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Was Zahlen über Ost und West verraten

Seit 35 Jahren ist Deutschland wieder ein Land. Ehen halten heute länger, doch beim Vermögen bleibt eine Kluft: Was aktuelle Zahlen zu Ost und West zum Jahrestag der Wiedervereinigung zeigen.

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In 35 Jahren hat sich die Bevölkerung in Deutschland unterschiedlich entwickelt. (Archivbild)
Foto: Thomas Banneyer/dpa/dpa-tmn

Am 3. Oktober feiert Deutschland 35 Jahre Wiedervereinigung. Trotz Annäherung in vielen Bereichen lassen sich immer noch teils große Unterschiede zwischen Ost und West feststellen, wie aus Daten des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Hier kommen Zahlen und Fakten zu ausgewählten Bereichen:

Ehe

Ehen halten länger als früher – dieser Befund mag auf den ersten Blick überraschen. Im Osten dauerte eine Ehe bis zur Scheidung zuletzt (Jahr 2024) im Schnitt 14,5 Jahre, das sind fünf Jahre mehr als 1991. In den westlichen Bundesländern beträgt der Anstieg der Ehedauer im selben Zeitraum etwa drei Jahre und liegt mit 14,7 Jahre auf einem ähnlichen Niveau mit dem Osten.

Im Osten sind Männer und Frauen mittlerweile deutlich älter, wenn sie heiraten: Ein Mann im Osten gab beispielsweise 2024 durchschnittlich im Alter von 38,6 Jahren sein Ja-Wort, während ein Mann im Westen 34,7 Jahre alt war. Im Jahr 1991 lag das Heiratsalter für Männer noch bei 28,7 Jahren im Westen und 26,6 Jahren im Osten. Ähnlich verhält es sich bei den Frauen: Im Osten waren die Frauen bei der standesamtlichen Hochzeit durchschnittlich 35,6 Jahre alt (plus 12 Jahre), im Westen 32,4 Jahre (plus sechs Jahre seit 1991).

Wohnen

Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind vielerorts spürbar, da hohe Mieten und zu wenige Neubauten vorhanden sind. In den 1990er Jahren gab es jedoch einen regelrechten Bauboom in Deutschland und eine Aufbruchstimmung nach der Wiedervereinigung. Im Jahr 1994 wurden allein im Westen 500.000 Wohnungen gebaut. In den östlichen Ländern mit Berlin wurde im Jahr 1997 ein Spitzenwert von 190.000 fertiggestellten Wohnungen erreicht – Zahlen, die Ost und West heute weit voneinander entfernt sind. Im Jahr 2024 wurden knapp 252.000 Wohnungen fertiggestellt.

Die Anforderungen an Wohnungen sind jedoch auch gestiegen. Dies lässt sich an der Quadratmeterzahl Wohnfläche ablesen, die einer Person rein rechnerisch zur Verfügung steht. Ende 1990 waren es knapp 35 Quadratmeter, bis Ende 2023 stieg diese Zahl auf 47,5 Quadratmeter. Das bedeutet im Klartext: Im Durchschnitt hat jeder jetzt gut ein Drittel mehr Wohnraum zur Verfügung als vor 30 Jahren.

Wer in einer Mietwohnung lebt, zahlt im Osten weniger. Denn dort sind die Bestandsmieten deutlich günstiger. Am Zensus-Stichtag 15. Mai 2022 lag die Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche in Sachsen-Anhalt mit 5,38 Euro am niedrigsten, knapp vor Thüringen (5,65 Euro) und Sachsen (5,72 Euro). Im Bundesdurchschnitt musste eine Miete von durchschnittlich 7,28 Euro bezahlt werden.

Vermögen und Erbe

Die Vermögensverteilung zeigt nach wie vor eine große Kluft zwischen Ost und West. Im Osten ist dies teilweise auf die DDR-Vergangenheit zurückzuführen, die den Vermögensaufbau oder Immobilienbesitz erschwerte oder verhinderte, im Gegensatz zum Westen mit seiner Marktwirtschaft. Obwohl die Unterschiede in den letzten 35 Jahren kleiner geworden sind, sind sie laut Daten des Statistischen Bundesamts immer noch vorhanden. Es bestehen nach wie vor auch Lohnunterschiede zwischen Ost und West, wobei der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst im Jahr 2024 im Westen um rund ein Fünftel höher lag.

Im Jahr 1993 hatte ein Haushalt in den östlichen Ländern durchschnittlich ein Nettogesamtvermögen von 37.900 Euro, während dieser Wert in den westlichen Ländern mit Berlin bei 124.600 Euro lag, also mehr als dreimal so hoch. Im Jahr 2018 verfügten die Haushalte in Westdeutschland jedoch immer noch über ein Vermögen, das gut doppelt so hoch war wie das der Haushalte im Osten (88.000 Euro).

Dies zeigt sich auch an den Erbschaften und Schenkungen, die den Finanzbehörden gemeldet werden und die den steuerlichen Freibetrag überschreiten. Wer weniger besitzt, kann auch weniger vererben. Im Jahr 2023 wurden in den westlichen Bundesländern durchschnittlich gut 1.700 Euro pro Person vererbt oder verschenkt – mehr als dreimal so viel wie in den östlichen Bundesländern und Berlin mit gut 500 Euro.

Familie

Die Art und Weise des Zusammenlebens in Deutschland hat sich in Ost wie in West drastisch verändert. Das hat nicht unbedingt mit der Deutschen Einheit zu tun, sondern eher mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. Die Familie, zu der die Statistiker auch Alleinerziehende oder nicht verheiratete Paare mit Kindern zählen, ist nicht mehr das Mehrheitsmodell. Lebten im Jahr 1991 noch 60 Prozent der Bevölkerung oder 47,1 Millionen Menschen in Deutschland in einer Familie, lag dieser Anteil im Jahr 2024 nur noch bei knapp der Hälfte (49 Prozent oder 40,6 Millionen Menschen).

In Deutschland lebt mittlerweile jeder fünfte Mensch alleine, ob freiwillig oder unfreiwillig. Auch die Geburtenraten sind seit vielen Jahren rückläufig. Zwischen 1991 und 2024 ist die Anzahl der Kinder in Familien von 22,4 Millionen auf 19,8 Millionen gesunken. Frauen sind heute durchschnittlich über 30 Jahre alt, wenn sie ihr erstes Kind bekommen. Im Jahr 1990 lag das Durchschnittsalter bei der ersten Geburt noch knapp unter 27 Jahren, im Osten bei etwa 25 Jahren. Mittlerweile sind die Unterschiede zwischen Ost und West jedoch nur noch gering.

dpa