Seit Januar 2020 hat Sigrid Nikutta versucht, DB Cargo zu sanieren. Nach Rücktrittsforderungen der Gewerkschaft EVG und deutlicher Kritik in einem Gutachten zieht der Konzern nun die Reißleine.
Chefin von DB Cargo muss gehen – Sigrid Nikutta verliert Job

Sigrid Nikutta wird nach dpa-Informationen als Chefin der kriselnden Bahn-Gütertochter DB Cargo abberufen. Der Konzern zieht damit einen Schlussstrich unter Nikuttas Bemühungen, DB Cargo zu sanieren und profitabel aufzustellen. Zuvor hatte der «Spiegel» berichtet. Es ist eine der ersten wichtigen Personalentscheidungen der neuen Bahnchefin Evelyn Palla. Sie hatte zuletzt angekündigt, stärker im Konzern durchgreifen zu wollen.
Ein kürzlich von der Bahn in Auftrag gegebenes Gutachten hat das Sanierungskonzept von Nikutta als unzureichend kritisiert. Die Abberufung der Managerin muss noch vom Aufsichtsrat beschlossen werden. Eine Sondersitzung des Gremiums ist für den 30. Oktober geplant.
DB Cargo steckt seit langem in der Krise und verzeichnet seit Jahren hohe Verluste. Die Bilanzen wurden bisher immer vom Bahn-Konzern ausgeglichen, aber die EU-Kommission hat dies im Rahmen eines Beihilfeverfahrens mittlerweile verboten. Ab 2026 muss DB Cargo aufgrund des Verfahrens wieder profitabel werden.
Nikutta wollte bei Cargo Tausende Stellen streichen
Nikutta setzte bei ihrem Sanierungskurs zuletzt auf Personalabbau und den Verkauf von Fahrzeugen. Wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» berichtete, soll DB Cargo nach den Plänen der Managerin in den nächsten Jahren auf 10.000 Beschäftigte schrumpfen. Ende 2024 beschäftigte das Unternehmen knapp 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch zahlreiche Werkstätten sollen geschlossen werden. Statt eigene Fahrzeuge zu nutzen, sollten Loks angemietet werden.
Nikutta setzte viel Hoffnung in die Förderung des Einzelwagenverkehrs durch den Bund. Beim Einzelwagenverkehr werden die Waggons mehrerer Kunden zu einem Zug zusammengeführt und zu verschiedenen Zielen gebracht. Die Sparte ist wichtig, um langfristig mehr Güter auf der Schiene statt auf der Straße zu transportieren. Gleichzeitig ist der Einzelwagenverkehr jedoch auch sehr kostenintensiv. Die seit 2024 geltende Förderung reichte zuletzt für DB Cargo nicht aus, um die Sparte profitabel zu machen.
DB Cargo ist einer der wenigen Wettbewerber, die den Einzelwagenverkehr überhaupt anbieten, aus diesen Gründen. Die Lage im Schienengüterverkehr insgesamt ist differenzierter. Obwohl die Bahn-Tochter dort weiterhin das größte Einzelunternehmen ist, ist ihr Marktanteil in den vergangenen Jahren deutlich gesunken und betrug laut den aktuellsten Zahlen der Bundesnetzagentur im Jahr 2023 nur noch rund 44 Prozent.
Die Managerin mit dem roten Hosenanzug
Nikutta hat bereits eine lange Karriere bei der Deutschen Bahn und speziell im Bereich Güterverkehr hinter sich. 1996 übernahm sie erstmals eine Stelle beim bundeseigenen Konzern. Von Mai 2010 an war sie fast zehn Jahre lang Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), ehe sie Anfang 2020 als Vorstandsvorsitzende von DB Cargo zum Bahn-Konzern zurückkehrte.
In den letzten Jahren schaffte es die Managerin auch in der Öffentlichkeit und auf Plattformen wie LinkedIn, sich einen Namen zu machen. Ihr Markenzeichen war ein roter Hosenanzug, der perfekt zum Rot im Logo der Deutschen Bahn passte.
Gewerkschaft kritisierte Nikutta – «kopfloses Abwickeln»
Erfolge in Form von guten Bilanzzahlen fehlten aber: Bei Cargo gelang es ihr in fast sechs Jahren nicht, unterm Strich einen Gewinn zu erwirtschaften. «Nikuttas Bilanz ist verheerend – über 3,1 Milliarden Euro Minus seit ihrem Amtsantritt sprechen für sich», schrieb die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG Mitte Oktober in einem Brief an die neue Bahnchefin Evelyn Palla. «Was sie Transformation nennt, ist in Wahrheit ein kopfloses Abwickeln», hieß es darin nach EVG-Angaben.
Gutachten hält Nikuttas Plan für ungeeignet
Besonders unter Druck geriet Nikutta, als ein von der Bahn bestelltes Gutachten über ihren Sanierungskurs öffentlich wurde. Das Konzept sei «nicht objektiv geeignet, eine nachhaltige Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit der DB Cargo AG mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sicherzustellen», heißt es in dem Gutachten, dass der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Zudem seien «einige Annahmen in der Planung sehr optimistisch und im momentanen Markt- und Wettbewerbsumfeld wahrscheinlich nicht erreichbar». Grundsätzlich hält das Gutachten eine erfolgreiche Sanierung des Unternehmens aber für möglich – aber offenbar nicht mit Nikuttas Plan.
Neubesetzung des Bahnvorstands
Mit dem Ausscheiden von Nikutta setzt sich der laufende Umbau des Bahnvorstands fort. Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag beschlossen, das Führungsgremium des Konzerns neu zu strukturieren. Richard Lutz musste im September als Bahnchef zurücktreten. Seine Nachfolgerin ist die ehemalige Regionalverkehrsvorständin Evelyn Palla. Außerdem wurde der Vorstand um zwei Ressorts verkleinert.
Es gibt Hinweise auf weitere Personalwechsel: Es wird angenommen, dass Harmen van Zijderveld Pallas im Regionalverkehr nachfolgen wird. Bisher war er im Vorstand der Bahn-Tochter DB Regio für den Bereich Schiene verantwortlich. Als neue Finanzchefin wird Karin Dohm gehandelt, eine ehemalige Managerin bei der Baumarktkette Hornbach. Sie würde Levin Holle ablösen, der im Frühling den Konzern verlassen hatte, um eine Stelle im Bundeskanzleramt anzunehmen. Beide Personalien müssen noch vom Aufsichtsrat genehmigt werden.








