Im EM-Achtelfinale setzt die Nationalelf im Dortmunder Stimmungstempel auch auf den Publikumsjoker. Der Abwehrchef kann wohl ran. Die ultimative Europameister-Prüfung sind die robusten Dänen nicht.
Mythos Dortmund: Füllkrug setzt auf eine «weiße Wand»
Fan-Liebling Niclas Füllkrug beschwört den Mythos der Dortmunder Wand, auch wenn sie beim EM-Auftritt der Nationalelf farblich anders aussehen wird. «Ich hoffe, dass wir die Gelbe Wand weiß machen können», verkündete Lokalmatador Füllkrug vor dem Achtelfinale am Samstagabend (21.00 Uhr/ZDF und MagentaTV). In der K.-o.-Phase setzt das DFB-Team als Turnier-Gastgeber noch mehr als in der Vorrunde auf den Heimvorteil – und im Dortmunder Fußball-Tempel auf den nochmals spezielleren Publikumsjoker.
«Unser Ziel war es von Anfang an, Gruppenerster zu werden und in Dortmund zu spielen, egal gegen wen», berichtete DFB-Sportdirektor Rudi Völler. Die lautstarke Unterstützung von den Rängen soll das Team von Julian Nagelsmann förmlich in die nächste Runde tragen. «Jetzt ist K.-o.-System, jetzt zählt’s. Wir wollen natürlich ins Viertelfinale», sagte Völler.
Rüdiger dabei: Erst Adiletten, dann Fußballschuhe
Vor dem Abflug des DFB-Trosses am Freitag nach drei Busreisen zum ersten Mal mit dem Flugzeug von Nürnberg zum Spielort wurde in Herzogenaurach an den letzten Details des Matchplans für Dänemark gearbeitet. Die TV-Kameras und Foto-Objektive waren jedoch hauptsächlich auf einen Mann gerichtet: Antonio Rüdiger. Der Abwehrchef trainierte nach seiner Muskelzerrung auf dem Rasen, ohne Bandage am rechten Oberschenkel und ohne erkennbare Probleme.
Die Medien beobachteten nur die Aufwärmphase, bei der es nicht um Zweikämpfe, Sprintduelle und 100-Prozent-Aktionen geht. Rüdiger ging lässig in Adiletten zum Trainingsplatz, kickte dann ein wenig mit Jamal Musiala, Ilkay Gündogan und Jonathan Tah in Fußballschuhen, bevor die finale Übungseinheit begann. Nagelsmann wird die Entscheidung über Rüdigers Einsatz wahrscheinlich erst am Spieltag treffen.
Schlotterbeck gewappnet: «Wissen Bescheid»
Bisher hat der Bundestrainer extern nicht über die Dänen gesprochen, sondern ausschließlich vor der Mannschaft. Im Geheimen hat der 36-Jährige über Taktik und Personal getüftelt. «Wir wissen Bescheid, wie wir Dänemark bespielen wollen», verriet Nico Schlotterbeck. Er wird den gesperrten Jonathan Tah in der Innenverteidigung ersetzen. Der Nebenmann wird Rüdiger sein. Oder EM-Neuling Waldemar Anton, der in der Gruppenphase noch keine Minute zum Einsatz kam.
Die zweite wichtige Aufstellungsfrage neben Rüdiger bewegt die Fans vermutlich noch mehr. Wird Nagelsmann seinen Top-Joker Füllkrug erstmals von Beginn an einsetzen? Für Kai Havertz, der vor seinem 50. Länderspiel steht? Oder sogar zusammen mit Havertz?
Argumente für Füllkrug, aber auch Havertz
Für jede Option gäbe es gute Argumente. Am Ende aber entscheidet der Bundestrainer, wie er mit Füllkrug verfährt, nachdem dieser mit dem Last-Minute-Kopfball gegen die Schweiz massiv für sich werben konnte. «So ein kleiner Emotions-Explosionsmoment war nicht ganz verkehrt», bemerkte Nagelsmann zu Füllkrugs Kopfball in Frankfurt zum 1:1. Bislang hat der Bundestrainer beim Heimturnier sein Rollenprinzip konsequent durchgezogen.
Auf jeden Fall braucht es gegen die abwehrstarken Dänen gute offensive Lösungen. «Es ist eine sehr körperbetonte, robuste Mannschaft, die es jedem Gegner schwer macht, Chancen zu kreieren. Unglaublich kopfballstark – ein brandgefährlicher Gegner», urteilte Völler. Der Sportdirektor formulierte aber auch klar den eigenen Anspruch: «Den Optimismus und das Selbstvertrauen, dass wir in die nächste Runde einziehen wollen, haben wir.»
Spanien, Frankreich, Portugal und der Turnierbaum
Natürlich richtet sich der Blick bereits heimlich auf den weiteren Turnierbaum. Die große Prüfung für die ungeschlagenen, aber sieglosen Dänen in der Gruppenphase steht noch aus. Es würde ein Viertelfinalduell in Stuttgart gegen die Spanier bedeuten, das einzige Team, das alle drei Spiele in der Gruppenphase gewinnen konnte.
Danach wäre auf dem Weg zum EM-Finale in Berlin ein mögliches Halbfinale in München gegen Frankreich oder Portugal denkbar. Völler wehrte sich, schon so weit vorauszudenken: «Wir tun alle gut daran, erstmal nur aufs Achtelfinale fokussiert zu sein.»
Ein Turnier-K.-o.-Spiel ist für etliche Akteure im deutschen Kader Neuland, übrigens auch für den jungen Bundestrainer. «Das Gesetz des Turniers ist, dass die Gegner tendenziell stärker werden», meinte Nagelsmann. Am besten folgt er dem Rat des Fußball-Weisen Völler, der als Spieler und DFB-Teamchef um die besondere Drucksituation der Alles-oder-nichts-Spiele weiß und darum auch eine Lösung parat hat: «Du musst einfach funktionieren.»