Ein halbes Jahr ist es her, dass für Boris Becker eine drohende Aussicht zur Gewissheit wurde: Sein Leben spielt sich seitdem hinter Gittern ab – und wird es auch noch bis auf weiteres.
Hinter Gittern: So geht es Boris Becker nach sechs Monaten in Haft!
Keine 70 Kilometer liegen zwischen den Schauplätzen der Höhen und Tiefen im Leben von Boris Becker. Auf dem Centre Court von Wimbledon feierte der Ausnahmesportler schon als 17-Jähriger unter den Augen der Weltöffentlichkeit seinen spektakulären Triumph und schrieb Tennis-Geschichte.
Das wohl dunkelste Kapitel seines Lebens spielt sich nun an einem unscheinbaren Ort zwischen London und Oxford ab: Boris Becker musste sein Zuhause im wohlhabenden Londoner Westen gegen das Huntercombe-Gefängnis eintauschen. Ein halbes Jahr sitzt der 54-Jährige am 29. Oktober hinter Gittern.
Becker war am 29. April am Londoner Southwark Crown Court zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte seinen Insolvenzverwaltern Vermögenswerte in Millionenhöhe verschwiegen.
Prozess wochenlang in den Schlagzeilen
Der Prozess beherrschte im Frühjahr wochenlang die Schlagzeilen. Tagein, tagaus kam Becker mit Partnerin Lilian in den Londoner Southwark Crown Court, ließ die Strapazen des Verfahrens über sich ergehen, wartete tagelang auf den Fluren des tristen Gerichtsbaus auf das Urteil der Geschworenen – und wurde schließlich in einem weißen Transporter ins berüchtigte Wandsworth-Gefängnis im Londoner Süden gebracht. Die für Überfüllung, Dreck und Gewalt bekannte Haftanstalt blieb immerhin nur eine Zwischenstation. Seit mehr als fünf Monaten ist Becker nun im Huntercombe-Gefängnis, das unter eine niedrigere Sicherheitsstufe fällt.
In der Anstalt für straffällig gewordene Männer aus dem Ausland haben die Insassen größere Freiheiten als unter den Hochsicherheitsbedingungen in Wandsworth. Seit sich die Welt an den Gedanken gewöhnt hat, dass der einstige Tennis-Star nun dort seine Zeit verbringt, ist es ruhig um ihn geworden. «Unserem Mandanten, Boris Becker, geht es weiterhin den Umständen entsprechend gut und er fügt sich konstruktiv in den Gefängnisalltag ein», heißt es auf dpa-Anfrage vom deutschen Anwalt Christian-Oliver Moser. Becker könne jederzeit telefonieren und mit seiner Außenwelt kommunizieren.
Mal- und Maurerkurse im Gefängnis
Den Online-Angaben des Gefängnisses zufolge leben in Huntercombe rund 480 Männer in Einzel- sowie Gemeinschaftszellen. Wer drin sitzt, soll jedoch auch die Möglichkeit haben, sich weiterzubilden und Sport zu treiben, sogar Mal- und Maurerkurse stehen auf dem Programm. Ob Becker davon Gebrauch macht, bleibt Spekulation. «Weitere Details seines Gefängnisaufenthalts unterliegen der geschützten Privatsphäre», heißt es vom Anwalt.
Ebenfalls ungewiss ist, wann Becker die Haft verlassen darf und wie sein Leben danach weitergeht. Beim Urteil hieß es, die zweite Hälfte der Haftstrafe – also unter Umständen 15 Monate – könne voraussichtlich auf Bewährung ausgesetzt werden.
«Ebenso ist derzeit unklar, ob und gegebenenfalls wann er nach Deutschland abgeschoben wird», schreibt Beckers Anwalt Moser. Das britische Innenministerium wollte die Causa Becker im Frühsommer nicht kommentieren, erklärte aber allgemein: «Jeder ausländische Staatsbürger, der wegen einer Straftat zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, kommt für eine Abschiebung zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Betracht.»
Anwalt: «Keine Planungen über zukünftigen Wohnort»
Becker lebte vor der Haft zwar rund zehn Jahre in seiner Wahlheimat London, besitzt jedoch nicht die britische Staatsbürgerschaft. In seiner Heimat Deutschland ist er in den vergangenen Jahren immer wieder auch wegen seiner privaten Eskapaden zum Ziel von Spott und Schadenfreude geworden.
In Großbritannien war er vor seiner Gefängnisstrafe dagegen nach wie vor hoch geschätzt und als kundiger Wimbledon-Kommentator bei der BBC bekannt. Es gebe «bisher auch keine konkreten Planungen über seinen zukünftigen privaten Wohnort», so Anwalt Moser. Auch die BBC ließ offen, ob Becker sein Gesicht in Zukunft wieder am Rande des Centre Courts in die Kamera halten darf.
In Wimbledon würde man solch ein Comeback sicherlich begrüßen: Die US-Tennis-Legende John McEnroe schickte in diesem Jahr zum Auftakt des Rasen-Klassikers eine leidenschaftliche Botschaft in Richtung Gefängnis. «Boris, wir lieben dich», sagte der 63 Jahre alte Amerikaner als Experte während der BBC-Übertragung des Grand-Slam-Turniers. «Wir vermissen dich, Mann.»