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Deutsche Wirtschaft geht geschwächt ins neue Zoll-Zeitalter

Auf die exportorientierte deutsche Wirtschaft kommen harte Zeiten zu. Schon vor Inkrafttreten der meisten US-Zölle fehlt Europas größter Volkswirtschaft der Schwung.

Die deutsche Wirtschaftsleistung ist zuletzt zurückgegangen. (Symbolbild)
Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Die deutsche Wirtschaft geht geschwächt in das neue Zoll-Zeitalter mit den USA. Im zweiten Quartal dieses Jahres ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 Prozent gesunken, wie das Statistische Bundesamt bekannt gab. Zuvor hatte es zu Beginn des Jahres ein unerwartetes Mini-Wachstum gegeben, das vom Amt auf 0,3 Prozent (zuvor: 0,4 Prozent) nach unten korrigiert wurde. Experten führten dies hauptsächlich auf Vorzieheffekte der damals nur angekündigten US-Zollschranken zurück.

Deutlich schwerere Exportbedingungen

Seit dem Wochenende ist zumindest in groben Zügen bekannt, unter welchen deutlich schwierigeren Bedingungen die exportorientierte deutsche Wirtschaft noch Waren in den USA absetzen kann. In den Verhandlungen mit der EU-Kommission hat US-Präsident Donald Trump «asymmetrische», also einseitige Zölle von 15 Prozent auf Importe aus der EU durchgesetzt. Zuvor hatte die US-Regierung mit 30 Prozent Zoll gedroht und auf bestimmte Waren wie Stahl, Aluminium oder Autos schon vorab höhere Sätze verlangt, die teils fortbestehen.

Laut dem Statistikamt sind vor allem die Investitionen in Ausrüstungen und Bauten von April bis Juni im Vergleich zum Vorquartal gesunken. Die privaten und staatlichen Konsumausgaben stiegen hingegen bereinigt um Preise, Saison und Kalender.

Konzentration auf Europa?

Nach Einschätzung von Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater wurde im zweiten Quartal zumeist abgewartet, wie sich die außenwirtschaftlichen Bedingungen entwickeln. «Für Deutschland gilt ganz klar: In dem Maß, in dem sich die Weltmärkte verschließen, muss sich die wirtschaftliche Dynamik auf den eigenen Wirtschaftsraum in Deutschland und Europa konzentrieren.»

Die Autoexporte aus Deutschland in die USA, die für die deutsche Wirtschaft wichtig sind, wurden bereits seit April mit einem Zoll von 27,5 Prozent belegt und sollen ab dem 1. August auf 15 Prozent gesenkt werden. Es ist geplant, dass Autos, die in den USA hergestellt wurden, langfristig ohne Zoll nach Europa exportiert werden können. Allerdings profitieren rund zwei Drittel dieser Exporte von deutschen Herstellern, die Werke in den USA betreiben und die dort produzierten Autos exportieren.

Milliardenschwerer Schaden erwartet

Wie andere Handelspartner der USA müssen die Deutschen mit Einbußen in Milliardenhöhe rechnen. «Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle», hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eingeräumt. Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel können allein die Auto-Zölle das deutsche Inlandsprodukt um 0,15 Prozent schmälern.

Zölle auf europäische Waren in den USA führen grundsätzlich zu höheren Preisen und könnten die Nachfrage senken. Dies wird als Risiko für die Wirtschaftsentwicklung betrachtet. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), das den Arbeitgebern nahesteht, prognostiziert negative Auswirkungen für Unternehmen, die stark von den USA abhängig sind, wie z.B. in der Pharmaindustrie, der Automobilindustrie und im Maschinenbau.

«Ein Deal mag die Unsicherheit für Unternehmen leicht senken – doch US-Zölle von 15 Prozent schaden der deutschen Wirtschaft», sagt auch die Leiterin des Ifo Zentrums für Außenwirtschaft in München, Lisandra Flach. Sie rechnet mit einem negativen Effekt von minus 0,2 Prozent auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist nach dem Zollabkommen optimistischer über die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Aufgrund niedrigerer Zollsätze könnte die Bundesrepublik in diesem Jahr ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent verzeichnen, während der IWF zuvor eine Stagnation prognostiziert hatte.

Warten auf öffentliche Aufträge im Inland

Die Bundesbank hat die konjunkturelle Grundtendenz in Deutschland schon vor dem Zollabkommen als schwach eingeschätzt, da auch die Binnennachfrage nicht anspringt. Obwohl sich die Stimmung in der Wirtschaft mit der Aussicht auf milliardenschwere Investitionen der Bundesregierung aufgehellt hat, wird ein Schub für die Wirtschaft erst verzögert eintreten.

Konkrete Aufträge etwa an die Bauindustrie lassen auf sich warten. Zugleich blieben die Industriebetriebe schwach ausgelastet, und Verbraucher halten ihr Geld zusammen. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ist für das kommende Jahr verhalten optimistisch: «Für 2026 erwarten wir weiter ein recht starkes Wachstum von 1,4 Prozent, weil die Bundesregierung in großem Umfang Ausgaben aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen verschiebt und die freigewordenen Mittel rasch ausgibt und die Konjunktur so anfacht.»Die deutsche Wirtschaftsleistung war bereits in den vergangenen beiden Jahren leicht geschrumpft, im ersten Vierteljahr 2025 legte das Bruttoinlandsprodukt hingegen überraschend zu. Mit dem Zollabkommen droht nun der deutschen Volkswirtschaft erstmals ein drittes Rezessionsjahr in Folge.

dpa