Nicht Julian Nagelsmann, sondern Rudi Völler übernimmt die Einstimmung aufs K.-o.-Duell mit Dänemark. Der Sportdirektor fühlt sich bei der EM um eine Kernaufgabe gebracht. Eine Warnung hat er dennoch.
Völler warnt auch ohne Brandherde: EM geht jetzt neu los
Julian Nagelsmann trieb die Fußball-Nationalspieler nach einem Tag voller Pool- und Freizeitspaß bei brütender Hitze wieder auf den Trainingsplatz in Franken.
Der Bundestrainer überließ jedoch Rudi Völler die öffentliche Einstimmung samt deutlichem Warnsignal vor dem ersten K.o.-Duell mit Dänemark – wie auch das neueste Bulletin zum Gesundheitszustand von Abwehrchef Antonio Rüdiger.
Mit der Erfahrung aus fünf Fußball-Jahrzehnten saß der Sportdirektor im gut klimatisierten Medienzentrum, nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse und schlüpfte kurz in die Rolle des Mahners. Optimismus ist erlaubt, aber die Sinne müssen jetzt unbedingt geschärft sein. Sonst ist die tolle EM-Stimmung schon am Wochenende verpufft. «Jetzt ist ein neuer Wettbewerb, jetzt ist K.-o.-System, Achtelfinale, jetzt zählt’s. Und wir sind gewappnet», sagte der 64-Jährige am Mittwoch in Herzogenaurach.
Erinnerung an 1992
Das Gefahrenpotenzial von Danish Dynamite ist im deutschen Fußballbewusstsein immer noch präsent. Auch Völler erinnerte sich natürlich an das legendäre EM-Finale 1992, als er mit gebrochenem Arm vergeblich als Glücksbringer zurück zur deutschen Mannschaft flog. Das 0:2 im Finale musste er gegen die dänischen EM-Urlauber von der Tribüne aus verfolgen.
Alles Geschichte, meint Völler heute. Für ihn zählt nur 2024. Ganz «wunderbar» sei die Nationalmannschaft, ganz «wunderbar» sei Nagelsmann als Trainer und Mensch, holte Völler in seinem typisch launigen Tante-Käthe-Erzählstil aus. Aber die EM, die geht nach einer formidablen Gruppenphase mit Gute-Laune-Fußball und notwendiger Widerstandskraft eben nochmal von vorne los.
Nach dem Fernsehstudium auf dem Riesenbildschirm im Home Ground ist Dänemark für Völler der logische deutsche Gegner im EM-Achtelfinale am Samstag (21.00 Uhr/ZDF/Magenta TV). Selbstverständlich lobte er den Kontrahenten, wie es in der Branche aus Respekt, aber auch aus einer Spur Selbstschutz und Vorsicht üblich ist. «Das ist ein brandgefährlicher Gegner, das wissen wir», äußerte er.
Dortmund als großer Faktor
Das entscheidende Feuer hat Völler aber bei Nagelsmann und den eigenen Nationalspielern ausgemacht. Und mit dem Faktor Dortmund, dem Stadion mit der magischen Fußball-Energie, soll der Einzug ins Viertelfinale schon gelingen. «Diesen Optimismus, das Selbstvertrauen haben wir uns redlich verdient. Diese Zuversicht, dass wir in die nächste Runde einziehen wollen, die haben wir auf jeden Fall», sagte Völler.
Nach eineinhalb Jahren im Amt fühlt er sich bei dieser EM um seine Kernaufgabe beraubt. Als emotionaler Feuerwehrmann war er nach dem WM-Desaster in Katar Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick zur Seite gestellt worden. Und jetzt? Im EM-Sommer 2024? Brände? «Die gab es bisher nicht», sagte Völler. Und da ist er gar nicht böse drum.
Völler sah sich veranlasst, einen vergleichsweise moderaten Krisenbericht zur Abwehrlage abzugeben. Die gute Nachricht ist, dass Rüdiger drei Tage nach seiner Zerrung im rechten Oberschenkel im Fitnesszelt neben dem Trainingsplatz wieder eine leichte Laufeinheit absolvieren konnte. Aufgrund der Verletzung aus dem Spiel gegen die Schweiz war ein Teamtraining noch nicht möglich.
Ein Einsatz am Samstag ist laut offizieller Sprachregelung nicht ausgeschlossen. «Am Ende wird es Toni zusammen mit dem Trainer und der medizinischen Abteilung entscheiden. Im Moment ist es zu früh, irgendwas Endgültiges zu sagen», teilte Völler mit.
Ungewollte Transfer-News
Sollte Rüdiger neben dem gelb-gesperrten Jonathan Tah auch ausfallen, will Völler bloß keine Panikgefühle aufkommen lassen. «Es gibt keine negativen Gedanken, dass es nicht gut gehen könnte», sagte er. Nico Schlotterbeck habe gegen die Schweiz gut gespielt. Und Waldemar Anton? Auch dem traut er einen EM-Einsatz zu. Bei Anton aber verplapperte sich Völler auch ein wenig. Der Stuttgarter habe viele Angebote gehabt und sich für Dortmund als künftigen Arbeitgeber entschieden. Eine Transfernews in der DFB-Pk? Völler relativierte später ein wenig. Aber die Info war plötzlich interessanter als der Oberschenkel von Rüdiger.
Es ist klar, dass Nagelsmann auch bei Verletzungen strikt an seinem EM-Rollenmodell festhält, wie durch Völlers Hinweis auf Anton bestätigt. Es gibt keine Überlegungen, Emre Can als Ersatzinnenverteidiger einzusetzen, wie es vom ehemaligen Kapitän der Nationalmannschaft, Michael Ballack, bevorzugt wird.
Argumente für Havertz
Im Angriff wird der Wunsch der Fans nach einem Starteinsatz von Torheld Niclas Füllkrug anstelle von Kai Havertz nicht erfüllt werden. Völler hat sich in der großen deutschen Stürmer-Diskussion nicht festgelegt. Allerdings hat der 64-Jährige bei der Beschreibung der jeweiligen Stärken angedeutet, in welche Richtung Nagelsmann denkt.
«Die Quote von Fülle ist sicherlich außergewöhnlich», sagte Völler. 13 Tore in 19 Länderspielen hat der 31 Jahre alte Füllkrug erzielt. Aber: «Du brauchst auch einen spielenden Mittelstürmer, das kann Kai wunderbar lösen. Er macht das auf seine Art aber auch außergewöhnlich gut», sagte Völler. Havertz steht gegen die Dänen vor seinem 50. Einsatz für Deutschland.