Intel-Chef spricht von fehlender Nachfrage, Sparkurs geplant, Ministerpräsident hofft auf alternative Ansiedlungen.
Intel kippt Milliardenprojekt in Magdeburg,Was bedeutet der Rückschlag für die Region?

Hinter dem Milliardenprojekt stand bereits ein großes Fragezeichen, jetzt wird es eingestellt: Der kriselnde Chiphersteller Intel sagt seine Pläne für die Riesenfabriken in Magdeburg mit bis zu 3.000 Arbeitsplätzen ab. Dadurch entfällt eine angekündigte Investition von 30 Milliarden Euro in der Region, wovon knapp 10 Milliarden Euro Subventionen vom deutschen Steuerzahler stammen. Was bedeutet dieser Rückschlag? Aus Sachsen-Anhalt kommt die Antwort: Es ist schmerzhaft, aber es wirft uns nicht um. Die wichtigsten Antworten.
Wie begründet Intel das Aus für das Projekt?
Der Intel-Chef Lip-Bu Tan spricht von mangelnder Nachfrage für die neuen Kapazitäten. Der Chipkonzern steckt in der Krise. Im letzten Quartal verzeichnete er einen Verlust von 2,9 Milliarden Dollar. Lip-Bu Tan ist auf Sparkurs. Die Zahl der Mitarbeiter, Ende 2024 noch bei 109.000, soll Ende dieses Jahres auf rund 75.000 sinken. Das Magdeburg-Projekt hätte den Konzern 20 Milliarden Dollar aus eigenen Mitteln gekostet – das Geld hat er nicht übrig. Deshalb hatte die Konzernspitze im September bereits eine Verschiebung angekündigt. Jetzt folgt die endgültige Absage.
Klar ist aber auch: Magdeburg war eine Idee des früheren Konzernchefs Pat Gelsinger, der Intel als Auftragsfertiger für andere Chipfirmen zurück in die Weltspitze bringen wollte. Sein Nachfolger nennt die Fabrik-Investitionen «unklug und maßlos». Auch die America-First-Politik des seit Jahresbeginn amtierenden Präsidenten Donald Trump hinterlässt Bremsspuren.
Warum überhaupt diese Fabrik mit Milliardensubventionen?
Die ehemalige Ampel-Koalition traf eine strategische Entscheidung von nationaler Bedeutung, die Beihilfen in Höhe von 9,9 Milliarden Euro wert gewesen wäre. Die Abhängigkeit von Chipimporten wurde während der Corona-Krise offensichtlich. Aufgrund des Mangels an Nachschub aus Asien standen die Bänder bei den Autobauern still, Laptops waren schwer erhältlich und Waschmaschinen mussten monatelang auf ihre Lieferung warten. Die Fabriken in Europa sollten die Versorgungssicherheit erhöhen.
Die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) teilt die Ziele im Prinzip. Im Entwurf ihrer High-Tech-Agenda heißt es: «Wir stärken die Resilienz von Lieferketten und mindern kritische Abhängigkeiten in der Chip-Versorgung.» Und: «Wir schaffen Anreize für mehr Fertigung von Chips, Ausrüstung und Vorprodukten in Deutschland durch mindestens drei neue Werke.»
Ist der Ausbau der Chipproduktion in Deutschland nun gestorben?
Nein. Ein weiteres großes Projekt in Ostdeutschland, die ebenfalls von der Ampel mit Milliarden subventionierte Fabrik des taiwanesischen Halbleiterkonzerns TSMC, ist gestartet. Im März wurde berichtet, dass der Bau der 200 mal 200 Meter langen Fabrik für rund 10 Milliarden Euro im Zeitplan liegt. Die Produktion soll 2027 beginnen. Zudem baut auch der Halbleiter-Hersteller Infineon in Dresden eine weitere Fabrik, die bereits im Rohbau steht.
Aber was passiert jetzt in Magdeburg?
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff nennt die Entscheidung von Intel schmerzlich. Doch macht sich der CDU-Politiker Hoffnung auf andere Ansiedlungen auf dem für Intel vorgesehenen Gelände. Das Land treibt die Entwicklung zum «High-Tech-Park» voran, mit Zufahrtsstraßen und Infrastruktur. «Hier gibt es Anfragen namhafter Unternehmen», erklärte Haseloff.
Vor zehn Tagen hat die Firma FMC (Ferroelectric Memory Company), die im Jahr 2016 aus dem Umfeld der TU Dresden gegründet wurde, Pläne für eine Fabrik für Speicherchips in diesem Industriepark angekündigt. Zu den Beteiligten gehören Unternehmen wie Bosch, Air Liquide, Merck und weitere internationale Investoren. Laut Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) ist dies für Sachsen-Anhalt ein wichtiger Plan B zu Intel. Das FMC-Projekt umfasst jedoch eine Fläche von 100 Hektar, was viel kleiner ist als die nun abgesagte Intel-Fabrik, für die der US-Konzern 400 Hektar erworben hatte.
Die Landeshauptstadt Magdeburg plant laut eigenen Angaben, das von Intel erworbene Grundstück zurückzukaufen. Das Ziel ist es, das Areal erneut auf dem internationalen Markt anzubieten, da es sich optimal für die Ansiedlung eines Großunternehmens eignet.
Was passiert mit den eingeplanten Fördermilliarden?
Die Fördermilliarden sollten aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen, dem KTF. Eingeplant waren für 2024 rund 4 Milliarden Euro, die übrigen Gelder sollten in den folgenden Jahren fließen. Nachdem Intel im vergangenen Herbst die Verschiebung seiner Pläne angekündigt hatte, wurde das Geld anders verplant.
Das Ministerium von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) erklärte zunächst nur sehr knapp: «Es sind keine Haushaltsmittel für das Vorhaben geflossen. Im Klima- und Transformationsfonds (KTF) sind keine Mittel für Intel eingeplant.» Im Übrigen sei die Entscheidung aus den USA «keine gute Nachricht für die betroffene Region».
Es gab immer wieder Kritik an der Höhe der Subventionen, unter anderem vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Auch die Wirtschaftsforscher des IWH sind der Meinung, dass Subventionen keine Lösung darstellen, sondern die Rahmenbedingungen generell geändert werden müssen.
Trifft der Rückschlag die ostdeutsche Wirtschaft?
Die Absage des Megaprojekts mit Tausenden Arbeitsplätzen ist ein Rückschlag für die angekündigte Investitionsoffensive der Regierung Merz – und besonders bitter für Ostdeutschland. Nach der Deutschen Einheit mussten die Menschen dort viele Vorhaben scheitern sehen. Das Leuchtturmprojekt Tesla-Fabrik in Grünheide bei Berlin mit etwa 10.000 Mitarbeitern ist zwar bereits in Betrieb, aber lokale Widerstände und weltweite Absatzrückgänge der Marke Tesla trüben auch dort die Euphorie.
Die neue Ostbeauftragte Elisabeth Kaiser (SPD) gibt sich trotzdem zuversichtlich. Immerhin herrsche nun Klarheit, erklärte Kaiser auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: «Wichtig ist, es handelt sich dabei um eine unternehmerische Entscheidung und keine generelle Absage an den Standort. Denn Ostdeutschland ist inzwischen eines der bedeutendsten Cluster der weltweiten Halbleiterproduktion, und für die Bundesregierung bleibt es zentral, diese Entwicklung weiter zu fördern.»