Der BVB steckt in einer schweren Krise, auch Trainer Sahin steht unter Druck. Kaderbreite und unerwartete Entwicklungen erschweren die Situation.
Trainer-Dilemma beim BVB nach Pokal-Aus
Ein paar Meter entfernt auf einem Fernsehbildschirm war gerade die Niederlage des FC Schalke 04 zu sehen, als Sebastian Kehl das eigene bittere Pokal-Aus kommentierte. Mit 162 Millionen Euro Schulden und Abstiegskampf in der zweiten Liga ist Borussia Dortmund noch nicht so tief gefallen wie der Erzrivale aus dem Revier. Das war nach dem 0:1 nach Verlängerung beim VfL Wolfsburg jedoch auch der einzige kleine Trost für den BVB.
Im Herbst 2024 steckt der Champions-League-Finalist der Vorsaison in einer Phase voller sportlicher Rückschläge, zahlreicher Verletzungen und zunehmend lauter werdender Diskussionen um den erst im Sommer zum Cheftrainer beförderten Nuri Sahin. Das späte Gegentor von Jonas Wind in der 117. Minute hat die Krise nur noch verschärft. Auch die mitgereisten Fans reagierten mit Pfiffen.
«Wir sind sehr enttäuscht», sagte Kehl. Aber der frühere Nationalspieler und BVB-Kapitän nutzte seinen Auftritt um kurz vor Mitternacht auch gleich, um seinem langjährigen Mitspieler Sahin als Sportchef das Vertrauen auszusprechen.
«Wir werden zusammenstehen»
«Wir werden zusammenstehen. Wir gehen da gemeinsam durch», sagte Kehl. «Druck ist bei Borussia Dortmund immer da.» Das sei deshalb auch «keine Situation, die Borussia Dortmund nicht in der Vergangenheit auch schon gemeistert hat. Zaubern wird keiner können. Deshalb bleibt es dabei: Wir müssen zusammenstehen, wir müssen die Kräfte sammeln, wir müssen hart an den Dingen arbeiten. Dann werden wir am Samstag alles dafür tun, um unser Heimspiel gegen starke Leipziger zu gewinnen.»
Sahin war persönlich nach dem Ausscheiden im Pokal sicht- und hörbar niedergeschlagen («Das tut weh!»). Fünf aufeinanderfolgende Auswärtsniederlagen in der Bundesliga, der Champions League und jetzt im DFB-Pokal: Jeder Trainer hätte mit dieser Herausforderung bei diesem ehrgeizigen Verein zu kämpfen. Doch für einen 36-Jährigen, der sein Debüt als Cheftrainer auf diesem Niveau gibt und bereits im Alter von zwölf Jahren in die Jugendabteilung seines BVB eingetreten ist, ist diese unerwartete Entwicklung besonders schwerwiegend.
Sportdirektor Kehl handelte dennoch klug, als er in Wolfsburg in der Wir-Form sprach. Denn nicht nur Sahin ist allein an der aktuellen Krise des BVB schuld.
Der BVB befindet sich nicht nur auf dem Spielfeld und auf der Trainerbank in einem Umbruch. Kehl hatte im Sommer selbst große Schwierigkeiten, seinen Platz im neuen Organigramm zwischen Sport-Geschäftsführer Lars Ricken und Kaderplaner Sven Mislintat zu finden.
Es gab bereits im Sommer Reibereien zwischen Mislintat und Kehl sowie Mislintat und Sahin. Die Dortmunder leiden nun drei Monate später unter einer etwas naiven Kaderplanung, die sich bei ihrem hohen Spielrhythmus als Nachteil erweist.
Das Aufgebot ist zu gering, um in drei Wettbewerben ohne Verschleißerscheinungen zu bestehen und um die Ausfälle von gleich sieben Spielern wie am Dienstagabend ausgleichen zu können.
Kaderplanung als Problem
Ein Symbol dieses Pokal-Aus von Dortmund war auf jeden Fall, wie der Wolfsburger Trainer Ralph Hasenhüttl vor der Verlängerung noch die Dänen Wind, den Portugiesen Tiago Tomas und den Polen Jakub Kaminski ins Spiel brachte, für die der Volkswagen-Club zusammen rund 30 Millionen Euro zahlte. Sahin hingegen brachte nur den 18-jährigen Cole Campbell, den 20-jährigen Jordi Paulina aus der zweiten Mannschaft und den angeschlagenen Marcel Sabitzer. Mehr hatte seine Ersatzbank nicht zu bieten.
Die Kaderbreite war in Dortmund bereits ein Thema, als noch alle gesund waren und am zweiten Spieltag in Bremen nur ein 0:0 herauskam. Damals sagte Sahin noch: «Wir haben auf dem Markt sehr, sehr gut gearbeitet. Für uns war es wichtig, dass wir die Tür nicht zumachen für unsere jungen Spieler.»
Das klang knapp zwei Monate später in Wolfsburg schon ganz anders. «Wenn du heute einen Karim Adeyemi reinschmeißen könntest oder einen Gio Reyna reinschmeißen könntest, dann wäre es natürlich etwas anderes», sagte Sahin. «Der ausschlaggebende Punkt war, dass wir heute nicht nachschießen konnten.» Das wird sich bis zum nächsten Spiel gegen RB Leipzig (Samstag, 18.30 Uhr/Sky) nicht groß ändern. Der Druck auf den Trainer bleibt weiter groß.