Freudentaumel nach historischem Sieg: Verstappen dominiert Rennen und setzt klare WM-Akzente mit 62-Punkte-Vorsprung.
Pure Freude und auch große Genugtuung bei Max Verstappen
Foto: Andre Penner/AP/dpa
Nachdem er mit dem Material für Legendenfahrten triumphiert hatte, genoss Max Verstappen die klebrige Sekt- und Energy-Drink-Dusche. Keine Flüche, kein Wüten wie noch wenige Stunden zuvor. Der Sieg auf dem so geschichtsträchtigen Formel-1-Kurs in São Paulo und in einem Rennen, das seinesgleichen sucht, wirkte wie ein Turbo-Frust-Katalysator und ließ auch sein allerengstes Umfeld des Vertrauens nicht unberührt.
Freundin Kelly Piquet, Tochter des brasilianischen Ex-Champions Nelson Piquet, blickte im Autódromo José Carlos Pace schwer ergriffen nach oben zum Siegerpodest. Bei Max Verstappens Vater Jos herrschte nach dem Regen-, Unfall- und Unterbrechungschaos von Interlagos einfach nur purer Stolz und extreme Genugtuung: «Die ganze Welt hat gesehen, wer der Allerbeste ist.» Nämlich Max Verstappen.
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Der 27-jährige Niederländer feierte mit seinem 62. Grand-Prix-Sieg in seiner Karriere einen beeindruckenden Erfolg. Dies war eine klare Demonstration seines außergewöhnlichen Könnens in einer entscheidenden Phase der Weltmeisterschaft. Verstappen fuhr insgesamt 17 Mal die schnellste Rennrunde und hatte einen Vorsprung von knapp 20 Sekunden auf den Überraschungszweiten Esteban Ocon aus Frankreich im Alpine.
«Das war pures Talent, pure Magie unter extremen Bedingungen», schrieb die spanische Sportzeitung «As» und forderte nach der «Hommage von Piquets Schwiegersohn an (Ayrton) Senna» und mit Blick auf die WM bereits: «Gebt ihm jetzt den Pokal.»
So wird Verstappen in Las Vegas Weltmeister
Mit einem Vorsprung von 44 Punkten am Samstagmittag nach dem geschenkten Sprint-Sieg von Norris und Startplatz 17 am Sonntagmorgen erlangte Verstappen im spektakulären Hauptrennen einen höchstwahrscheinlich bereits entscheidenden Vorsprung von 62 Zählern. «Der dreifache Champion hat nun eine Hand und vier Finger an der vierten Formel-1-Weltmeisterschaft», berichtete die brasilianische Sportzeitung «Lance».
In drei Wochen in Las Vegas muss Verstappen nach dem Rennen noch 60 Punkte mehr als Lando Norris haben, dann ist der 24-jährige Brite geschlagen und Verstappen wird wie einst Vettel viermaliger Weltmeister in Serie mit Red Bull.
«Es war natürlich unglaublich wichtig, denn letztlich war ich davon ausgegangen, dass ich Punkte verliere», erklärte Verstappen zum Sieg in Brasilien. An eine WM-Entscheidung in Las Vegas denke er aber nicht. «Ich will nur sauberes Rennfahren», betonte Verstappen, nachdem er zuletzt in Mexiko-Stadt zweimal bestraft worden war und in der Sprintentscheidung in Brasilien einmal. Das Verhältnis zu den Rennkommissaren ist aber schon seit der Fluch-Affäre angespannt.
Was Max Verstappen noch mal richtig antreibt
Die Kritik auch an seiner kompromisslos-konsequenten Fahrweise hat ihn aber nur noch mehr angetrieben. «Sie denken, dass sie ihn aus seiner guten Laune holen, aber er wird dadurch nur besser werden», betonte Vater Jos.
Selbst in England, wo Vater Jos die größten Kritiker auch unter den Fahrern vermutet, wurde Verstappens fast beispiellose Aufholjagd honoriert – nur fünf der bisher insgesamt 1121 Formel-1-Rennen wurden von Platz 17 oder noch weiter hinten gewonnen. Von einer «Wunderfahrt» schrieb der «Guardian» und die «Daily Mail» urteilte: «Max Verstappen beweist, dass er der beste Fahrer der Welt ist.» Er habe die Elemente besiegt.
Ob in der Heimat des 2021 von Verstappen so eiskalt in einem hochumstrittenen Finale entthronten Lewis Hamilton oder des aktuellen Herausforderer Norris oder woanders: Lob und Huldigungen für Verstappen, weniger erfreuliche Urteile über Norris. Italiens «Gazzetta dello Sport» schrieb von einem Sieg, «der in die Annalen eingehen wird, errungen von einem phänomenalen Fahrer». Spaniens Sportblatt «Marca» meinte: «Ein epische Aufholjagd von Platz 17 von einem der Besten der Geschichte.»
Norris: Das war Glück
Verstappen sei «in einer eigenen Welt» gewesen, meinte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko bei Sky: «Ich habe gesagt, er fährt aufs Podium, aber in so einer Demonstration hat es wieder alles gesprengt.»
Norris, der mit Verstappen befreundet ist, betrachtete dessen Erfolg jedoch als Glück. Er erwähnte nicht, dass Verstappen direkt nach dem Start Plätze gut gemacht hatte und weiter aufgeholt hatte, während er selbst seine Pole Position erneut nicht verteidigen konnte. Auch seine fahrerischen Fehler erwähnte der 24-jährige Brite nicht.
«Norris erst mit Peinlichkeit – dann läuft alles komplett gegen ihn», schrieb der Schweizer «Tagesanzeiger». In der Tat hatte der WM-Herausforderer zumindest Pech. Verstappen hatte dagegen auch Glück, dass er während einer der vielen Unterbrechungen die Reifen wechseln lassen konnte, ohne auch nur eine Sekunde zu verlieren. «Wir sind ruhig geblieben», sagte Verstappen: «Und wir sind geflogen.»
