Die Sorgen um die Wirtschaft im Euroraum haben zugenommen. Niedrigere Zinsen könnten die Konjunktur ankurbeln. Volkswirte gehen davon aus, dass die unterste Schwelle noch nicht erreicht ist.
Schwächelnde Konjunktur: EZB senkt Zinsen erneut
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf wachsende Sorgen um die Konjunktur im Euroraum mit der vierten Zinssenkung in diesem Jahr reagiert. Experten erwarten, dass die Notenbank im kommenden Jahr die Leitzinsen weiter senken wird. Handelskonflikte, wie etwa mit den USA und ihrem wiedergewählten Präsidenten Donald Trump, könnten die schwächelnde Konjunktur in Europa zusätzlich belasten.
Zunächst senkt der EZB-Rat den Leitzins am Finanzmarkt um 0,25 Prozentpunkte auf 3,0 Prozent. Diesen Zins erhalten Banken für Gelder, die sie bei der Zentralbank parken. Die erneute Senkung dürfte sich auf Sparer auswirken: Banken geben sinkende Einlagenzinsen in Form von niedrigeren Tages- und Festgeldzinsen an ihre Kunden weiter.
Der Zinssatz, zu dem Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB erhalten können, wird erneut gesenkt: von 3,4 Prozent auf 3,15 Prozent. Im Allgemeinen sind niedrigere Leitzinsen förderlich für die Wirtschaft: Kredite werden günstiger, Unternehmen und Privatpersonen – wie beispielsweise Bauherren – erhalten günstigere Finanzierungsmöglichkeiten für Investitionen und können somit zum Wirtschaftswachstum beitragen.
Experten halten Inflationswelle für beendet
Ökonomen hatten erwartet, dass es zu einer weiteren Zinssenkung kommen würde. Es gab Spekulationen über einen möglichen noch größeren Schritt von 0,5 Prozentpunkten nach unten. Die Tatsache, dass die große Teuerungswelle in der Eurozone vorbei ist, gibt den Währungshütern Spielraum.
Die EZB ist auch besorgt über die schwache Konjunktur im Euroraum. Präsidentin Christine Lagarde warnte kürzlich vor einer anhaltenden Wirtschaftsschwäche. Frankreich und Deutschland, Europas Schwergewichte, stecken zudem in einer Regierungskrise und können als Motor für Reformen in schwierigen globalen Zeiten ausfallen.
Die jährliche Inflationsrate hat sowohl in Deutschland, der größten Volkswirtschaft Europas, als auch im gesamten Euroraum zuletzt zugenommen. Trotz eines Anstiegs auf 2,3 Prozent im Euroraum im November erwarten Experten derzeit keine Teuerungswelle wie nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022, als sich Energie und Lebensmittel rasant verteuerten.
Teuerung weit entfernt von Rekordhoch
Die Inflation im Währungsraum ist seit dem Rekordhoch von 10,7 Prozent im Herbst 2022 deutlich gesunken, hauptsächlich aufgrund des kräftigsten Zinsanstiegs der EZB seit 25 Jahren. Im Juli 2022 endete die jahrelange Null- und Negativzinspolitik, und die EZB erhöhte die Zinsen zehnmal in Folge. Höhere Zinsen führen zu teureren Krediten, was die Nachfrage drosseln und hohe Inflationsraten bekämpfen kann. Im Juni 2024 senkte die EZB erstmals wieder die Leitzinsen.
Die EZB strebt mittelfristig eine jährliche Inflationsrate von 2,0 Prozent im Euroraum an – weit genug von der Nullmarke entfernt. Dauerhaft niedrige Preise werden als Risiko für die Wirtschaft angesehen: Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen verschieben, in der Erwartung, dass es bald noch günstiger wird. Wenn die Preise jedoch zu stark steigen, schadet dies der Wirtschaft: Verbraucher verlieren Kaufkraft, was den Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur beeinträchtigt.
Sorgen um die Wirtschaft und Trumps Zollpläne
Nach Ansicht führender Notenbanker stellen drohende Handelskonflikte ein zusätzliches Risiko für die bereits schwache Konjunktur im Euroraum dar. Der designierte US-Präsident Trump hat angekündigt, hohe Zölle auf Importe aus Europa zu erheben. Die Europäische Union könnte mit Gegenschritten reagieren. Besonders Deutschland als Exportnation wäre voraussichtlich stark von einem solchen Handelskonflikt betroffen.