Evelyn Palla wird als erste Frau an die Spitze des Konzerns aufsteigen. Die Herausforderungen sind groß, doch die Erwartungen an sie sind hoch.
Neue Bahn-Chefin Evelyn Palla: Die Hoffnungsträgerin der Deutschen Bahn

Mitte August wurde über die Nachfolge von Richard Lutz an der Spitze der Deutschen Bahn spekuliert. Schon früh fiel der Name von Evelyn Palla, die seit 2019 beim bundeseigenen Konzern arbeitet, zuerst als Finanzvorständin bei DB Fernverkehr und seit Juli 2022 als Chefin des Regionalverkehrs. Gestern wurde bekannt, dass die gebürtige Südtirolerin wohl die Spitze des Konzerns übernehmen wird – als erste Frau in dieser Position.
Am Dienstag beginnt die nächste Sitzung des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn, bei der Palla nach dpa-Informationen offiziell als neue Bahn-Chefin vorgestellt werden soll. Gemäß dem Vorschlag von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) muss Palla noch vom Aufsichtsrat berufen werden.
Neue Chefin schon seit 2011 in der Bahn-Branche tätig
Palla, geboren 1973, ist nicht nur aufgrund ihrer Zeit bei der Deutschen Bahn gut in der Branche bekannt. Von 2011 bis Anfang 2019 war sie bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) tätig. Wie die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) gelten auch die Österreicher im Vergleich zu Deutschland als Vorzeigeland in Bezug auf den Schienenverkehr.
Palla trägt seit drei Jahren die Verantwortung für den gesamten Regionalverkehr in Deutschland. Jeden Monat werden rund 780.000 Zugfahrten im Nahverkehr – einschließlich aller S-Bahnen – durchgeführt. Die Pünktlichkeit im Nahverkehr war zuletzt im Vergleich zu früheren Zeiten schlechter, ist jedoch nicht vollständig zusammengebrochen.
Des Weiteren erzielte DB Regio unter Palla im ersten Halbjahr 2025 einen operativen Gewinn von 103 Millionen Euro (Ebit bereinigt). Im ersten Halbjahr 2024 stand an dieser Stelle noch ein großes Minus. Bei der Bahn war man über die Trendwende erfreut – ein kleiner Erfolg inmitten vieler schlechter Nachrichten, mit denen die Kunden der Bahn ebenso wie das Management des Konzerns fast täglich konfrontiert sind.
Die größten Probleme der DB
Die Bahn hat vor allem mit der maroden Infrastruktur zu kämpfen, die täglich die Züge ausbremst. Verspätungen, Zugausfälle und Unzufriedenheit bei den Fahrgästen sind die Konsequenz. Da fast jeder Teil des über 33.000 Kilometer langen Schienennetzes der DB betroffen ist, wird es noch lange dauern, bis sich die Situation grundlegend verbessert. Die Bahn setzt große Hoffnungen in die grundlegende Sanierung von mehr als 40 besonders wichtigen Strecken bis 2036.
Das nächste Problem ist eng mit der Infrastruktur verbunden: Die Pünktlichkeit im Fernverkehr lag im August bei nur knapp 60 Prozent. Vor allem an wichtigen Knoten sammeln die Züge regelmäßig Verspätung ein, Störungen und Baustellen machen einen reibungslosen Betrieb kaum möglich. Nahezu jeder Fernverkehrszug muss auf seiner Reise durch das Land derzeit durch mindestens eine Baustelle fahren.
Auch die wirtschaftlichen Zahlen sind seit Jahren nicht positiv. Obwohl sie sich zuletzt verbessert haben, verzeichnete das Unternehmen am Ende des ersten Halbjahres 2025 immer noch ein Minus von 760 Millionen Euro. Um die wirtschaftliche Lage des Konzerns zu verbessern, sollen Tausende Stellen abgebaut werden. Dies führt zu zahlreichen Veränderungsprozessen in der Verwaltung des großen Unternehmens – schlechtes Management ist oft ein Grund für Unruhe in einem Unternehmen.
Reichen eine neue Chefin und eine neue Strategie für eine Kehrtwende?
Die neue Bahnchefin hat viel zu tun, obwohl sie als Regio-Chefin bereits eine bedeutende Aufgabe hat und zuletzt wenig öffentlich in Erscheinung trat. Hat sich Palla möglicherweise schon länger auf den Sprung an die Konzern-Spitze vorbereitet?
Die Rückendeckung des zuständigen Ministers dürfte Palla jedenfalls in den nächsten Monaten haben. Doch reicht das, um die Bahn wieder nach vorne zu bringen? Für die Grünen, die Palla mit ihrer Führungserfahrung für eine gute Wahl halten, eher nicht: «Ohne deutlich bessere Rahmenbedingungen wird aber auch Frau Palla nicht erfolgreich sein können», sagte deren Verkehrsexperte Matthias Gastel der «Rheinischen Post». «Dazu gehört die auskömmliche und mittelfristig verlässliche Finanzierung der Infrastruktur. Dazu gehört auch die bessere Kontrolle und Steuerung des Unternehmens.»
Minister: Bahn muss pünktlich, sicher und sauber sein
Wenn Palla am Montag in Berlin offiziell als neue Bahn-Chefin vorgestellt wird, plant Verkehrsminister Schnieder auch eine neue Eigentümerstrategie für die Bahn vorzustellen. Diese wird wahrscheinlich als Leitfaden dienen, an dem sich die Südtirolerin orientieren muss. Über die genauen Inhalte ist bisher wenig bekannt. Es wird jedoch angenommen, dass der Bund die Bahn stärker kontrollieren wird als in den vergangenen Jahren.
«Die Bahn muss pünktlich, sicher und sauber sein», sagte Schnieder zuletzt. Zudem müsse der Konzern «schneller, schlanker, schlagkräftiger und auch wirtschaftlicher» werden. Derzeit sei die Lage «dramatisch».