VW steht mit möglichen Werksschließungen besonders im Blick, doch die gesamte Branche sieht unsicheren Zeiten entgegen. Aktuell läuft es nicht, und auch die Zukunftsaussichten sind düster.
Autoindustrie «im Sturzflug» – E-Autos als Ladenhüter
Die deutsche Autoindustrie hat Probleme mit niedrigen Absatzzahlen, vor allem bei Elektroautos, und schaut laut dem Ifo-Institut besorgt in die Zukunft. Experten befürchten, dass Volkswagen nur die Spitze des Eisbergs sein könnte. Der VW-Betriebsrat wehrt sich gegen den verschärften Sparkurs des Konzerns.
Krise auf Neuwagenmarkt
Der deutsche Automarkt befindet sich derzeit in einer schwierigen Phase. Im August ist der Absatz von neuen Autos im Vergleich zum Vorjahresmonat stark gesunken. Dies ist hauptsächlich auf die geringe Nachfrage nach reinen Elektroautos zurückzuführen, wie aus den Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) hervorgeht. Auch bei fast allen anderen Antriebsarten sind die Zahlen teilweise deutlich gesunken.
Laut dem KBA wurden im August rund 69 Prozent weniger Elektroautos neu zugelassen als im Vorjahresaugust. Das Minus bei Dieselautos betrug 24,4 Prozent und bei Benzinern 7,4 Prozent. Insgesamt sank die Zahl der Neuzulassungen aller Antriebsarten um 27,8 Prozent.
Besserung nicht in Sicht
Laut Ifo-Institut ist auch der Ausblick düster. Ausgesprochen pessimistische Erwartungen haben das von dem Münchner Institut erhobene Geschäftsklima in der Branche im August um 6,2 Punkte auf minus 24,7 Punkte absacken lassen. Es war nach einer vorübergehenden leichten Erholung der vierte Rückgang in Folge. «Die Stimmung in der Autoindustrie ist im Sturzflug», sagt Ifo-Expertin Anita Wölfl.
Besonders negativ entwickelten sich die Erwartungen an die kommenden sechs Monate. «Die Unternehmen der deutschen Autoindustrie leiden unter einem Mangel an neuen Aufträgen – insbesondere aus dem Ausland», sagte Wölfl. «Dies schlägt sich mittlerweile auch in der Personalplanung nieder».
E-Autos kaum gefragt
Beim KBA in Flensburg wurde betont, dass der derzeitige Rückgang auf dem deutschen Neuwagenmarkt auch auf Sondereffekte aus dem Vorjahr zurückzuführen ist. Dennoch bleibt festzuhalten: Die Situation auf dem Neuwagenmarkt ist äußerst angespannt», sagte Constantin Gall von der Beratung EY zu den Zahlen. «Von einer nachhaltigen Erholung sind wir weit entfernt, die Lücke zum Vorkrisenniveau bleibt sehr groß.» Im bisherigen Jahresverlauf wurden in Deutschland fast 590.000 Neuwagen weniger verkauft als im Vergleichszeitraum 2019, also vor der Corona-Pandemie.
EY wies darauf hin, dass im August 2023 ungewöhnlich viele Elektroauto-Neuzulassungen verzeichnet wurden. Last-Minute-Käufe von gewerblichen Kunden hätten die Zahlen vor dem Auslaufen der staatlichen Förderung für Unternehmen zum 1. September 2023 in die Höhe getrieben.
Rolle rückwärts bei der Förderung?
Die Bundesregierung plant nun wieder eine staatliche Unterstützung, um den Absatz von Elektroautos neu anzukurbeln. Konkret geht es um stärkere steuerliche Anreize für E-Autos als Dienstwagen. Die Nachfrage nach E-Autos war nach dem Stopp der staatlichen Förderung eingebrochen. Die Bundesregierung hatte den sogenannten Umweltbonus im Dezember abrupt beendet. Grund waren Sparzwänge im Haushalt.Im Juli verständigte sich die Ampel-Koalition im Zuge der Haushaltsverhandlungen auf eine «Wachstumsinitiative». Eine der Maßnahmen ist die steuerliche Förderung von E-Autos als Dienstwagen. Demnach soll für Unternehmen rückwirkend zum 1. Juli 2024 eine Sonder-Abschreibung für neu zugelassene vollelektrische und vergleichbare Nullemissionsfahrzeuge eingeführt werden. Außerdem soll bei der Dienstwagenbesteuerung für E-Fahrzeuge der sogenannte Deckel für den Brutto-Listenpreis von 70.000 Euro auf 95.000 Euro angehoben werden.
Ganz dicke Luft bei Volkswagen
Der VW-Betriebsrat widersetzt sich dem verschärften Sparkurs des Konzerns. Laut Redemanuskript sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo bei der Betriebsversammlung vor über 10.000 Beschäftigten, dass die Krise bei Volkswagen nicht durch die Mitarbeiter, sondern durch die Konzernführung verursacht wurde. Sie stellte klare rote Linien in Bezug auf das verschärfte Sparprogramm von VW auf: Werkschließungen sollten vermieden werden, die Job-Garantie dürfe nicht angetastet und müsse verlängert werden. Auch Einschnitte bei den Tariflöhnen lehnte sie ab.
«Volkswagen krankt daran, dass der Vorstand seinen Job nicht macht», sagte Cavallo. Dafür dürfe man nun nicht die Belegschaft zur Verantwortung ziehen. Europas größter Autobauer hatte angekündigt, angesichts der sich zuspitzenden Lage den eingeschlagenen Sparkurs bei der Kernmarke VW noch einmal zu verschärfen. Auch eine Werkschließung in Deutschland und betriebsbedingte Kündigungen werden nicht länger ausgeschlossen.
[Deutsche Autoindustrie in der Krise,Experten fürchten weiteren Abschwung und VW-Betriebsrat kämpft gegen Sparkurs] Die Absatzzahlen von E-Autos sind eingebrochen, die Stimmung in der Autoindustrie ist düster. VW-Betriebsrat kämpft gegen Werksschließungen und Jobverluste.