Bei Europas größtem Autobauer VW drohen die Schließung von Werken und der Wegfall Tausender Arbeitsplätze. In Wolfsburg ist die Unruhe groß. Doch was bedeutet das für den Fußballclub des Konzerns?
Verunsicherung in Wolfsburg: Die VW-Krise und der VfL
In dieser Woche wird das Stadion des VfL Wolfsburg nicht nur für die beiden Heimspiele gegen den FC Augsburg (Samstag, 15.30 Uhr/Sky) und Borussia Dortmund genutzt. Auch in den Räumen der Volkswagen Arena begann am Mittwoch die zweite Verhandlungsrunde zwischen dem angeschlagenen VW-Konzern und der Gewerkschaft IG Metall.
Werksschließungen, Entlassungen, Milliarden-Einsparungen: Das sind die Schreckensszenarien, um die es dort geht. Und auch beim VfL Wolfsburg stellt sich die Frage: Wie wird sich die große VW-Krise auf den hauseigenen Fußballbetrieb auswirken? Wie lange wird sich ein Unternehmen unter Sparzwang noch ein Fußball-Team leisten können, das trotz der millionenschweren Unterstützung und trotz des Pokalerfolgs gegen Dortmund aktuell mal wieder nur auf Platz 14 der Bundesliga-Tabelle steht?
Volkswagen ist bei der deutschen Nationalmannschaft oder Bayern München lediglich Sponsor oder als Anteilseigner über die Tochtergesellschaft Audi aktiv. Die VfL Wolfsburg-Fußball GmbH hingegen ist ein Tochterunternehmen des Konzerns. Volkswagen ist ihr 100-prozentiger Gesellschafter.
Bei einem Treffen zwischen der Führung des Clubs und den Mitarbeitern des VfL wurde im September betont, dass die finanzielle Unterstützung von VW und die bestehenden Verträge nicht gefährdet seien. Allerdings ist zum jetzigen Zeitpunkt der VW-Krise nicht klar, wie es genau weitergehen wird.
VfL bezieht Stellung
«Die gesamte VfL Wolfsburg-Fußball GmbH», heißt es in einer Stellungnahme des Clubs, richte ihr tägliches Handeln danach aus, einen Beitrag zu dem großen Sparprogramm von VW zu leisten. «Es ist von jeher unser Anspruch, als Tochter von Volkswagen die uns zur Verfügung gestellten Ressourcen effizient und kostenschonend einzusetzen.» Das gelte «insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen».
Über dieses Statement geht die Kommunikation des Clubs derzeit nicht hinaus. Beide in Wolfsburg erscheinenden Zeitungen berichten aber von einer Verunsicherung auch unter den VfL-Mitarbeitern. Und von Kommentaren im Intranet von Volkswagen, in denen die Frage gestellt wird: Warum leistet sich VW noch «ein teures Spielzeug» wie den VfL, während gleichzeitig Tausende Arbeitsplätze bedroht sind?
Es half dem Club in dieser Diskussion kaum weiter, dass der ehemalige Spieler Max Kruse zuletzt in der TV-Show «Promi Big Brother» erzählte: Die Wolfsburger hätten ihm in seiner zweiten Zeit beim VfL «das Geld in den Arsch geschoben».
Auch die Fans von Borussia Dortmund hielten am Dienstagabend in Wolfsburg mehrere Plakate hoch, auf denen stand: «Kosten sparen, Wolfsburg-Sponsoring beenden, Arbeitsplätze erhalten, 50+1 stärken!»
Knapp 80 Millionen von VW
Es gibt hauptsächlich zwei Vereinbarungen zwischen dem VfL Wolfsburg und dem Geld von Volkswagen. Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestimmt, dass der Verein alle Gewinne an seinen Mutterkonzern abgeben muss, wenn er einen Spieler wie Kevin De Bruyne für 75 Millionen Euro an Manchester City verkauft. Auf der anderen Seite gleicht VW auch alle Verluste des VfL aus – beispielsweise in der Coronazeit oder nach besonders erfolglosen Jahren.
Volkswagen bündelt seine finanzielle Unterstützung von Trikotwerbung bis zu den Namensrechten am Stadion jährlich in einem Gesamtpaket. Vor einigen Jahren belief sich dieser Betrag noch auf rund 100 Millionen Euro, wurde jedoch bereits 2017 erheblich gekürzt. Vor dieser Saison erhöhte das Unternehmen seine Zuwendungen erstmals wieder – jetzt sind es knapp 80 Millionen Euro.
Für viele Bundesliga-Clubs sind dies finanzielle Möglichkeiten, die immer noch außer Reichweite liegen. Auf der anderen Seite reichen knapp 80 Millionen Euro von Volkswagen bei weitem nicht aus, um mit Champions-League-Clubs wie Bayern München oder Borussia Dortmund zu konkurrieren.
Vorbild van de Ven
Der VfL hat daher seine Strategie bereits unter den Sportchefs Jörg Schmadtke und Marcel Schäfer geändert und zwar vor dem Beginn der großen VW-Krise. Der Verein setzt nun hauptsächlich auf junge Spieler, um sie in Wolfsburg zu entwickeln und anschließend teuer zu verkaufen.
Im Idealfall klappt das wie bei Micky van de Ven (Tottenham) und Lukas Nmecha (Dortmund), für die die «Wölfe» zusammen rund 70 Millionen Euro kassierten. Die Entwicklung stockt aber seit 2021 schon wieder, auch weil der Club viel Geld für Spieler wie Mattias Svanberg, Sebastiaan Bornauw oder Vaclav Cerny ausgab, die ihn bislang kaum weiterbrachten.
Den VfL zurück in einen Europapokal-Wettbewerb zu führen, ist seit diesem Jahr die Aufgabe von Ralph Hasenhüttl. Und der Trainer sagte der «Wolfsburger Allgemeinen Zeitung» zur Situation: «Wir als VfL Wolfsburg sind ein Teil von Volkswagen. Uns geht es gut, wenn es dem Konzern und seinen Mitarbeitenden gut geht.» Das ist gerade nicht der Fall.