Die Klagen über die Besucher und den Verkehr gehören in Italiens Hauptstadt seit 2000 Jahren dazu. Aber jetzt ist es tatsächlich besonders schlimm. Was auch mit der katholischen Kirche zu tun hat.
Ewige Baustelle – Rom leidet vor «Heiligem Jahr»
In Rom wird wahrscheinlich länger über den Verkehr und die Baustellen geschimpft als in jeder anderen Stadt der Welt. Julius Cäsar persönlich kümmerte sich bereits vor mehr als zwei Jahrtausenden um das Chaos auf den Straßen: 45 vor Christus erließ er per Munizipialgesetz ein Fahrverbot für Wagen tagsüber im dicht bevölkerten Zentrum. Eine Ausnahme bildeten Lastwagen, die Baumaterial zu den Tempeln transportieren durften. Seitdem haben sich die Dinge nicht wesentlich zum Besseren verändert.
Im Gegenteil: Aktuell leiden die nahezu drei Millionen italienischen Hauptstädter besonders – und ebenso die vielen Millionen Touristen, die in die Ewige Stadt kommen. Das hängt damit zusammen, dass Rom fürs «Heilige Jahr» 2025 gerade aufgehübscht wird. Bis zum Auftakt an Heiligabend, wenn Papst Franziskus die Heilige Pforte am Petersdom öffnen wird, sind es nur noch wenige Wochen. Und man ist arg im Verzug. So ist mit dem Auto oder mit der Vespa auf vielen Straßen noch weniger Durchkommen als ohnehin. Es staut sich überall.
Bis zu 32 Millionen Pilger nächstes Jahr erwartet
Auch vor dem Hauptbahnhof, wo der polnische Papst Johannes Paul II. (1920-2005) jetzt als Bronzedenkmal verewigt ist, ist der Boden aufgerissen. Drumherum weiträumig Gitter. Aber auch mit all dem Abstand meint man, dem volkstümlichen Pontifex auf seinem Sockel den Gram übers erzwungene Alleinsein ansehen zu können. Allerdings hat die katholische Kirche an den aktuellen Zuständen erheblichen Anteil, zusammen mit der sozialdemokratischen Stadtverwaltung und der rechten Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
Denn eigentlich steht der Termin fürs «Heilige Jahr» 2025 schon eine ganze Weile fest – seit mehr als einem halben Jahrtausend. Seit 1475 erlässt der Papst alle 25 Jahre Pilgern, wenn sie nach Rom kommen, unter gewissen Bedingungen die Sünden. Auf Italienisch heißt das auch Giubileo, also Jubeljahr. Daher kommt übrigens die deutsche Redewendung «alle Jubeljahre einmal» für Dinge, die nur selten geschehen. Der Vatikan erwartet dazu 32 Millionen Pilger, darunter fast eine Million aus Deutschland.
Staus und Schlangen überall
Die Touristen strömen nach dem Ende der Corona-Pandemie in Rom jetzt schon wie selten zuvor: lange Schlangen auf dem Petersplatz, in den Vatikanischen Museen, am Kolosseum, auf der Spanischen Treppe und auch vor vielen Restaurants. Dass einige der bekanntesten Skulpturen, Brunnen und Gebäude wegen Renovierung verhüllt sind, nehmen die meisten Besucher stoisch zur Kenntnis. Ebenso wie die Einheimischen sich damit abgefunden haben, dass Busse und Trambahnen in diesen Wochen noch unzuverlässiger fahren als sonst – wenn überhaupt.
Die Anzahl der Jubiläums-Baustellen wird von der Stadtverwaltung derzeit auf über 300 geschätzt. Dazu gehört auch der umfangreiche Umbau der Piazza Pia am Anfang der breiten Prachtstraße Via della Conciliazione, die sich über einen halben Kilometer vom Tiber hinauf zum Petersdom erstreckt. Immerhin soll der neue Platz mit einer Fläche von etwa 7.000 Quadratmetern am 8. Dezember eingeweiht werden, dem in Italien besonders wichtigen Feiertag Mariä Empfängnis – also gerade noch rechtzeitig. Es wird wohl anderswo nicht mehr rechtzeitig fertig werden.
August-Ferien heiliger als jedes Jahr
Trotz des großen Zeitdrucks lagen viele Baustellen den Sommer über brach, da der klassische Ferienmonat August für Römer deutlich heiliger ist als jedes Jahr. Allerdings wird jetzt umso emsiger gearbeitet. Roms Bürgermeister Roberto Gualtieri weist den Vorwurf, alles auf den letzten Drücker zu erledigen, entschieden zurück. Die Verzögerungen führt der Sozialdemokrat auch auf die jüngste Regierungskrise zurück und darauf, dass die Stadt nach Melonis Amtsantritt im Herbst 2022 erst verspätet das erforderliche Geld erhalten habe.
Inzwischen habe man aber im «Rekordtempo» aufgeholt, sagt Gualtieri. «Rom befindet sich gerade in einer entscheidenden Phase seines Wandels. Bis jetzt kommen wir ziemlich gut voran.» In der Tat gibt es aktuell auch noch etwa 700 weitere Baustellen, die mit dem «Heiligen Jahr» nichts zu tun haben. Dazu gehören die lang geplante dritte U-Bahn-Linie durch die Stadt, aber auch andere Arbeiten, die aus dem Corona-Wiederaufbaufonds der Europäischen Union finanziert werden. Dieses Geld muss unbedingt bis 2026 ausgegeben werden. Auf Klagen der Bevölkerung kann nicht groß Rücksicht genommen werden.
Zumindest einen Trost gibt es für die Römer. Aus dem Vatikan haben sie zunächst einmal keine zusätzlichen Belastungen mehr zu erwarten: Das nächste reguläre «Heilige Jahr» kommt erst 2050.