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Die Geschichte der Toilette: Von der Schaufel zum Hightech-Klo

Der Welttoilettentag erinnert an Milliarden Menschen ohne sichere Sanitärversorgung und die Entwicklung der Toilette von der Schaufel bis zum Hightech-Klo.

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Der Welttoilettentag ist seit 2013 ein offizieller UN-Welttag. (Archivbild)
Foto: Martin Schutt/dpa

In dringenden Situationen wird die Toilette plötzlich zum wichtigsten Ort der Welt. Ob es sich um eine einfache Schaufel im Freien, einen hölzernen Donnerbalken oder ein hochmodernes Keramikwunder mit Dusch- und Trocknungsfunktion handelt – im Laufe der Geschichte hat die Menschheit viele Lösungen gefunden, um Erleichterung zu finden. Diese Notwendigkeit verbindet alle Menschen, unabhhängig von Jahrtausenden und Kontinenten. Was für viele selbstverständlich ist, bleibt jedoch für Milliarden Menschen bis heute unerreichbar.

Der jährlich am 19. November begangene Welttoilettentag erinnert daran, dass rund 3,4 Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zu sogenannten «safely managed sanitation services» haben – also Toiletten, die nicht mit anderen Haushalten geteilt werden und deren Abwasser sicher entsorgt wird, so dass Gesundheit, Würde und Sicherheit gewährleistet sind. 354 Millionen Menschen müssen ihr Geschäft laut Weltgesundheitsorganisation WHO noch immer im Freien verrichten.

«Wir brauchen Toiletten für alle, überall», schrieben die Vereinten Nationen in einer Mitteilung. «Egal, wie sich die Welt verändert, manche Dinge bleiben unverändert – unser Bedürfnis nach Toiletten gehört dazu.»

Mit Schaufel und Spaten

Der Welttoilettentag erinnert daran, dass an vielen Orten die Toilettengeschichte bis heute mit einer Schaufel, einem Fleck Erde und sonst nichts beginnt.

Bereits in der Frühzeit war dies die übliche Praxis. Ob auf Reisen, beim Viehhüten oder in der Nähe von Siedlungen – die Schaufel war ein alltäglicher Begleiter, wie der Wasserkrug oder das Feuerholz. Auch viele Armeen gruben im Laufe der Jahrhunderte Latrinen aus, oft mit Spaten und einfachsten Werkzeugen. Schnell, funktional und mit minimaler Geruchsentwicklung.

Schulter an Schulter im alten Rom

Die alten Römer haben gezeigt, dass man aus der Not eine Tugend machen kann. In öffentlichen Latrinen saßen sie damals – in praktische Togas gehüllt – Schulter an Schulter, ganz ohne Trennwand. Wasser plätscherte unter den Sitzen, um die Hinterlassenschaften wegzutragen.

Statt Toilettenpapier wurde ein Schwamm am Stiel eingesetzt, «tersorium» genannt, wie die Anthropologin Ann Olga Koloski-Ostrow in einem Bericht des «Smithonian Magazine» erläuterte. Hygiene war das nicht im modernen Sinne – aber gesellig war es allemal. «Man kann viel über eine Kultur erfahren, wenn man sich anschaut, wie sie ihre Toiletten benutzte», betonte Koloski-Ostrow.

Dusche von oben im Mittelalter

Im europäischen Mittelalter wurde das Geschäft zur Mutprobe: In den Städten verwendeten viele Menschen Nachttöpfe. Die Straßen hatten offene Abflüsse – Kanäle, die die Straßen entlangführten. Der Inhalt des Töpfchens wurde einfach aus dem Fenster gekippt. Nicht selten erschallte dabei der französische Ausruf «Garde à l’eau!» (Achtung, Wasser!). Wer unten vorbeilief, riskierte eine unliebsame Dusche – oder Schlimmeres. In Burgen oder Klöstern gab es hingegen Klos in Form von Erkern. Auch hier fiel das Geschäft meist einfach umstandslos von oben in die Burggräben.

Der Siegeszug des Wasserklosetts

Ein Meilenstein war dann die Spültoilette: John Harington, Patenkind von Königin Elizabeth I., soll 1596 ein Wasserklosett erfunden haben – doch das Gerät blieb zunächst ein Kuriosum. Erst mit der Industrialisierung und dem Bau moderner Kanalisationen im 19. Jahrhundert trat das «Water Closet» seinen Siegeszug an. Damit wurde die Toilette – samt Siphon zur Geruchsvermeidung – nicht nur bequemer, sondern auch ein wichtiger Verbündeter der öffentlichen Gesundheit.

Im viktorianischen Zeitalter wurde das Badezimmer plötzlich schick – zumindest bei den Reichen: Hübsch verzierte Porzellanschüsseln zeigten Geschmack und Fortschritt. Wer etwas auf sich hielt, ließ sich ein besonders elegantes Modell einbauen – das stille Örtchen wurde repräsentativ.

Hightech-Klos aus Japan

Die Toilette ist heute in einigen Teilen der Welt bereits Hightech. Besonders in Japan: beheizte Sitze, Düsen für die perfekte Reinigung, sanfter Luftstrom zum Trocknen, automatische Deckel, die sich wie von Zauberhand selbst öffnen und schließen, sowie musikalische Untermalung sind Standard. Gleichzeitig gewinnt Nachhaltigkeit an Bedeutung: Komposttoiletten und Modelle mit Wasser-Recycling gelten als zukunftsweisende Lösungen für eine wachsende Weltbevölkerung.

Dennoch, während hochmoderne Toiletten mit Sitzheizung, integriertem Bidet und Geruchsabsaugung in wohlhabenderen Ländern immer beliebter werden, bleibt die Situation anderswo dramatisch: Unsichere sanitäre und hygienische Bedingungen tragen zu Krankheiten wie Durchfall, Cholera und Typhus bei – insbesondere bei Kindern.

Warnung der Vereinten Nationen

Laut aktuellen Zahlen der WHO sterben täglich etwa 1.000 Kinder unter fünf Jahren an Krankheiten, die auf unzureichende Sanitärversorgung, unsicheres Wasser und mangelnde Hygiene zurückzuführen sind. Laut UN werden im Jahr 2030 immer noch drei Milliarden Menschen ohne sichere Toiletten leben, wenn derzeitige Fortschrittsrate beibehalten wird.

https://twitter.com/UN_Water/status/1988959794502279390

„Zahlen mögen zwar trocken klingen, aber ihre Auswirkungen sind es nicht: Wenn es keinen sicheren Ort gibt, um die Notdurft zu verrichten, steigt nicht nur das Risiko von Krankheiten. Es hat auch mit der Würde des Menschen zu tun. Von der Schaufel bis zum Spülknopf: Die Toilette ist ein Spiegelbild der Zivilisation. Sie erzählt eine Geschichte von Hygiene, Erfindergeist und Fortschritt – und von einer Menschheit, in der Luxus und erschütternde Armut noch immer Seite an Seite existieren.“

dpa