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Gut jeder dritte Fernzug der Deutschen Bahn 2024 verspätet

An unpünktliche Züge haben Reisende sich fast gewöhnt. Mit einem großen Sanierungsprogramm will die Bahn gegensteuern. 2024 haben die Fahrgäste davon allerdings noch nicht viel gespürt.

Zu Beginn der Fußball-Europameisterschaft war fast jeder zweite Fernzug der Deutschen Bahn verspätet. (Archivbild)
Foto: Fabian Sommer/dpa

Im vergangenen Jahr war mehr als jeder dritte Fernzug der Deutschen Bahn (DB) unpünktlich. Laut einem Sprecher des Unternehmens erreichten 37,5 Prozent der Halte mit einer Verspätung von mehr als 5:59 Minuten ihr Ziel; 62,5 Prozent der ICE- und IC-Züge waren hingegen pünktlich. Dies stellt die Deutsche Bahn so unpünktlich dar wie seit mindestens 21 Jahren nicht.

Der Konzern hat auf Anfrage Daten bis zum Jahr 2003 bereitgestellt. Bislang betrug der niedrigste Wert 64 Prozent im Jahr 2023, nach 65,2 Prozent im Vorjahr. Der Höchstwert lag bei 84,3 Prozent im Jahr 2004.

«80 Prozent aller Verspätungen im Fernverkehr sind auf die veraltete und störanfällige sowie überlastete Infrastruktur zurückzuführen», sagte der Sprecher. 

Gemäß der Definition wird ein Halt als pünktlich betrachtet, wenn der Zug weniger als 6:00 Minuten Verspätung hat. Im Regionalverkehr traf dies auf 90,3 Prozent der Züge zu – im Vergleich zu 91,0 Prozent im Jahr 2023. Im Jahr 2020 wurden noch 95,6 Prozent der Halte im Regionalverkehr und 81,8 Prozent im Fernverkehr rechtzeitig erreicht.

Zugleich wies der Sprecher auf das aktuelle Sanierungsprogramm der Bahn hin. Bis 2030 will der Konzern 41 vielbefahrene Korridore grundlegend sanieren. Den Anfang machte die Bahn 2024 mit dem Abschnitt zwischen Frankfurt und Mannheim – der sogenannten Riedbahn. Die Generalsanierungen sollen auch für pünktlichere Züge sorgen. «Bis Ende 2027 will die DB die Pünktlichkeit der ICE- und IC-Züge auf 75 bis 80 Prozent steigern», sagte der Sprecher.

Bahn-Manager dämpft Erwartung an schnelle Besserung

Die Hoffnung der Fahrgäste auf eine schnelle und breite Wirkung der Riedbahn-Sanierung im Fernverkehr hatte der zuständige Manager der Deutschen Bahn, Philipp Nagl, zuletzt im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur jedoch gedämpft. Der Effekt auf den Nahverkehr werde zwar merklich sein. Mit Blick auf die Fernverkehrszüge und die 10.000 Schienenkilometer, die sie befahren, sagte er jedoch: «Da werden die 70 Kilometer natürlich jetzt nicht die Welt verändern. Aber sie sorgen für eine gute Portion Stabilität im System.»

Die Deutsche Bahn habe 2024 knapp 17 Milliarden Euro in die Infrastruktur investiert, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bahn-Infrastrukturgesellschaft InfraGo. Das sei so viel wie seit Jahren nicht. «Wenn wir jetzt die nächsten zwei, drei Jahre auf diesem Niveau weiter investieren, dann wird man im ganzen Netz in der Breite spüren, dass die Störanfälligkeit der Infrastruktur sinkt und die Qualität des Zugverkehrs zunimmt.»

Über die Weihnachtsfeiertage lief der Bahnverkehr laut dem Unternehmen weitgehend stabil, reibungslos und überraschend pünktlich. Am 24. und 25. Dezember betrug die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr laut früheren Angaben der DB mehr als 80 Prozent. Die Züge waren also deutlich pünktlicher als im Durchschnitt des Jahres.

Bahn musste Entschädigungen in dreistelliger Millionenhöhe zahlen

Möglicherweise lag dies hauptsächlich an der geringeren Bautätigkeit während der Feiertage sowie am geringeren Güterverkehr, mit dem sich die Fernzüge die Gleise teilen. Darüber hinaus konnte die Bahn aufgrund neuer Züge in diesem Jahr ihr Sitzplatzangebot im Fernverkehr erweitern.

Die ständigen Verspätungen im Fernverkehr gehen vielen Kundinnen und Kunden nicht nur auf die Nerven, sondern kosten der Deutschen Bahn auch viel Geld. Bahn-Chef Richard Lutz sagte dem «Tagesspiegel» kürzlich, für Entschädigungen an Fahrgäste werde 2024 «ein deutlich dreistelliger Millionenbetrag» fällig.

Während der EM spottete man im Ausland zum Teil über die DB

Die DB war besonders unzuverlässig im Juni. Fast die Hälfte der Züge hatte Verspätung. Die Pünktlichkeitsquote betrug 52,9 Prozent.

Aufgrund des Beginns der Fußball-Europameisterschaft in diesem Monat wurde die Deutsche Bahn im Ausland teilweise verspottet. Die Unzuverlässigkeit der Bahn betraf sowohl Fans als auch Teams.

Die niederländische Mannschaft musste aufgrund einer mehr als zweistündigen Verspätung kurzfristig mit dem Flugzeug statt mit dem Zug zum Halbfinale reisen. Zu Turnierbeginn strandeten zeitweise Hunderte österreichische Fans in Bayern, da eine Baustelle nicht rechtzeitig fertig wurde. Turnierchef Philipp Lahm verpasste aufgrund von Bahnproblemen den Anpfiff eines Spiels in der Gruppenphase.

Die Bahn nannte als Ursache für die schlechte Leistung im Juni, dass es in mehreren Regionen zu Überflutungen, Dammschäden und Hangrutschen gekommen sei, die sich auch auf den Bahnverkehr auswirkten.

Baustellen führen zu Umleitungen und längeren Fahrten

Es wird noch eine Weile dauern, bevor wieder mehr Züge der Deutschen Bahn pünktlich sind. Zu Beginn müssen die Fahrgäste aufgrund der zahlreichen Bauarbeiten Umleitungen akzeptieren.

Ab August wird die wichtige Fernverkehrsstrecke zwischen Berlin und Hamburg für neun Monate aufgrund von Generalsanierung gesperrt. Die Umleitung über Uelzen (Niedersachsen) und Salzwedel (Sachsen-Anhalt) führt zu einer Verlängerung der Fahrzeit um mindestens 45 Minuten.

dpa