Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Manuel Neuer: EM-Start trotz Pannen-Serie in Gefahr

Neuer ruft zur Europa-Wahl auf, bleibt trotz Fehler im Team – Nagelsmann hält an ihm fest.

Bundestrainer Julian Nagelsmann hält an Manuel Neuer als Nummer eins im DFB-Tor fest.
Foto: Christian Charisius/dpa

Manuel Neuer hatte eine bedeutende Mitteilung. Doch kurz vor dem EM-Anpfiff ging es nicht um seine mysteriöse Pannen-Serie, die auch Bundestrainer Julian Nagelsmann in Schwierigkeiten bringt. In einem Instagram-Video richtete Deutschlands plötzlich umstrittene Nummer eins am freien Wochenende der Fußball-Nationalspieler einen Appell zur Europa-Wahl an alle Fans.

Seine «Meinung vertreten», sich «aktiv an Entscheidungen beteiligen» und «Einfluss nehmen» nannte der Torwart in dem Clip der DFL-Stiftung als wichtige demokratische Errungenschaften. Dass er selbst beim Heimturnier die erste Wahl bleibt, hat Neuer dem unumstößlichen Votum des Bundestrainers zu verdanken.

So sehr Fans und Experten auch über den erneuten Fehler des 38-Jährigen im letzten EM-Test beim 2:1 gegen Griechenland raunen mögen, so überrascht sind sie auch über die ungewohnten Schwächen in der größten deutschen Torwart-Karriere. Aus verschiedenen Gründen ist Nagelsmann gezwungen, vor dem Eröffnungsspiel am Freitag (21.00 Uhr/ZDF/MagentaTV) gegen Schottland an Neuer festzuhalten. Und er tut es auch gegen alle Widerstände.

Basta vom Bundestrainer

«Es ist mir völlig wurscht, was in den Medien diskutiert wird. Das wurde auch schon vorher diskutiert und unzählige Male diskutiert», sagte Nagelsmann. Neuer spielt bei der EM sein achtes großes Turnier seit 2010 in Serie.

Ein Wagnis bleibt die Personalie für den Bundestrainer dennoch. Denn die Indizien deuten an, dass die Häufung der Neuer-Fehler kein extremer statistischer Zufall sind, keine durch Ungenauigkeit verfälschte Fußball-Wahlprognose. Ist es womöglich das Alter? Mit 38 Jahren fallen Bewegungsabläufe schwerer? Nagelsmann machte klar, er werde nicht durch zu viel Analyse an Neuers Auftritt «herumdoktern».

Andere übernehmen längst. Das Neue Protokoll: 8. Mai: Schwerwiegender Fehler im Champions-League-Halbfinale mit dem FC Bayern gegen Real Madrid (1:2). 18. Mai: Unerklärliche Konzentrationsmängel im Bundesliga-Duell gegen die TSG Hoffenheim (2:4). 3. Juni: Zu lässiger Risiko-Chip-Ball im ersten EM-Test gegen die Ukraine (0:0) – und dann am Freitag der mit dem Gegentor bestrafte Patzer gegen die Griechen.

Glanzparaden nicht verschweigen

Diese Liste erwähnt nicht Neuers viele Weltklasse-Paraden auch bei der Generalprobe in Mönchengladbach. Aber was passiert, wenn die Serie nicht endet? Wenn Neuer einen Fehler gegen Schottland oder noch schlimmer in einem K.o.-Spiel macht? Eine berechtigte Frage, denken viele Beobachter. Eine unberechtigte Frage, denken Neuers Kollegen und viele Fans.

Andreas Rettig wurde im Sport1-Doppelpass zum Neuer-Anwalt. «Er ist in einer Verfassung, dass er zumindest für uns alle zurecht die Nummer eins ist», sagte der DFB-Geschäftsführer. Neuer sei eine Kapazität nicht nur auf dem Platz: «Jeder schaut zu ihm hoch, nicht nur wegen der Körpergröße, daher hat er einen Anteil daran, der nicht hoch genug einzuschätzen ist», sagte Rettig.

Die Kollegen waren sich auch einig. «Ich glaube, dass er ein unfassbar guter Torwart ist. Ich habe ihn das zweite Mal gesehen beim Training. Ich bin begeistert, wie gut er ist. Das habe ich so in meiner Karriere noch nicht erlebt», sagte Siegtorschütze Pascal Groß. «Wenn Manuel Neuer keine Sicherheit ausstrahlen kann, wer sonst? Er ist der Rückhalt für die Mannschaft», sagte Maximilian Mittelstädt.

Weltklasse-Backup ist bereit

Wer sonst? Genau das ist die Schwierigkeit für Nagelsmann in seiner Argumentation. Denn der langjährige Ersatzspieler Marc-André ter Stegen war bereits vor den Fehlern nahe daran, ausgetauscht zu werden. Er hatte keinen Hehl daraus gemacht, trotz aller Loyalität der Mannschaft gegenüber, über die erneute Versetzung zur Nummer zwei höchst enttäuscht zu sein.

Im Ausland und gerade in Spanien, wo ter Stegen beim FC Barcelona regelmäßig auf Top-Niveau agiert, wird die deutsche Torwart-Diskussion natürlich wahrgenommen. «Was ist mit Neuer los? Manuel Neuer ist in Deutschland unantastbar, aber… Inwieweit?», fragte die Zeitung «Mundo deportivo». «Fans sehen die Zeit gekommen, dass Manuel Neuer seine internationale Karriere beenden sollte», orakelte die englische «Daily Mail».

Nagelsmanns schon im März gefälltes Votum pro Neuer als EM-Stammkraft ist jetzt aber nicht mehr zu revidieren. Ganz unabhängig aller sportlichen Abwägungen. Mit einer Degradierung des Rio-Weltmeisters wäre die Team-Hierarchie mit dem Turnierstart erschüttert, Neuer wäre radikal degradiert. Und der klare Nagelsmann-Plan einer manifesten Rollenverteilung im ganzen Team ad absurdum geführt. «Man wechselt nicht im Turnier seinen Torwart», machte Stefan Effenberg am Sonntag bei Sport1 deutlich.

Neuer ohne Selbstzweifel

Im Training – so versichern Insider – ist Neuer ohnehin konstant auf Top-Niveau. Sein Ehrgeiz, der ihn nach seinem schlimmen Beinbruch zu einem keineswegs einfachen Comeback brachte, ist ungebrochen. Neuer selbst reagierte auf sein Missgeschick im 119. Länderspiel sehr analytisch. «Grundsätzlich muss ich den Ball besser wegbringen, das steht fest für mich, das habe ich auch sofort gemerkt», sagte er der ARD. EM-Zweifel? Sicher nicht. «Bei beiden Spielen finde ich, dass ich gute Leistungen gezeigt habe. Und so gehe ich auch in die Gruppenphase», sagte der 38-Jährige.

dpa