Verantwortung für Absturz von 228 Menschen wird erneut juristisch aufgearbeitet. Geldstrafen bis zu 225.000 Euro drohen den Konzernen.
Prozess um Flug AF 447: Air France und Airbus vor Pariser Gericht

Es ist mehr als 16 Jahre her, dass ein Air-France-Flugzeug auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris abstürzte und 228 Menschen starben. Ab heute Mittag stehen die Fluggesellschaft und der Hersteller Airbus vor einem Pariser Berufungsgericht, weil ihnen fahrlässige Tötung vorgeworfen wird. Den Unternehmen, die in erster Instanz freigesprochen wurden, drohen Geldstrafen von bis zu 225.000 Euro. Die Verantwortung für den Unglücksflug hatten die Firmen abgelehnt.
Die Air-France-Maschine des Flugs AF 447 geriet am 1. Juni 2009 auf dem Weg von Rio in die französische Hauptstadt in eine Unwetterfront und verschwand von den Radarschirmen. Der Airbus A330 stürzte in den Atlantik. 228 Menschen kamen ums Leben, darunter 28 Deutsche. Die Ursache blieb lange unklar. Erst im Mai 2011 wurden die letzten Leichen und der Flugdatenschreiber aus einer Tiefe von etwa 4.000 Metern geborgen.
Prozess folgte erst Jahre nach dem Unglück
Die rechtliche Aufarbeitung des Absturzes dauerte viele Jahre. Für die Hinterbliebenen war es ein Erfolg, dass es 2022 überhaupt zu einem Prozess kam, da Ermittlungsrichter im Jahr 2019 noch ein Verfahren abgelehnt hatten.
Im Prozess wurde spezifisch Airbus vorgeworfen, die Auswirkungen eines Ausfalls der Pitot-Sonden für die Geschwindigkeitsmessung unterschätzt zu haben. Diese waren während des Fluges vereist. Laut Anklage hatte Air France seine Piloten nicht ausreichend geschult und auf eine Extremsituation wie die des Unglücksfluges vorbereitet.
Ein Expertengutachten hatte 2012 geurteilt, die Crew sei nach dem Ausfall der Pitot-Sonden mit der Lage überfordert gewesen. Eigentlich sei die Situation beherrschbar gewesen. Die Daten der Flugschreiber ergaben, dass die Piloten vor allem auf Warnungen über einen Strömungsabriss an den Tragflächen – im englischen Fliegerjargon «stall» genannt – falsch reagiert hatten. Dies ließ den Jet schnell an Höhe verlieren und schließlich abstürzen. Anders als zu erwarten schwieg die Überzieh-Warnung zwischendurch aber, als eine bestimmte Geschwindigkeit unterschritten wurde.
Gericht warf Konzernen Nachlässigkeit vor, aber sprach sie frei
In erster Instanz wurden die Konzerne schließlich vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Das Gericht stellte fest, dass sie teilweise nachlässig oder unvorsichtig gehandelt hatten. Airbus hatte beispielsweise Vorfälle mit den Sonden nicht ausreichend verfolgt und Informationen zurückgehalten. Air France hätte seine Piloten möglicherweise besser auf Probleme mit den Sonden hinweisen können, so das Gericht. Da jedoch nicht eindeutig festgestellt werden konnte, dass die Verfehlungen zu dem Absturz führten, hatten sie strafrechtlich keine Relevanz.
Trotz der Aussage der Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer, keinen Schuldspruch fordern zu können, legte sie Berufung ein. Für die Hinterbliebenen geht der langwierige Kampf, herauszufinden, wer Mitverantwortung am Unglücksflug trägt, nun in die nächste Runde.