Fachleute fordern Regelgeschwindigkeiten innerorts und konsequente Ahndung von Verstößen wie falsch parken für mehr Sicherheit.
Experten alarmiert: Fußgänger besser schützen,Pläne für mehr Verkehrssicherheit und Schutz von Fußgängern werden kontrovers diskutiert.
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Die Anzahl der Fußgängerunfälle bleibt seit Jahren auf einem konstanten Niveau. Häufig sind sowohl sehr junge als auch sehr alte Menschen darin verwickelt. Angesichts der alternden Gesellschaft sind Experten daher besorgt. Sie fordern: Fußgänger sollen besser geschützt werden. Die konkreten Pläne dafür unterscheiden sich.
«Jeder ist Fußgänger – und wenn er nur zu seinem Auto geht», sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Michael Mertens. Die Sicherheit von Fußgängerinnen und Fußgänger gehe daher alle an. Das zeigen auch Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Mit neun Prozent waren Fußgänger 2023 die zweitgrößte Gruppe der Unfallbeteiligten nach Autofahrern.
Polizeigewerkschaft fordert 30 Kilometer pro Stunde innerorts
Mertens fordert daher etwa eine Regelgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde innerorts. Wo Fußwege ausreichend abgesichert sind, könne auch mit 50 Stundenkilometer oder schneller gefahren werden. «Das schmerzt mich als Autofahrer auch, aber ich würde es machen.» Mit einer Änderung der Straßenverkehrsordnung wurde es Kommunen 2024 bereits erleichtert 30er-Zonen einzuführen.
Auch höhere Bußgelder würden laut dem Polizisten für mehr Verkehrssicherheit sorgen. «Wir sind europaweit der Discounter bei den Bußgeldern», betont Mertens.
Verkehrsplanerin: Fußgänger bei Planung zuerst bedenken
Vor allem jedoch sollten Verstöße wie falsches Parken oder zu schnelles Fahren konsequenter bestraft werden, sagt Verkehrsplanerin Katalin Saary von der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung. Insbesondere falsch geparkte Autos führen oft zu Unfällen, weil Fußgänger zu spät gesehen werden. Laut einer Studie der Unfallforschung der Versicherer spielen bei jedem fünften Fuß- und Radverkehrsunfall parkende Autos eine Rolle. Mehr sogenannte Gehwegnasen könnten dabei helfen – also vorgezogene Bürgersteige, die die Fahrbahn an Querungen verengen, so Saary.
Generell ist ein Umdenken in der Verkehrsplanung erforderlich: Priorität sollte den Fußgängern eingeräumt werden. Erst wenn noch Platz vorhanden ist, sollten Parkplätze eine Rolle spielen. Fußwege müssen attraktiver gestaltet werden, um genutzt zu werden – beispielsweise durch Grün- und Schattenflächen oder Sitzgelegenheiten.
Fachleute planen, ab dem 29. Januar beim Verkehrsgerichtstag in Goslar das Thema zu diskutieren. Der dreitägige Kongress ist jedes Jahr eines der bedeutendsten Treffen von Verkehrssicherheits- und Verkehrsrechtsexperten in Deutschland und schließt mit Empfehlungen an den Gesetzgeber.
Bei Unfällen meist Autofahrer schuld
Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Die meisten Unfälle von Fußgängern passieren mit Autos. In rund 77 Prozent der Fälle waren dabei 2023 die Autofahrer schuld. «Oft passieren Unfälle, wenn Fußgänger eine Straße überqueren wollen», sagt der Leiter der Unfallprävention bei der Björn-Steiger-Stiftung, Siegfried Brockmann.
Im Jahr 2023 waren fast wieder so viele Fußgänger verunglückt wie im Vor-Corona-Jahr 2019, mit 33.504 im Vergleich zu 34.815. Die Anzahl der Getöteten lag sogar höher, mit 449 im Vergleich zu 429 im Jahr 2019. Besonders häufig waren dabei unter 15-Jährige sowie Menschen über 75 Jahre in Unfälle verwickelt.
Unfallforscher: «Mehr Zebrastreifen – an den richtigen Stellen»
Ganz praktisch würden beispielsweise mehr Zebrastreifen, Ampeln und Verkehrsinseln helfen, sagt Unfallforscherin Kirstin Zeidler vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Wichtig sei es dabei, vorher mit Verkehrsbeobachtungen herauszufinden, wo Querungshilfen tatsächlich benötigt werden, ergänzt Unfallforscher Siegfried Brockmann von der Björn-Steiger-Stiftung. Auch müsste es einfacher werden, Fußgängerüberwege einzurichten, fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft.
Zeidler sagt, dass technisch vieles bereits möglich ist oder in naher Zukunft denkbar sein wird. Zum Beispiel könnte es eine Pflicht für aktiv bremsende Assistenzsysteme anstelle von nur warnenden Systemen in neuen Fahrzeugen geben, sowie vernetzte Ampeln und Autos, die sich gegenseitig vor Fußgängern oder anderen Gefahren warnen. Der Auto Club Europa (ACE) schlägt außerdem vor, digitale Kontrollen falsch geparkter Autos mit sogenannten Scan-Fahrzeugen durchzuführen. Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der Meinung, dass die Möglichkeiten technischer Systeme noch nicht vollständig ausgeschöpft sind.
Anwalt: Neue Vorschriften nicht notwendig
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat wünscht sich, ein pauschales Park- und Halteverbot im Abstand von zehn Metern zu Kreuzungen und Einmündungen. Die derzeitige Regelung sieht fünf Meter vor. Der ACE fordert zudem Gehwege besser instand zu halten und mehr Aufklärung. Und: «Grundsätzlich wäre auch eine strikte Trennung von Fußwegen, Radwegen und Fahrbahn sinnvoll», teilte der ACE mit.
Der ADAC setzt sich ebenfalls für eine verbesserte Fußgängerinfrastruktur ein. Laut dem Verkehrsrechtler des DAV, Martin Diebold, sind jedoch keine neuen Vorschriften erforderlich.