Mehr als 5.000 Menschen werden zu Kundgebungen erwartet, um gegen Polizeigewalt und Rassismus zu demonstrieren.
Proteste nach tödlichen Polizeischüssen in Oldenburg
Die tödlichen Polizeischüsse auf einen 21-Jährigen in Oldenburg lösen bundesweit Mitgefühl und Entsetzen aus. «Wir hören von Mahnwachen, Demos und Aktionen für Lorenz in ganz Deutschland. Das bedeutet uns viel», teilte die Initiative «Gerechtigkeit für Lorenz» auf Instagram mit.
Mehr als 5.000 Menschen werden heute Abend (18 Uhr) zu einer Kundgebung und einem Rundgang in Oldenburg erwartet, wie die Stadt mitteilte. Die Polizei rechnet am späten Nachmittag und Abend mit teils erheblichen Verkehrsbehinderungen. Auch in zahlreichen anderen Städten wie Berlin, Hannover, Braunschweig, Düsseldorf, Bochum, Frankfurt, Stuttgart, München und Wien wird zeitgleich zu Demonstrationen aufgerufen.
Fünf Kugeln in Richtung von Lorenz
Ein Polizist hatte in der Nacht zu Ostersonntag fünfmal in Richtung des 21-Jährigen in der Oldenburger Fußgängerzone geschossen. Laut der Obduktion wurde Lorenz an der Hüfte, am Oberkörper und am Kopf verletzt. Drei Schüsse trafen ihn von hinten, ein vierter Schuss soll ihn am Oberschenkel gestreift haben.
Laut den Ermittlern hatte der Deutsche zuvor vor einer Diskothek Reizgas versprüht und mehrere Personen leicht verletzt. Anschließend flüchtete der Angreifer. Als Streifenpolizisten versuchten, ihn festzunehmen, sei er bedrohlich auf die Beamten zugegangen und habe Reizgas in ihre Richtung gesprüht.
Der 27-jährige Schütze wurde vorübergehend suspendiert. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg leitet ein Verfahren wegen Totschlags gegen den Beamten ein. Beides ist in solchen Fällen üblich.
Familie wünscht sich friedlichen Protest
Die Familie und die Angehörigen bitten darum, dass die Kundgebungen friedlich bleiben. «Sie wünschen sich einen klaren, würdevollen Protest – ohne Eskalation», betonte die Oldenburger Initiative. «Denn dieser Protest ist für die, die nicht mehr sprechen können und für Lorenz! Und für Menschen, die mit ihrer Trauer leben müssen. Ihre Stimmen sollen gehört werden – nicht übertönt von Gewalt.»
Auch die Stadt, die Polizei und das niedersächsische Innenministerium appellieren, sich friedlich zu verhalten. «Es ist eine aufgeheizte Stimmung in der Stadt», sagte ein Sprecher des Innenministeriums. «Wir hoffen aber sehr, dass eben heute Abend alles in einem friedlichen Rahmen bleibt.»
«Gerechtigkeit für Lorenz» in sozialen Medien
In den sozialen Medien wächst derweil der Unmut. Viele befürchten, dass die Schüsse auf den Schwarzen einen rassistischen Hintergrund haben könnten. Unter den Hashtags #gerechtigkeitfürlorenz und #justiceforlorenz mehren sich Stimmen gegen Polizeigewalt und Rassismus. «Das war kein Einzelfall – das war tödliche Polizeigewalt», heißt es etwa auf Instagram. Oft zu sehen ist ein Foto des Toten mit dem Zitat: «Wer vier Schüsse von hinten abgibt, will nicht stoppen – sondern töten!»
Tödliche Polizeischüsse wie in Oldenburg kommen in Niedersachsen selten vor. «Das ist nicht an der Tagesordnung», versicherte ein Sprecher des Innenressorts. Seit der Jahrtausendwende seien pro Jahr höchstens ein oder zwei Einsätze tödlich ausgegangen. Eine Ausnahme ist das Jahr 2020: Damals erschossen niedersächsische Polizisten bei drei Einsätzen Menschen. In der Regel könnten brenzlige Situationen jedoch ohne tödliche Schüsse gelöst werden, betonte der Sprecher.