Mehr als 75 Prozent: Der italienische Konzern Media for Europe hat sich die große Mehrheit bei ProSiebenSat.1 gesichert. Welche Pläne Pier Silvio Berlusconi für den deutschen Markt hat.
Berlusconis haben volle Kontrolle bei ProSiebenSat.1

Der italienische Konzern Media for Europe (MFE) von Berlusconi hat durch einen umfangreichen Aktienkauf die komplette Kontrolle über den deutschen Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 erlangt. Laut einer Pflichtmitteilung der Gruppe, die von Pier Silvio Berlusconi geleitet wird, wurde die 75-Prozent-Schwelle bei der ProSiebenSat.1 Media SE überschritten. Die Gruppe besitzt bereits Fernsehsender in Italien und Spanien und plant die Schaffung eines europäischen Verbunds.
Nach Ablauf der ersten Angebotsfrist Mitte August hatte MFE nur 43,6 Prozent der Aktien kontrolliert. In der anschließenden Nachfrist erwarb das Unternehmen weitere Anteile, darunter den Anteil von 15,7 Prozent, den der tschechische Großaktionär PPF zuvor gehalten hatte. Dadurch verfügt MFE nun insgesamt über 75,61 Prozent der Stimmrechte.
«Mehr Nachrichten, Unterhaltung und Eigenproduktionen»
Der Sohn des verstorbenen früheren italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi traf sich diese Woche mit Medienstaatsminister Wolfram Weimer und skizzierte den zukünftigen Kurs: ProSiebenSat.1 SE soll verstärkt auf das deutsche Publikum ausgerichtet werden – mit mehr Nachrichten, Unterhaltung und Eigenproduktionen, gleichzeitig weniger zugekauften Formaten. Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben.
Berlusconi war einer Einladung Weimers ins Bundeskanzleramt gefolgt. Man habe zusammen «gemeinsame Linien» entwickelt, teilte der Sprecher des Medienstaatsministers mit. «Redaktionelle Unabhängigkeit ist von zentraler Bedeutung – sie darf nicht angetastet werden», erklärte Weimer nach dem Gespräch. «Wir sind in diesem Punkt einer Meinung, und das ist eine gute Voraussetzung für ein gelingendes Engagement im deutschen Medienmarkt.»
MFE plant den Aufbau einer europäischen Sendergruppe. Die Italiener erhoffen sich durch die Zusammenarbeit der Sender in Italien, Spanien und Deutschland hohe Einsparungen. Über viele Jahre hinweg hatte der Patriarch Silvio Berlusconi seinen Medienkonzern genutzt, um seine politische Karriere und die von ihm gegründete Partei Forza Italia zu unterstützen. Die Berlusconi-Kinder sind bisher nicht in die Politik eingestiegen, stehen der Partei aber weiterhin nahe.
ProSiebenSat.1 ist neben der RTL-Familie der zweite große private Fernsehkonzern in Deutschland. Neben klassischen Sendern wie ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins gehört unter anderem auch der Streaminganbieter Joyn zu der Firmengruppe. Bekannte Formate sind zum Beispiel die Shows «Germany’s Next Topmodel», «Joko & Klaas gegen ProSieben», «The Voice of Germany» und «Rosins Restaurants» sowie die Comedyserie «jerks.».