Studie warnt vor gesundheitlichen Folgen wie Depressionen, Einsamkeit und ungesundem Körperbild durch exzessive Mediennutzung. Schlafqualität leidet.
Digitale Gefahr: Deutsche Jugendliche verbringen zu viel Zeit am Bildschirm
Kinder und Jugendliche verbringen heutzutage immer mehr Zeit vor dem Bildschirm – sei es für Tiktok, Online-Spiele oder zum Lernen. Deutsche Jugendliche zeichnen sich durch besonders intensive Nutzung aus. Eine neue Studie der OECD warnt davor, dass Depressionen, ein ungesundes Körperbild oder Einsamkeit die Folgen sein können, auch wenn die Forschungslage nicht immer eindeutig ist.
Die Ergebnisse im Überblick: Was die Bildschirmzeit für die Gesundheit bedeutet und wer besonders betroffen ist.
Rasant steigende Bildschirmzeit
Kinder werden bereits in sehr jungen Jahren mit Bildschirmen vertraut gemacht, und ihre Bildschirmzeit nimmt dann rapide zu, wie die Autorinnen und Autoren der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) feststellen. Laut ihnen verbringen Sieben- bis Zwölfjährige in Frankreich bereits mehr als zwei Stunden täglich vor dem Bildschirm. 15-Jährige in Deutschland kommen bereits auf 48 Stunden pro Woche, also fast sieben Stunden pro Tag.
Deutsche Jugendliche belegen insgesamt einen Spitzenplatz bei der Nutzung. Fast drei Viertel der 15-Jährigen verbringen an Schultagen mehr als zwei Stunden aus Vergnügungsgründen vor dem Bildschirm. Nur in 4 der 36 untersuchten Länder lagen die Werte noch höher, darunter Polen und Estland.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt Teenagern in dem Alter, nicht mehr als zwei Stunden mit digitalen Medien zu verbringen. «Je weniger Bildschirmzeit, desto besser.»
Die Nutzung digitaler Medien erlebte während der Pandemie einen regelrechten Aufschwung. Fußballtraining, Tanzkurse und andere Aktivitäten wurden abgesagt, wodurch die Bildschirmzeit deutlich zunahm. In den folgenden Jahren sank die Mediennutzung sogar teilweise, wie die Digitalstudie der Postbank zeigte. Der langfristige Trend scheint jedoch weiterhin stabil zu sein.
Schlechter Schlaf führt zu Teufelskreis
Viele Fragen zu den gesundheitlichen Folgen sind noch nicht hinreichend erforscht. Erwiesen scheint hingegen, dass hoher Medienkonsum gerade am Abend die Schlafqualität beeinträchtigt. «Hier entsteht ein Teufelskreis, da ein schlechterer Schlaf bei jungen Menschen zu erhöhter Müdigkeit führt, weshalb sie am nächsten Tag passive Aktivitäten wie Fernsehen bevorzugen», heißt es in der Studie. Besonders ungünstig sei es, wenn Kinder und Jugendliche das Smartphone, den Computer oder den Fernseher direkt im Zimmer hätten.
Die OECD hat festgestellt, dass die mentale Gesundheit junger Menschen in den letzten 15 Jahren signifikant abgenommen hat. Dieser Trend wurde durch die Pandemie noch verstärkt. In dieser Zeit gab es auch einen enormen Anstieg der Mediennutzung. Bisher konnte die Forschung jedoch keine klare Kausalität zwischen diesen Entwicklungen nachweisen. Es ist jedoch sicher, dass negative Effekte auftreten können, beispielsweise durch übermäßige Nutzung, Cybermobbing oder den Kontakt mit für Kinder ungeeigneten Inhalten.
«Studien deuten darauf hin, dass problematischer Konsum das Risiko für Depressionen, Angstzustände, Einsamkeit, schulische Schwierigkeiten, Probleme mit dem eigenen Körperbild und Schlafstörungen erhöht, wobei Mädchen häufig stärker betroffen sind», heißt es.
Bildschirmzeit ist nicht gleich Bildschirmzeit
Den Autoren ist es wichtig zu betonen: Viele Anwendungen wie E-Books können Kindern und Jugendlichen beim Lernen helfen. Insbesondere Mädchen und sozial benachteiligte Jugendliche nutzen diese Möglichkeiten.
Einfach abschalten sei deshalb keine Option, sagt Kai Hanke, Geschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks. «Die Studienlage zeigt sehr klar auf, dass die digitale Welt enorme Potenziale für Kinder mit sich bringt.» Mediennutzung stelle einen wichtigen Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe dar und könne nicht einfach verwehrt werden, sagt er. Eltern, Schulen, Medien und der Gesetzgeber müssten die Rahmenbedingungen schaffen, damit Kinder diese Potenziale auch nutzen können.
Studie untersuchte 38 Nationen
Die Autorinnen und Autoren haben für die Überblicksstudie mehrere Erhebungen analysiert, darunter die aktuelle Pisa-Studie aus dem Jahr 2022. Es wurden die 38 Nationen der Organisation untersucht, zu denen neben weiten Teilen Europas auch etwa Japan und Israel gehören.
Laut einer Postbank-Studie aus dem vergangenen Jahr empfindet ein zunehmender Teil der Bevölkerung hierzulande das Internet als zu überwältigend: Etwa jeder Sechste plant, seine private Online-Zeit zu reduzieren.