So viele Unternehmen wie seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr haben 2024 aufgegeben. Im nächsten Jahr könnten die Insolvenzzahlen auf Rekordniveau steigen. Dafür gibt es eine ganze Reihe Gründe.
Insolvenzwelle rollt – noch mehr Firmenpleiten 2025 erwartet
Corona-Krise, Energiepreisschock, Konjunkturflaute – die Dauerkrisen fordern Tribut und zwingen immer mehr Unternehmer in die Knie. 2024 gab es fast ein Viertel mehr Firmenpleiten in Deutschland als ein Jahr zuvor. Und im nächsten Jahr könnten die Zahlen auf Rekordniveau steigen. «Die Woge wird zur Welle, das wird sich 2025 verstetigen», sagt der Geschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, Bernd Bütow. Einen Hebel, um die Situation zu entschärfen, hat die künftige Bundesregierung in der Hand: Unternehmen wünschen sich Planungssicherheit statt Zickzack-Kurs.
Creditreform prognostiziert, dass bis zum Ende des laufenden Jahres 22.400 Unternehmensinsolvenzen stattfinden werden. Dies wäre der höchste Stand seit 2015 mit etwas mehr als 23.100 Fällen. Im Jahr 2023 gab es laut Statistischem Bundesamt 17.814 Firmenpleiten in Deutschland.
«Deutliche Marktbereinigung» 2025
«Mit einiger Verzögerung schlagen die Krisen der vergangenen Jahre nun als Insolvenzen bei den Unternehmen durch», erläutert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung. «Damit könnten bald wieder Insolvenzzahlen nahe an den Höchstwerten der Jahre 2009 und 2010 in Sichtweite kommen, als über 32.000 Unternehmen in die Insolvenz gingen.»
Hantzsch bekräftigt: «Wir befürchten zumindest für das erste Quartal, dass diese sehr dynamische Insolvenzentwicklung anhält.» Viele Unternehmen hielten sich wegen großer Unsicherheit mit Investitionen nach wie vor zurück, das verschärfe die Situation noch.
Auch der Kreditversicherer Allianz Trade rechnet 2025 mit einem weiteren Anstieg der Firmenpleiten in Deutschland. «Die anhaltende wirtschaftliche Schwäche in Europa, insbesondere in Deutschland, macht den hiesigen Unternehmen zu schaffen», sagte der Vorstandschef von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Milo Bogaerts, Mitte Oktober. «Schwach finanzierte Unternehmen stehen auf Messers Schneide, und es dürfte eine deutliche Marktbereinigung stattfinden.»
Vor allem kleine Betriebe geben auf
Im vergangenen Jahr gerieten mehrere große Unternehmen in Schwierigkeiten: Galeria Karstadt Kaufhof, FTI Touristik, Esprit Europe. Dennoch waren laut Creditreform die meisten Insolvenzen erneut bei Unternehmen mit höchstens zehn Beschäftigten: 81,4 Prozent in allen Branchen. Insgesamt sind laut Angaben insgesamt 320.000 Arbeitsplätze hierzulande im Jahr 2024 durch Unternehmensinsolvenzen gefährdet oder entfallen.
Die Insolvenzzahlen stiegen besonders deutlich im Dienstleistungsgewerbe – beispielsweise in der Gastronomie – sowie im Handel und im Baugewerbe. Die Schäden für die Gläubiger beliefen sich auf geschätzte 56 Milliarden Euro und lagen damit deutlich über dem Niveau des Vorjahres (31,2 Mrd. Euro).
«Insolvenzwelle»
Steffen Müller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), der monatlich eine Analyse zur Entwicklung der Insolvenzen veröffentlicht, beobachtete im Oktober einen sprunghaften Anstieg der Firmenpleiten. Sein damaliges Fazit: «Die derzeitige Insolvenzwelle ist das Ergebnis eines perfekten Sturms aus langanhaltender konjunktureller Schwäche und drastisch gestiegenen Kosten.»
Müller schätzt, dass die leichte Entspannung, die er im November feststellte, nur vorübergehend sein wird. Viele Unternehmen wurden während der Corona-Pandemie dank extrem niedriger Zinsen und staatlicher Unterstützung über Wasser gehalten.
Die Liste der Herausforderungen ist jedoch lang: Hohe Energiekosten, Probleme in den Lieferketten, drohende Handelskonflikte, übermäßige Bürokratie, politische Unsicherheit, Zurückhaltung im Konsum von Verbrauchern.
Jedes zehnte Unternehmen hat Probleme
Der Informationsdienstleisters Crif berichtete Ende November von knapp 310.000 Unternehmen in Deutschland, die mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Das sei jedes zehnte der knapp drei Millionen Unternehmen, deren Kreditwürdigkeit und Finanzkraft Crif unter die Lupe genommen habe. «Die Anzahl der finanzschwachen Unternehmen hat auf einem hohen Niveau noch einmal zugelegt», ordnete Crif-Geschäftsführer Frank Schlein ein.
Laut einer aktuellen Umfrage des Ifo-Instituts erwarten die meisten Unternehmen in Deutschland im nächsten Jahr keine Verbesserung ihrer geschäftlichen Lage. Über 56 Prozent gehen von einer unveränderten Situation aus, während mehr als 31 Prozent eine Verschlechterung erwarten. Die Optimisten, die bessere Geschäfte erwarten, sind mit 12,6 Prozent in der Minderheit.
Keine Branche blickt laut Ifo wirklich optimistisch auf 2025. Besonders pessimistisch ist demnach die von Auftragsmangel geplagte Baubranche, auch im Einzelhandel und in der Industrie ist der Ausblick mau. Das Fazit von Ifo-Umfrageleiter Klaus Wohlrabe: «Vor dem Hintergrund, dass die Wirtschaft 2024 schon schlecht gelaufen ist, sind diese Zahlen bedenklich.»
Seit Monaten steigende Pleitezahlen
Die Anzahl der Firmenpleiten in Deutschland steigt seit Monaten deutlich an. Mit Ausnahme des Juni 2024 lag die Zuwachsrate bei den Insolvenzanmeldungen seit Juni 2023 im zweistelligen Bereich, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht.
Auch bei den Verbraucherinsolvenzen zeigt sich ein Aufwärtstrend. Die gestiegenen Verbraucherpreise und höheren Kreditzinsen belasten die privaten Haushalte, zudem sind Zehntausende Jobs gefährdet. Laut Creditreform wird die Zahl der Verbraucherinsolvenzen im laufenden Jahr um 8,5 Prozent auf etwa 72.000 Verfahren steigen.