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Sturz-Chaos bei der Tour – «Risikobereitschaft extrem hoch»

Die Befürchtungen sind eingetroffen. Gleich auf den ersten Etappen kommt es bei Tour de France zu vielen Stürzen. Schuld sind auch die Radprofis, die volles Risiko nehmen.

In Jasper Philipsen schied der beste Sprinter verletzt aus.
Foto: Matthieu Botte/MAXPPP/dpa

Knochenbrüche, zerrissene Trikots und blutige Wunden – das befürchtete Sturz-Chaos bei der Tour de France ist in den ersten Tagen eingetreten und hat bereits zu bedeutenden Ausfällen wie Sprint-König Jasper Philipsen geführt. Alle Bemühungen des Weltverbandes UCI mit der Einführung von Gelben Karten oder der Änderung der Kilometer-Regel haben nichts gebracht – auch weil die Fahrer beim größten Radspektakel der Welt an ihre Grenzen gehen – und darüber hinaus.

«Die Tour ist nach der Weltmeisterschaft das Größte, was man als Radprofi erreichen kann. Deshalb ist die Risikobereitschaft hier extrem hoch», erklärte Sprinter Phil Bauhaus, der auf der dritten Etappe in Dünkirchen Dritter wurde. 

Ähnlich sieht es Red-Bull-Sportdirektor Rolf Aldag: «Die erste Woche ist vermutlich die gefährlichste, weil jeder glaubt, er kann Radsport-Historie schreiben. In der zweiten, dritten Woche weiß jeder, wo er hingehört. Dann wird auch mal zurückgezogen und gebremst.»

Rippen- und Schlüsselbeinbruch bei Philipsen

Die größte Sprint-Attraktion im Feld ist bereits draußen – für eine Weile. Der Belgier Philipsen stürzte nach einem Rempler beim Zwischensprint mit Tempo 61 und erlitt laut erster Diagnose einen verschobenen Schlüsselbeinbruch und mindestens eine Rippenfraktur. Er wurde bereits im Krankenhaus von Herentals operiert.

«Der zerbrochene Traum», titelte die «L’Equipe» und beim belgischen TV-Sender Sporza war online zu lesen: «Vom Himmel in die Hölle. Jasper Philipsens Tour de France ist vorbei.» Auch sein prominenter Teamkollege Mathieu van der Poel war schwer betroffen: «Es ist großer Mist, ihn zu verlieren. Nicht nur auf dem Rad, sondern auch am Tisch. Er ist ein guter Freund. Ich hoffe, es ist nicht so schlimm.»

Neben Philipsen sind auch der zweimalige Weltmeister und Bahnrad-Olympiasieger Filippo Ganna aus Italien sowie der Schweizer Stefan Bissegger – zwei der weltbesten Zeitfahrer – nach Stürzen bereits zu Hause und damit Opfer des jährlichen Spektakels Tour.

UCI-Maßnahmen können Stürze nicht verhindern

Die UCI hatte zusätzliche Maßnahmen ergriffen, wie die Einführung von Gelben Karten. Nach zwei Verwarnungen in einem Rennen wird eine siebentägige Sperre verhängt. Bei drei Gelben Karten innerhalb von 30 Tagen wird eine Sperre von 14 Tagen verhängt.

Der Franzose Bryan Coquard wurde als Sturz-Verursacher bei Philipsen ausgemacht und enthielt eine entsprechende Verwarnung sowie 500 Schweizer Franken Strafe und einen Abzug von 13 Punkten. Philipsens Teamkollege Jonas Rickaert dürfte das genauso wenig beruhigen wie die Entschuldigung des Franzosen. «Er hat mir gesagt, dass er nichts machen konnte, aber es ist nicht das erste Mal, dass er im Zwischensprint zu viel Risiko nimmt, obwohl er sie nicht gewinnen kann. Für zehn Punkte sein Leben riskieren, das ist der Wahnsinn.»

Kein Zeitverlust für die Stars

Die Erweiterung der sogenannten Drei-Kilometer-Regel auf bis zu fünf Kilometer verhindert zwar keine Stürze, sorgt aber zumindest für etwas Entspannung bei den hektischen Zielankünften. Bei Stürzen auf Flachetappen innerhalb dieses Bereiches werden die betroffenen Fahrer mit der gleichen Zeit der Gruppe zum Zeitpunkt des Zwischenfalls gewertet. Das hat immerhin die Topstars um Titelverteidiger Tadej Pogacar in Dünkirchen vor einem Zeitverlust bewahrt.

Die beiden Red-Bull-Hoffnungsträger Primoz Roglic und Florian Lipowitz sind bislang auch – wenngleich mit geringem Zeitverlust – gut durchgekommen. «Die 30 Sekunden werden nicht die Tour entscheiden, ein schwerer Sturz schon», meinte jüngst Aldag. Bislang geht die Rechnung auf.

dpa