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Mehr Schutz vor K.-o.-Tropfen: Forscherin fordert Aufklärung und Tests

Effektivere Maßnahmen gefordert, um Opfer zu schützen und Dunkelziffer zu erfassen. Sensibilisierung in Clubs und privatem Umfeld notwendig.

Die sächsische Polizei vermutet ein großes Dunkelfeld bei Straftaten in Zusammenhang mit K.-o.-Tropfen. (Symbolbild)
Foto: picture alliance / dpa

Mehr Schutz vor sexueller Gewalt: Die Wissenschaftlerin Charlotte Förster fordert mehr Aufklärung und eine bessere Versorgung von Menschen, die möglicherweise Opfer von K.-o.-Tropfen geworden sind. Ähnlich wie es in Frankreich geplant ist, sollten entsprechende Tests auch in Deutschland kostenlos und schnell verfügbar sein. Insgesamt brauche es mehr und effektivere Maßnahmen zum Schutz vor sexueller Gewalt – auch mit Blick auf das Thema K.-o.-Tropfen, sagte die Juniorprofessorin der TU Chemnitz der Deutschen Presse-Agentur. «Mir erscheint es so, dass sich viele Betroffene alleingelassen fühlen mit dem Thema.»

Auch wenn es bisher relativ geringe Fallzahlen zu tatsächlich Betroffenen gebe, wiesen einzelne Erfahrungsberichte und nachgewiesene Einzelfälle darauf hin, dass K.-o.-Tropfen auch im häuslichen Bereich eingesetzt werden. Die Gefahr, Opfer solcher Substanzen zu werden, beschränke sich daher nicht auf Besuche von Clubs, Kneipen und Festen. «Ich habe auch Sorgen um den häuslichen Bereich.» Förster erinnerte an den aufsehenerregenden Fall von Gisèle Pelicot in Frankreich. Sie war von ihrem Ehemann vielfach mit Medikamenten betäubt, missbraucht und Fremden zur Vergewaltigung angeboten worden.

Hohe Dunkelziffer vermutet – Warum manche Opfer schweigen

Auch in Deutschland machen Fälle Schlagzeilen, in denen Menschen mit K.-o.-Tropfen betäubt werden, um sie zu missbrauchen oder auszurauben. In Berlin wurde im Dezember ein Mann zu Haft verurteilt, weil er einem 52-Jährigen bei einem Date über eine Dating-Plattform K.-o.-Tropfen ins Getränk gemischt hatte, um ihn auszurauben. Das Opfer verstarb daraufhin. Ein Serienvergewaltiger in Erfurt wurde zu mehr als zwölf Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt, weil er Frauen mit solchen Tropfen betäubt und vergewaltigt hatte.

Förster erklärte, dass es bisher keine zuverlässige Datenbasis zum Missbrauch solcher Substanzen gibt. Es gibt jedoch Hinweise auf eine bisher nicht abschätzbare Dunkelziffer. Denn diese Stoffe sind nur innerhalb weniger Stunden nachweisbar. Außerdem ist das Thema für die Opfer sehr schambehaftet. Im privaten Umfeld möchte kaum jemand bei bloßem Verdacht seinen Partner oder seine Partnerin anzeigen.

Warnung vor Täter-Opfer-Umkehr

Aus ihrer Sicht müssten etwa Ärzte bei Verdachtsmomenten gezielter Tests anbieten und über das Thema aufklären. Wichtig sei besonders, dass Patienten und Patientinnen mit einem solchen Verdacht ernst genommen und ihnen nicht in einer Täter-Opfer-Umkehr die Schuld an dem Vorfall gegeben werde – etwa durch Vorwürfe wie «trink halt nicht so viel» oder «zieh dir etwas Anständiges an». Das Phänomen sei aus dem Bereich der häuslichen Gewalt bekannt. 

Auch sollten Beschäftigte in Kneipen und Bars stärker für das Thema sensibilisiert werden, um bei entsprechenden Anzeichen einzugreifen und Schlimmeres zu verhindern. «Ein solches proaktives Verhalten, könnte dazu beitragen, dass wir mehr Daten zu dem Thema erhalten und somit gezieltere Maßnahmen ableiten können», erklärte Förster. Helfen könnten nach Ansicht der Forscherin auch Aufklärungskampagnen per Plakat oder Postkarte, um den Menschen – vor allem Frauen – diese Gefahren stärker bewusst zu machen. 

Solche Kampagnen sollten jedoch nicht zur Panikmache genutzt werden, sondern auf einen bewussten Umgang mit dem Thema abzielen. Zugleich könnten sie auf freiwillig konsumierte Betäubungs- und Rauschmittel wie Alkohol oder Marihuana hinweisen. Denn auch ihr übermäßiger Konsum könne einen nicht beabsichtigten «Knock-out-Effekt» haben, erklärte Förster. 

Polizei: So können Sie sich schützen

In Sachsen sind laut dem dortigen Landeskriminalamt im Jahr 2023 insgesamt 60 Straftaten im Zusammenhang mit K.-o.-Tropfen erfasst worden – nach 50 und 47 in den Vorjahren 2022 und 2021. Zahlen für 2024 liegen den Angaben nach noch nicht vor. «Ganz sicher besteht ein großes Dunkelfeld, denn viele Opfer haben Hemmungen, schämen sich und verzichten daher auf eine Anzeige», so die Ermittler. Die Wirkung der Substanzen trete schon nach zehn bis zwanzig Minuten ein und mache das Opfer willenlos, unter Umständen gar bewusstlos. 

Laut dem Bundeskriminalamt (BKA) gibt es keine bundesweiten Zahlen zur missbräuchlichen Verwendung von K.o.-Tropfen. Diese Fälle werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundes nicht erfasst.

Die Polizei rät, beim Besuch von Veranstaltungen, Volksfesten und Festivals Getränke nie unbeaufsichtigt zu lassen. Angebotene Getränke sollten nur original verschlossen angenommen werden. Zudem sollte man auf geringste Geschmacks- und Geruchsveränderungen achten. Bei Verdacht auf K.-o.-Tropfen seien umgehend Polizei und Rettungsdienst zu rufen. «Fühlen Sie sich für Ihre Freunde verantwortlich, achten Sie aufeinander, auch auf ungewöhnliche Verhaltensänderungen.»

Bundesratsinitiative für härtere Strafen

Zusammen mit Kollegen hat Förster ein Forschungsprojekt gestartet, um mehr Licht ins Dunkel rund um den Missbrauch von K.-o.-Tropfen zu bringen. Dazu können Betroffene ab dem 14. Lebensjahr in Deutschland, Österreich und der Schweiz in einer anonymen Online-Umfrage über ihren Wissensstand und eigene Erfahrungen Auskunft geben. Bisher gebe es etwa 500 Rückmeldungen, sagte Förster. «Das zeigt: Es gibt offensichtlich großen Gesprächsbedarf.» Sie hoffe, dass sich noch mehr Menschen beteiligen, um eine breite Datenbasis zu erhalten. 

Der Berliner Senat hat jüngst eine Bundesratsinitiative beschlossen, die härtere Strafen bei der Verwendung von K.-o.-Tropfen und anderer Substanzen vor allem bei Sexualdelikten vorsehen. Hauptziel ist es, solche Mittel im Strafgesetzbuch als «gefährliche Werkzeuge» zu verankern. Aus Sachsen kommt dafür Unterstützung. Der Einsatz von chemisch wirkenden Flüssigkeiten könne ein ebenso großes Gefahrenpotenzial beinhalten wie der Einsatz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen, erklärte das Justizministerium in Dresden auf dpa-Anfrage. Daher unterstütze das Ministerium diese Initiative.

dpa