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Einigung auf abgeschwächtes EU-Lieferkettengesetz erzielt

Das Lieferkettengesetz der EU soll Menschenrechte weltweit schützen – und wird nun wohl entschärft, bevor es überhaupt in Kraft getreten ist. Die Regeln sollen nur noch für wenige große Firmen gelten.

Das EU-Lieferkettengesetz soll Menschen weltweit vor Ausbeutung schützen. (Symbolbild)
Foto: Md Rafayat Haque Khan/ZUMA Press Wire/dpa

Die EU plant, das europäische Lieferkettengesetz zum Schutz der Menschenrechte zu entschärfen, bevor es überhaupt angewendet wird. Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments haben in Brüssel vereinbart, dass die Vorschriften nur noch für einige große Unternehmen gelten sollen, wie beide Seiten mitteilten. Das Parlament und die EU-Mitgliedsländer müssen die Änderung noch absegnen, was in der Regel jedoch nur eine Formalität ist.

Die Anforderungen sollen in Zukunft nur noch für Großunternehmen mit über 5.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten. Ursprünglich war eine Grenze von 1.000 Mitarbeitern und einer Umsatzschwelle von 450 Millionen Euro vorgesehen.

Des Weiteren sollen Unternehmen, die gegen die Vorschriften verstoßen, auf EU-Ebene nicht mehr zivilrechtlich haftbar gemacht werden – wodurch für Opfer von Menschenrechtsverletzungen die Möglichkeit einer Klage entfällt. Im Falle von Nichteinhaltung der Vorgaben soll eine Strafe von bis zu drei Prozent ihres weltweiten Nettoumsatzes verhängt werden können. Darüber hinaus wird es laut Angaben des Parlaments und der EU-Staaten in Zukunft keine Verpflichtung mehr geben, Aktionspläne für Klimaziele zu erstellen.

Merz forderte komplette Abschaffung

Dem jetzt erfolgten Schritt war ein heftiger politischer Schlagabtausch vorausgegangen. Die konservative Europaparlamentsfraktion um CDU und CSU hatte vor knapp einem Monat mit der Unterstützung rechter und rechtsextremer Parteien den Weg für eine Abschwächung des Regelwerks freigemacht. Zuvor hatten sich auch die EU-Staaten für weniger strenge Vorschriften ausgesprochen.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel sogar eine komplette Abschaffung der Richtlinie gefordert. Als ein erster Kompromiss zur Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes im Europaparlament scheiterte, nannte Merz dies «inakzeptabel» und forderte eine Korrektur.

Das Ziel des Lieferkettengesetzes besteht darin, die Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Das Vorhaben wurde von Unternehmen heftig kritisiert – sie bemängelten insbesondere, dass die bürokratische Belastung unzumutbar sei, wenn entlang der teilweise komplexen Lieferketten potenzielle Regelverstöße überprüft werden müssten.

Brisante Mehrheitsbildung im Parlament

Die Kritik an der rechten Mehrheit, die sich im Parlament für die Abschwächung des Lieferkettengesetzes aussprach, kam von Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen. Die Entscheidung war brisant, da die konservative EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, die Mehrheit abseits der üblichen Bündnisse gesucht und gefunden hatte.

Eigentlich arbeiten EVP, Sozialdemokraten (S&D) und Liberale in einer Art informeller Koalition zusammen. Sie haben eine knappe Mehrheit im Parlament. Das Lieferkettengesetz dürfte nun aber das erste große Gesetzesprojekt werden, das auch final mit einer klar rechten Mehrheit durchs Parlament geht. Welche Auswirkungen das auf die kommende Zusammenarbeit von EVP, S&D und Liberalen haben wird, ist noch unklar.

Kritik von SPD und Grünen

Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken sprach von einem schwarzen Tag für Europa, da Menschenrechte und Klimaschutz offenkundig nur noch billige Verhandlungsmasse seien. «Ein Kompromiss mit den demokratischen Kräften des Parlaments wäre möglich gewesen, scheiterte aber an der Erpressungstaktik der Konservativen», so Wölken.

«Die Konservativen im Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten haben heute Nacht den letzten Nagel in den Sarg des EU-Lieferkettengesetzes geschlagen», kritisiert die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini.

dpa