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EM-Organisator Lahm unterwegs im Zug mit Seitenhieb an die Bahn

Deutsche Bahn entschuldigt sich für Verspätungen bei EM-Spielen und dankt Fans für Geduld.

In der ersten EM-Woche gab es viel Kritik - vor allem aus dem Ausland - an der Deutschen Bahn.
Foto: Fabian Sommer/dpa/Archivbild

Philipp Lahm grinste für den Schnappschuss in die Kamera, im Hintergrund rauschte am Fenster die Landschaft vorbei. Der EM-Orga-Chef war am zweiten Turnier-Wochenende wieder einmal im Zug unterwegs. Dabei war er nur zwei Tage zuvor wegen Bahn-Problemen deutlich verspätet für die Partie Ukraine – Slowakei in Düsseldorf eingetroffen. Einen kleinen Seitenhieb mit Zwinkersmiley konnte sich der Ex-Profi auf der Plattform X deshalb nun nicht verkneifen: «PS: @db_bahn wie ihr seht, ich bleibe treuer Bahn-Kunde.»

In der ersten Woche der EM in Deutschland wurden von vielen Bahnreisenden eine solche Lahm’sche Nachsicht gefordert. Während das Turnier insgesamt reibungslos, friedlich, sportlich interessant und von einer ansteckenden Fan-Euphorie geprägt ist, gab es Ärger mit der Bahn. Die Deutschen sind solche Probleme gewohnt, aber manche ausländische Gäste waren von den Zugpannen der Deutschen, die jahrzehntelang als Weltmeister der Organisation und Gründlichkeit gefeiert wurden, überrascht bis fassungslos.

«Entsetzliche Szenen» am Bahnsteig

Zur angeblichen deutschen Effizienz schrieb ein Reporter der renommierten «New York Times» schon nach den ersten EM-Tagen als Hinweis an die Leser: «Vergessen Sie alles, was Sie meinten zu wissen». In dem Artikel wurde dann vor allem von verstopften U-Bahnen in München vor dem Eröffnungsspiel und stundenlangem Warten auf Gelsenkirchener Bahnsteigen referiert. Negativ aufgefallen seien zudem die Organisation der Fußwege an den Stadien und die deshalb langen Schlangen beim Einlass.

Die «New York Times» war nicht das einzige ausländische Medium, das sich auf derartige Pannen stürzte. Die englische «Daily Mail» etwa berichtete von «entsetzlichen Szenen», als tausende Fans nach der Partie England gegen Serbien am frühen Morgen stundenlang auf Trambahnen warten mussten, die sie vom Schalker Stadion in Richtung Hotels brachten.

Empörung bei Schotten, Österreichern und Thomas Hitzslperger

Auch Fangruppen klagten, darunter etwa eine Vereinigung von schottischen Anhängern (Atac). Deutschland habe sie als Gastgeber zwar herzlich willkommen geheißen, schrieb Atac in einem Facebook-Eintrag. Mit dem öffentlichen Verkehr aber habe man «schlechte Erfahrungen» gemacht. Die Züge in München und Köln seien «unzuverlässig und glühend heiß» gewesen und darüber hinaus über jede Art von Limit mit Fahrgästen vollstopft worden.

Thomas Hitzlsperger, ein ehemaliger deutscher Nationalspieler, Funktionär und TV-Experte, hat seinen englischsprachigen Followern bei X – als auch er in einem Zug festsaß – ein neues Wort beigebracht. «Armutszeugnis», schrieb er kürzlich in Versalien.

Besonders heftig erwischte es österreichische Fans, die in der vorigen Woche zum EM-Auftakt ihrer Auswahl gegen Vizeweltmeister Frankreich (0:1) mit dem Zug anreisten. Die «Kronen»-Zeitung erzählte die Geschichte von einem Vater, der mit dem Sohn frühmorgens in Wien losfuhr, dann in Passau und Würzburg strandete, zwischendurch auf Taxi und Bus ausweichen musste und schließlich erst mit mehrstündiger Verspätung im Stadion von Düsseldorf ankam. Als die beiden ihre Plätze erreichten, waren schon 70 Minuten gespielt. «Es war alles wie verhext», sagte der Wiener.

Bahn entschuldigt sich – und schenkt mehr Bier aus

Der Deutschen Bahn bleibt da kaum etwas anderes übrig, als um Verzeihung zu bitten. «Es tut uns leid, dass es Philipp Lahm nicht rechtzeitig zum Spiel geschafft hat. Immerhin die zweite Halbzeit konnte er im Stadion schauen. Entschuldigung, lieber Philipp Lahm!», sagte ein Bahn-Sprecher auf Anfrage.

Es habe immer wieder Störungen auf Hauptachsen des Schienenverkehrs gegeben, hieß es von dem Unternehmen am Wochenende. «Die DB dankt dabei allen Fans für ihre Geduld und Umsicht.» Zugleich wurde darauf verwiesen, dass in der Woche drei Millionen Reisende mit IC- und ICE-Zügen quer durch die Republik unterwegs waren. «So viel Bahn wie bei der EM in Deutschland gab es noch nie bei einem internationalen Fußballturnier», hieß es.

Der Bahn-Fernverkehrsvorstand Michael Peterson hatte angekündigt, dass das Unternehmen vor dem Turnier pro Tag 10.000 zusätzliche Sitzplätze im Fernverkehr anbietet. Um Verspätungen und Beeinträchtigungen auf wichtigen Strecken während des Turniers zu vermeiden, wurden anstehende Bauarbeiten vorgezogen. Zusätzlich bietet die Bahn spezielle Euro-24-Tickets an, mit denen die Fahrt zum Spielort nur 29,90 Euro kostet.

Bier und Bratwurst im Bordbistro

Und tatsächlich haben längst nicht alle Bahnreisenden Grund zur Klage in diesem EM-Sommer 2024: Während sich die einen über Unpünktlichkeit und zu vollgestopfte Waggons wundern, sind andere positiv überrascht davon, was DB-Bordbistros zu bieten haben. Die Bahn bestätigte einen Bericht der «Bild am Sonntag» und zählte auf: Zwischen dem 14. und 19. Juni wurden 44.588 Liter Bier und damit doppelt so viel wie sonst verkauft. Darüber hinaus wurde etwa 7105 Bratwurstbrötchen wurden bestellt, das sind 63 Prozent mehr als ohne EM. Auch Buttercroissants, Chili con/sin Carne und die Focaccia verkauften sich deutlich häufiger als sonst.

Philipp Lahm hat am Sonntag auf dem Weg nach Frankfurt möglicherweise zusammen mit anderen Fans einen Snack und ein Getränk geholt, aber das hat der EM-Vielfahrer nicht verraten.

dpa