Berlin gilt als ein Hotspot krimineller Clan-Mitglieder. Sie stehlen, handeln illegal mit Drogen und schlagen auch mal zu. Nun liegen neue Daten dazu vor.
Deutlicher Anstieg der Clankriminalität in Berlin
Die Berliner Polizei ermittelte gegen ein 24-jähriges Clan-Mitglied wegen insgesamt 65 Straftaten, darunter Warenkreditbetrug, Diebstahl, Hehlerei, Unterschlagung, Betrug, Drogenhandel, Beleidigung und Bedrohung. Damit sicherte sich der Verdächtige den unrühmlichen Spitzenplatz im neuen Lagebild Clankriminalität der Berliner Innenverwaltung.
Diese Entwicklung ist alarmierend, da die registrierten Fälle von Clankriminalität in der Hauptstadt, die als bundesweiter Hotspot dieser organisierten Kriminalität gilt, im Jahr 2023 deutlich zugenommen haben. Die Ermittler zählten 1.063 entsprechende Straftaten, die von – oft arabischstämmigen – Großfamilien begangen wurden. Dies sind fast 200 Fälle mehr als im Vorjahr – ein Anstieg von über 20 Prozent.
Statistik umfasst auch Tötungsdelikte
Die Liste ist so lang wie vielfältig. Verkehrsstraftaten (158), Körperverletzung (135), Diebstahl und Unterschlagung (132), Drogendelikte (112) sowie Betrug (103) treten besonders häufig auf. Es folgen Bedrohung auch mit Waffen (66), Beleidigung (55), Raub (41) oder Geldwäsche (30). Auch fünf Tötungsdelikte sind darunter (2022: 3).
Wie berichtet wurde, wurden 298 Verdächtige für Straftaten ermittelt (2022: 303). Insgesamt wurden bis zum 31. Dezember 2023 633 Personen dem Milieu der Clankriminalität in Berlin zugeordnet (2022: 582). Es scheint, dass es sich um eine Männerdomäne handelt: Nur 37 Frauen sind darunter.
Knapp die Hälfte der identifizierten Tatverdächtigen (45,2 Prozent) sind deutsche Staatsbürger. 23,2 Prozent – also fast ein Viertel – werden in der Statistik als libanesisch oder deutsch-libanesisch geführt. Bei gut 17 Prozent ist die Staatsbürgerschaft unklar. Zudem werden die Ermittler auch türkische oder deutsch-türkische Staatsangehörige (6,2 Prozent), Syrer (2,5 Prozent) und Schweden (1,3 Prozent) der Clankriminalität in Berlin zugeordnet.
Die Straftaten von Clanmitgliedern machten im Jahr 2023 etwa 0,2 Prozent der gesamten Kriminalität in Berlin aus, während es bei den Tatverdächtigen 0,5 Prozent sind. Trotzdem haben die Behörden spätestens seit 2018 verstärkt und koordiniert gegen diese Gruppen vorgegangen.
Ein Grund könnte der spektakuläre Diebstahl einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze im Jahr 2017 aus dem Bode-Museum gewesen sein, an dem laut Gerichtsentscheid Mitglieder einer arabischstämmigen Großfamilie beteiligt waren.
Behörden zielen auf Vermögenswerte
Ein wichtiger Punkt des seinerzeit beschlossenen Aktionsplans sind hoher Kontrolldruck und die Abschöpfung von Clan-Vermögenswerten, die mutmaßlich aus Straftaten stammen. Denn das trifft die Gruppen härter als Haftstrafen, die im Milieu häufig sogar als «Auszeichnung» betrachtet werden, wie Ermittler berichten.
Im Rahmen dieser Maßnahmen führten Polizei und andere Behörden wie Ordnungsämter, Zoll- und Finanzbehörden im Jahr 2023 insgesamt 126 Kontrolleinsätze durch, bei denen 486 Geschäfte wie Cafés, Shishabars, Spätkaufläden, Friseursalons, Wettbüros, Autohändler und -vermietungen oder Bordelle überprüft wurden. 20 dieser Betriebe wurden geschlossen, es wurden 324 Strafanzeigen erstattet und 21 Haftbefehle vollstreckt.
Des Weiteren haben die Ermittler verschiedene Gegenstände und Bargeld beschlagnahmt, darunter 20 Autos, 49 Geldspielgeräte, 15 Waffen sowie eine große Menge unversteuerter Zigaretten, E-Zigaretten, 62,7 Kilogramm Wasserpfeifentabak und Hunderte Verkaufseinheiten Drogen. Trotzdem lag das Gesamtvolumen dieser eingezogenen Gegenstände laut Statistik niedriger als im Jahr 2022.
Polizeigewerkschaft forderte neue Ermittlungsinstrumente
«Die Clankriminalität in Berlin untergräbt seit Jahrzehnten unser Recht- und Wertesystem», erklärte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zu dem neuen Lagebild. «Wir werden auch weiterhin den kriminellen Strukturen gezielt den Nährboden entziehen.» Diese Parallelwelten müssten Schritt für Schritt aufgelöst werden.
«Ein Erfolgsschlüssel zur effektiven Bekämpfung der Clankriminalität bleiben Finanzermittlungen, die wir mit dem Ziel führen, inkriminierte Vermögenswerte abzuschöpfen, welche über den legalen Wirtschaftskreislauf eingeschleust werden», sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. «Unser Fokus gilt in Berlin vor allem dem Gebrauchtwagenhandel, dem Bau-, Sicherheits- und Gaststättengewerbe.»
Nach Einschätzung des Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, braucht der Staat hier einen langen Atem. «Wir haben den behördenübergreifenden Druck auf kriminelle Clans in Berlin in den letzten Jahren hochgefahren, aber es wird viel Zeit brauchen, dieser Hydra endgültig das Handwerk zu legen.»
Weh schlug vor, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, wie beispielsweise eine umfassende Beweislastumkehr bei der Vermögensabschöpfung. Ein Verdächtiger ohne Einkommen und Vermögen müsste dann eigenständig belegen, woher er das Geld für den Kauf einer Villa oder eines Luxus-Autos hat.
Begriff stigmatisiert und diskriminiert
Die Verwendung des Begriffs Clankriminalität wird kontrovers diskutiert, da er laut Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert. Gemäß der Definition der Polizei handelt es sich bei einem Clan um eine informelle soziale Gruppierung, die durch ein gemeinsames Abstammungsverständnis ihrer Mitglieder geprägt ist.
Clankriminalität umfasst demnach «delinquentes Verhalten» von Clan-Angehörigen. «Die Clanzugehörigkeit stellt dabei eine verbindende, die Tatbegehung fördernde oder die Aufklärung der Tat hindernde Komponente dar, wobei die eigenen Normen und Werte über die in Deutschland geltende Rechtsordnung gestellt werden können.»