Verheerende Flächenbrände haben in Teilen von Los Angeles eine Schneise der Verwüstung hinterlassen – das ist 100 Tage her. Der Wiederaufbau wird lange dauern.
100 Tage nach dem Inferno – ein langer Weg für Los Angeles
Die ersten Meldungen über einen Brand in den Hügeln von Pacific Palisades am 7. Januar treffen am Vormittag ein. Blitzschnell entwickelt sich am Westrand von Los Angeles ein Katastrophenszenario. Die Flammen breiten sich bei heftigen Santa-Ana-Winden rasch aus, bis hin zu den Stränden von Malibu. In panischer Eile verlassen Anwohner ihre Häuser, lassen einige ihre Autos auf verstopften Straßen zurück und fliehen zu Fuß in Sicherheit. Am Abend bricht ein weiteres Großfeuer in Altadena, am Ostrand von Los Angeles, aus. Aufgrund der starken Winde können Löschflugzeuge nicht mehr eingesetzt werden. Tausende Gebäude brennen bereits in der ersten Nacht ab.
Tödliche Bilanz
Evakuierungen zwingen zeitweise 200.000 Menschen aus ihren Häusern. Erschöpfte Feuerwehrleute kämpfen wochenlang gegen das Inferno. Erst Ende Januar sind die Großbrände unter Kontrolle. Die verheerenden «Eaton»- und «Palisades»-Feuer machen ganze Wohnviertel dem Erdboden gleich. Mehr als 16.000 Gebäude brennen ab, 30 Menschen sterben. Noch Anfang April werden menschliche Überreste in einer Brandzone in Altadena gefunden. In der jüngeren Geschichte Kaliforniens wurde diese Opferzahl nur von dem «Camp Fire» übertroffen, das 2018 in der Ortschaft Paradise 85 Menschenleben forderte.
Der Wille zum Wiederaufbau
«In ganz kurzer Zeit war das ein Flammenmeer», erzählt der 84-jährige Eric Braeden, Star der US-Seifenoper «The Young and the Restless» («Schatten der Leidenschaft») über die Flucht mit seiner Frau aus ihrer Villa in Pacific Palisades. «So sah Nachkriegsdeutschland aus», sagt der 1941 bei Kiel geborene Hollywood-Schauspieler über die zerstörten Nachbarschaften.
Der Beginn der Zerstörung ist nun 100 Tage her. Die verheerenden Brände sind längst aus den Schlagzeilen raus, doch die Betroffenen sind von Normalität noch weit entfernt. Braedens Haus am Rand eines Canyons ist völlig zerstört. «Das ist nun eine Vollbeschäftigung mit der Versicherung und mit der Räumung der Trümmer», sagt der Schauspieler. Doch er möchte an Ort und Stelle wieder aufbauen. Schon vor 40 Jahren habe er sich in diese Gegend verliebt.
Villa Aurora weiterhin nicht nutzbar
Auch in der Umgebung befinden sich Deutschlands Kultur-Immobilien Villa Aurora und das Thomas Mann House – beide sind glücklicherweise unbeschadet geblieben. Normalerweise leben hier Stipendiaten und es werden Veranstaltungen abgehalten. Das wird jedoch noch eine Weile dauern.
Die Villa Aurora hat berichtet, dass die Nachbarhäuser bis auf die Grundmauern abgebrannt sind. Laut Claudia Gordon, der Direktorin der Villa Aurora, stehen nach dem Palisades-Feuer nur noch 57 Prozent der Häuser in der Nähe. Die Flammen kamen sehr nahe an das Exil-Wohnhaus von Lion Feuchtwanger (1884-1958) und seiner Frau Marta (1891-1987). Der steil abfallende Garten wurde zerstört und der Hang ist nun mit einer Folie bedeckt, um vor Regen und Erdrutschen zu schützen.
Während des Feuerinfernos drang Rauch und Asche in die Räume ein, grauer Staub setzte sich auf Bücherregale, Möbel und Wände ab, möglicherweise auch toxische Stoffe. Seit Monaten wird mit Versicherungen und Firmen über die Instandsetzung verhandelt. In Bezug auf Gutachten und Reinigungsarbeiten wurden bereits große Fortschritte erzielt, jedoch fehlen noch belastbare Daten, wie Gordon auf Anfrage der dpa mitteilte. Frühestens im Herbst könnte das Villa Aurora Residenzprogramm wieder aufgenommen werden. Es wird jedoch gehofft, dass das Thomas Mann House bereits im Sommer wiedereröffnet werden kann. In der Zwischenzeit wird die Programmarbeit fortgesetzt, beispielsweise online oder mit Veranstaltungen an anderen Einrichtungen wie dem Goethe-Institut.
«Wie eine Fahrt durch ein Set von einem Katastrophenfilm» habe sich anfangs der Weg durch die zerstörten Nachbarschaften angefühlt, sagt Gordon. Noch immer sind die am schwersten betroffenen Gebiete abgesperrt, nur für Anwohner oder Hilfsteams zugänglich.
Aufräumarbeiten werden lange dauern
Laut dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom könnte es sechs bis neun Monate dauern, um die Trümmer in den zerstörten Straßen zu beseitigen. Die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, versprach einen schnellen Wiederaufbau und sicherte den Betroffenen zu, bürokratische Hindernisse abzubauen.
In einer Rekordzeit von nur 70 Tagen hätten sie den Brandschutt von 1300 Grundstücken entsorgt, teilte das Gouverneursbüro Mitte März mit. Die Stadt gab auch schon grünes Licht für den Wiederaufbau der ersten Häuser in Pacific Palisades. Auch die teilweise noch gesperrte Küstenstraße Pacific Coast Highway werde «Monate dem Zeitplan voraus» bereits Ende Mai wieder für alle befahrbar sein, kündigte der Demokrat Gavin Newsom vor wenigen Tagen an, rechtzeitig für die Urlaubssaison.
An einigen der berühmten kalifornischen Strände, auch im Surferparadies Malibu, würde immer noch Asche anspülen, berichtete die «Los Angeles Times». Doch die Behörden hätten nach Tests Entwarnung gegeben – dies sei für Schwimmer, Surfer und Strandgänger nicht weiter gefährlich.
Wie sind die Feuer entstanden?
Eine offizielle Erklärung für die Entstehung der beiden Flächenbrände steht noch aus. Die Feuerbehörde untersucht noch die Ursachen. Trotzdem gibt es bereits Schuldzuweisungen. Bürgermeisterin Bass hatte im Februar die Leiterin der örtlichen Feuerwehrbehörde entlassen. Als Begründung für die Entlassung wurde angeführt, dass sie nicht sofort genügend Feuerwehrleute mobilisiert hatte, als die Brände ausbrachen.
Klagen gegen Stadt und Wasserversorger
Mehrere Einwohner von Pacific Palisades reichen Klagen gegen die Stadt Los Angeles und die Wasserbehörde ein. Ein Vorwurf betrifft ein großes Wasserreservoir, das aufgrund von Reparaturen bereits leer stand, als die Brände ausbrachen. Der Bezirk Los Angeles hat seinerseits eine Schadensersatzklage gegen den örtlichen Stromversorger Southern California Edison (SCE) eingereicht. Augenzeugenberichte sowie Fotos und Videos von Überwachungskameras deuten auf defekte Hochspannungsleitungen hin.
Wer kommt dafür auf?
Im Februar bat Gouverneur Newsom den US-Kongress um Hilfsgelder in Höhe von fast 40 Milliarden Dollar. Die Flächenbrände könnten die bisher teuerste US-Naturkatastrophe werden, warnte der Demokrat. Immobilienverluste, Aufräumkosten und ein Rückgang der Wirtschaftsleistung sind einige der Kosten. In Kalifornien wird auch ein deutlicher Anstieg der Versicherungsprämien befürchtet. US-Präsident Donald Trump besichtigte Ende Januar die Zerstörung und versprach Unterstützung angesichts der Feuerkatastrophe. Gleichzeitig machte Trump Gouverneur Newsom wiederholt für das Ausmaß der Brände im Bundesstaat verantwortlich. Das Ringen um Gelder dürfte weitergehen.