Am Samstag startet die Tour de France, das wichtigste Radrennen der Welt. Für die deutschen Profis geht es bestenfalls um einen Tageserfolg. Ein Ex-Profi ist zuversichtlich.
Tour: Deutsche Profis «Außenseiter» bei Etappensiegen
Jan Ullrich ist zuversichtlich. Zumindest wenn es um das Potenzial der deutschen Radprofis bei der Tour de France geht. «Wir können schon jetzt eine Etappe gewinnen. Ich glaube auch, dass uns dies auch dieses Jahr bei der Tour gelingt», sagte der 50 Jahre alte Ex-Profi der Deutschen Presse-Agentur vor der am Samstag beginnenden 111. Ausgabe der Frankreich-Rundfahrt.
Ullrich, der 1997 die Tour gewonnen hatte und im vergangenen Jahr ein Doping-Geständnis ablegte, holte zwischen 1996 und 2003 sieben Tour-Etappenerfolge. «Die Möglichkeit ist immer da», meinte er. «Da kann auch ein Mann wie Simon Geschke mal in eine Gruppe gehen.»
Geschke, mit 38 Jahren einer der ältesten Radprofis bei der diesjährigen großen Schleife, ist pessimistischer als Ullrich. «Die Chancen auf einen Etappensieg von mir sind realistisch gesehen sehr gering», sagte der Freiburger auf dpa-Anfrage. Für ihn es die zwölfte und letzte Teilnahme bei der bekanntesten Rundfahrt der Welt. Nach dieser Saison beendet der einmalige Tour-Etappen-Sieger (2015) seine Karriere.
Geschke: Nicht «so heiße Kandidaten» wie Belgien
Zusammen mit sieben anderen Deutschen startet Geschke am Samstag in der italienischen Stadt Florenz. Im Jahr 2017 waren es einmal 16 Starter. Immerhin zeigt der Trend leicht nach oben: 2023 nahmen sieben deutsche Profis teil. Zum Vergleich: Die Franzosen sind dieses Jahr mit 32 Rennfahrern vertreten, die Belgier mit 28 Profis.
Etwa Nils Politt reist aus dem schwarz-rot-goldenen Lager als Helfer des zweimaligen Tour-Siegers Tadej Pogacar an. Nachdem Sprinter Phil Bauhaus und der Augsburger Georg Zimmermann im vergangenen Jahr knapp einen Tageserfolg verpasst hatten, gehen beide nun auch wieder an den Start. Routinier John Degenkolb, Bauhaus-Kollege Nikias Arndt sowie die Tour-Debütanten Pascal Ackermann und Nico Denz vervollständigen das deutsche Aufgebot.
Die acht Fahrer streben hauptsächlich nach Etappensiegen – vorausgesetzt, ihre Teams gewähren ihnen die Freiheiten und sehen sie nicht als Helfer für ihre Kollegen vor. Politt erzielte zuletzt 2021 auf der zwölften Etappe einen Tageserfolg.
«Ich würde die Deutschen als Außenseiter für einen Etappensieg sehen», sagte Geschke. «Wir haben nicht so heiße Kandidaten wie vielleicht die Belgier mit Wout van Aert und Jasper Philipsen», fügte er hinzu.
Hoffnungen auf Bauhaus und Zimmermann
Hoffnungen liegen vor allem auf Bauhaus, der laut Geschke «sehr gute Chancen auf einen Tagessieg hat». Der Oldie sieht aber noch jemanden vorn. «Georg Zimmermann ist ein starker Fahrer und ist aus meiner Sicht der heißeste Kandidat auf einen Etappensieg», prognostizierte Geschke. Und er selbst? «Bei mir über die Fluchtgruppen wäre es eine Überraschung», sagte er. Beim Giro im Mai lieferte er eine tolle Vorstellung ab – und landete in der Gesamtwertung auf Rang 14.
In Italien machten ebenso zwei Nachwuchsfahrer auf sich aufmerksam: Georg Steinhauser und Florian Lipowitz. Steinhauser gelang ein spektakulärer Etappensieg, der ihm sogar Lob von Pogacar einbrachte. Beide sind nicht bei der Tour dabei. Steinhausers Erfolg freute auch Jan Ullrich. Er ist der Onkel des 22-Jährigen. «Er ist einen mega Giro gefahren und besitzt großes Potenzial», lobte Ullrich.
Nachwuchsprobleme im Radsport
Den Radsport hierzulande plagen wie auch andere Sportarten Nachwuchsprobleme. Aus der Sicht vieler Beobachter finden zu wenige Radrennen statt, die Ausrüstung ist für viele Familien zu teuer und es fehlt die Präsenz, da Deutschland nicht zu den großen Radsportnationen wie etwa Belgien oder Italien zählt. «Speziell in der Masse fehlt es ein Stück weit», sagte Ralph Denk, Team-Manager beim Team Red Bull-Bora-hansgrohe auf dpa-Anfrage. Es gebe das ein oder andere Talent, aber zu wenige Rennen würden stattfinden und die Starterfelder seien zu klein.
Beim Bora-Team steigt ab der Tour der Energydrink-Riese Red Bull ein. Die Partnerschaft zielt darauf ab, vor allem Nachwuchsfahrer zu entdecken und zu unterstützen. Ab 2025 wird es ein eigenes U23-Team geben. Ziel ist es, Talente vom Nachwuchs bis zum World-Tour-Team zu fördern. Möglicherweise wird die Anzahl deutscher Fahrer bei der Tour de France in Zukunft zunehmen.