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Niedrigste Inflationsrate seit einem halben Jahr in Deutschland

Deka-Chefvolkswirt sieht Inflation gebändigt, trotz hartnäckiger Preisanstiege bei Dienstleistungen und steigenden Lebensmittelpreisen.

Viele Verbraucher haben mit der Preiswelle der vergangenen Jahre an Kaufkraft verloren (Archivbild)
Foto: Jan Woitas/dpa

Die Inflationsrate in Deutschland ist überraschend auf den niedrigsten Stand seit über einem halben Jahr gesunken. Im Juni lagen die Verbraucherpreise um 2,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilt. So niedrig war die Teuerung zuletzt im Oktober. Im Mai hatte die Rate noch 2,1 Prozent betragen.

Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater sieht die Inflation gebändigt: «Die Zinsen sind gefallen, die akute Inflationsbedrohung ist vorbei.» Zum Sinken der Inflationsrate trug erneut billigere Energie bei (-3,5 Prozent), allerdings flacht der Rückgang langsam ab. Auch der Konflikt zwischen Israel und Iran, der die Preise für Rohöl und Sprit zeitweise kräftig nach oben getrieben hatte, blieb weitgehend folgenlos. Lebensmittel verteuerten sich noch um 2,0 Prozent nach einem Plus von 2,8 Prozent im Mai. 

Die Inflation bei Dienstleistungen, darunter Versicherungen, Pauschalreisen und Autoreparaturen, bleibt hartnäckig. Im Juni stiegen die Preise für Dienstleistungen um 3,3 Prozent – eine Folge gestiegener Löhne. Die Verbraucherpreise insgesamt stagnierten von Mai auf Juni dieses Jahres.

Preiswelle mit Ukraine-Krieg

Trotz der moderaten Inflationsrate bemerken Verbraucher in Deutschland, wie deutlich die Preise beim täglichen Einkauf gestiegen sind. Butter, Schokolade, Obst und Gemüse haben sich beispielsweise stärker verteuert als der gesamte Warenkorb.

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 stieg die Inflation stark an, die Preise für Energie und Lebensmittel stiegen rapide. Im Jahr 2022 lag die Inflationsrate im Durchschnitt bei 6,9 Prozent und im Jahr 2023 bei 5,9 Prozent, bevor sie im vergangenen Jahr auf 2,2 Prozent zurückging. Viele Verbraucher haben infolgedessen an Kaufkraft verloren. Sie können sich für einen Euro weniger kaufen.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht trotz der erneuten Abnahme weiter hohe Inflationsrisiken. «Ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel ist die Inflation im Juni kaum gefallen und liegt nach wie vor über dem EZB-Ziel von zwei Prozent.» Diese «Kerninflation» lag laut der Statistiker im Juni bei 2,7 Prozent – nach 2,8 Prozent im Vormonat. 

Risikofaktor Zollstreit

Die aggressive Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump hat die Zukunft der Inflation unsicherer gemacht. Möglicherweise werden Zölle auf Industriegüterpreise auswirken und letztendlich Verbraucher betreffen. Die EU bemüht sich in Verhandlungen mit Washington, einen Handelskrieg zu vermeiden.

Auch die geplanten Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur könnten die Inflation in Deutschland beeinflussen. Einige Ökonomen erwarten, dass die Preise steigen werden, da mit den zusätzlichen Mitteln auch eine zusätzliche Nachfrage geschaffen wird. Auf der anderen Seite wirkt der starke Euro preisdämpfend: Durch seine kräftige Aufwertung gegenüber dem Dollar verbilligt er tendenziell Importe nach Deutschland.

2,0 Prozent auch im Gesamtjahr? 

Die Bundesbank prognostiziert, dass die Inflationsrate in Deutschland in den nächsten Monaten um die Zwei-Prozent-Marke schwanken wird. Dies würde der Zielmarke der Europäischen Zentralbank entsprechen, die bei diesem Wert von Preisstabilität ausgeht. Ökonomen, einschließlich des Sachverständigenrats («Wirtschaftsweise»), erwarten, dass ein Wert um zwei Prozent auch im Jahresschnitt 2025 erreicht wird.

dpa