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Transgender-Läuferin Petrillo: «Hoffe, mein Sohn ist stolz»

Viel Aufregung zuvor, im Stade de France wird Valentina Petrillo aber behandelt wie jede andere Läuferin auch. Der Deutsche Behindertensportverband wünscht sich indes klare Regeln.

Die Fans im Stade de France haben Transgender-Sprinterin Valentina Petrillo positiv in Empfang genommen.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Valentina Petrillo hatte ihren ersten Auftritt im Stade de France, der ohne große Aufmerksamkeit verlief. Vor ihren Starts bei den Paralympics gab es hauptsächlich Diskussionen in den sozialen Netzwerken – und diese haben die Transgender-Läuferin aus Italien beeinflusst. Als Mann nahm sie über viele Jahre an unzähligen Wettkämpfen teil, bis sie sich einer Hormontherapie unterzog. Mit 51 Jahren trat sie nun erstmals bei den Paralympischen Spielen in Paris gegen Frauen an.

«Ich bin glücklich als Frau, und als Frau zu laufen, ist alles, was ich will», sagte die sehbehinderte Petrillo in einem Interview mit der BBC aus England. Als sie 14 Jahre alt war, wurde bei ihr die Netzhautkrankheit Morbus Stargardt diagnostiziert. «Ich träume von einer Zukunft, in der niemand solche Geschichten wie meine hören muss.»

Deutscher Verband positioniert sich

Die Aufregung vor ihrer Teilnahme am Sprint über 400 Meter war groß. Der Deutsche Behindertensportverband hielt sich dazu erst einmal bedeckt, wartete ein internes Treffen ab, um sich dann zu positionieren. Auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur erklärte Delegationsleiter Karl Quade: «Wir respektieren jetzt erst einmal die Entscheidung der internationalen Verbände, fordern für die Zukunft aber klare Regeln – World Athletic hat diese Regeln, Para-Athletic nicht.» 

Die Definition des Internationalen Paralympischen Komitees lautet nach aktuellem Stand so: Solange Petrillo die erforderlichen Testosteronwerte für Frauenwettbewerbe nachweisen kann, darf sie gegen Frauen antreten. Jedoch verwies IPC-Präsident Andrew Parsons darauf, dass die Regeln «für den Moment» gelten würden. Auch er wünscht sich eine «einheitliche» Lösung, erklärte der Funktionär in einem «BBC»-Interview und fügte an, dass Petrillo in Paris willkommen sei. Schließlich seien die Paralympics ein Botschafter für Inklusion.

Im Stade de France wurde Petrillo in ihrem Vorlauf Zweite, scheiterte dann aber im Halbfinale als Sechste. «Ich sollte glücklich sein, auch wenn ich ein bisschen niedergeschlagen bin», sagte sie. «Ich hoffe, mein Sohn wird stolz auf mich sein. Das ist wichtig, weil er einen Vater hat, der trans ist, und ich bin nicht der Vater, von dem jeder träumt.»

Nur Augenblicke später überkamen sie die Emotionen. Unter Tränen sagte Petrillo: «Behandelt Transgender-Menschen nicht schlecht. Wir leiden. Es gibt Menschen, die sich umbringen. Das ist nicht in Ordnung. Wir tun niemandem etwas.» Danach brach sie das Gespräch ab.

Aufregung schon bei Olympia

Solche Diskussionen sind nicht neu. 2016 nahm die transsexuelle Athletin Ingrid van Kranen aus den Niederlanden am Para-Diskuswurf in Rio de Janeiro teil. Bei den letzten Olympischen Spielen in Paris standen die Kämpfe der Boxerinnen Imane Khelif aus Algerien und Lin Yi-ting (28) aus Taiwan im Mittelpunkt. Die Debatte ging über die Frage des fairen sportlichen Wettbewerbs hinaus und erreichte auch die höchsten politischen Kreise. In der gesellschaftspolitisch aufgeheizten Atmosphäre wurden beide Athletinnen im Internet stark angefeindet.

Das Internationale Olympische Komitee bezeichnete vorgenommene Geschlechter-Tests der International Boxing Association als eine «willkürliche Entscheidung ohne ordnungsgemäßes Verfahren» und ließ Khelif und Lin teilnehmen, weil sie als Frauen geboren worden seien und über Jahre als Frauen an Wettbewerben teilgenommen hatten. Die IBA hatte zuvor «Wettbewerbsvorteile» erkannt und die beiden ausgeschlossen.

Als positives Beispiel vorangehen

Petrillo ist nun die erste offene Trans-Paralympicsteilnehmerin. Auf die Unterstützung ihrer Frau kann sie indes zählen. Trotzdem hatte es die Neapolitanerin laut eigener Aussage nicht leicht. Durch ihre Qualifikation für die Paralympics möchte sie als positives Beispiel vorangehen. «Ich träume von einer Zukunft, in der es keine Kinder, Mädchen, Teenager mehr gibt, die gezwungen sind, sich zu verstecken, Angst zu haben, sich nicht so ausdrücken zu können, wie sie sind: in der Familie, in der Gesellschaft, bei alltäglichen Aktivitäten.»

Am Freitagvormittag wird sie erneut am Start stehen. Doch schon allein durch ihren Premieren-Auftritt sei ihr etwas Historisches geglückt, so Petrillo. «Ich möchte nichts mehr über Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Transgender-Personen hören. Ich habe es geschafft. Wenn ich es schaffen kann, kann es jeder schaffen.»

dpa