen kalt. Das nehmen die Bremer für ihr nächstes Pokal-Abenteuer aber gerne in Kauf.

dpa