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Inselweiter Ausfall – Kuba in Dunkelheit gehüllt

Kubas Energiekrise spitzt sich zu, die leidgeprüfte Bevölkerung sitzt in der Finsternis. Das passiert nicht zum ersten Mal. Die Frage ist, wie lange es diesmal andauern wird.

Das Stromnetz ist landesweit komplett zusammengebrochen.
Foto: Ramon Espinosa/AP/dpa

Jeder Kubaner kennt das Geräusch, wenn der Strom ausfällt. Es ist weniger ein Geräusch als das plötzliche Nachlassen eines ständigen, leisen Brummens – ähnlich wie das Herunterfahren eines Computers. Dann beginnt das Pfeifen der Polizisten, die an den größeren Kreuzungen wegen des Ausfalls der Ampeln den Verkehr leiten.

Die Einwohner des Karibikstaats sind mit all dem vertraut, da ihre Heimat seit einigen Jahren unter einer schweren Energiekrise leidet. In Teilen der von der Kommunistischen Partei regierten Insel fällt der Strom regelmäßig mehr als zwölf Stunden am Tag aus – vor allem in der heißesten Zeit des Jahres, wenn der Bedarf am größten ist. Die Wärmekraftwerke sind alt und in einem schlechten Zustand, es mangelt an Kraftstoff und an den Ressourcen für eine angemessene Wartung. Nun ist das Netz zusammengebrochen und die Elektrizität im ganzen Land ausgefallen.

In Havannas Hauptstadt sitzen viele Menschen vor ihren Häusern, auf öffentlichen Plätzen oder auf der Ufermauer am Meer zusammen, während die einsetzende Freitagnacht die Metropole in Dunkelheit hüllt. Stimmen und Gelächter sind aus verschiedenen Richtungen zu hören. Nur Hotels und Krankenhäuser, die Generatoren haben, sind beleuchtet. Ansonsten spenden Autoscheinwerfer helles Licht. Fußgänger schalten ihre Taschenlampen an, um auf den brüchigen und rutschigen Gehwegen nicht zu stürzen oder umzuknicken, solange ihre Handys noch aufgeladen sind.

Krise verschärft sich

In Havanna treten seltener Stromausfälle auf als im Rest des Karibikstaates, insbesondere in touristischen Stadtvierteln. Allerdings hat sich die Krise zuletzt verschlimmert, da nur noch gut die Hälfte des Strombedarfs des Landes gedeckt werden konnte. Auch in der Hauptstadt gab es diese Woche jeden Tag mehrere Stunden lang Stromausfälle. Am Donnerstagabend (Ortszeit) kündigte die Regierung Maßnahmen zur Einsparung von Strom und Treibstoff an. Nicht unbedingt notwendige Aktivitäten sollen vorübergehend eingestellt werden.

Ministerpräsident Manuel Marrero präsentiert die Maßnahmen in einer Fernsehansprache, die aufgrund technischer Probleme bei der Verbindung zwischen Havanna und Santiago de Cuba, der zweitgrößten Stadt des Landes, mit einer Verspätung von etwa zwei Stunden beginnt. Als Marrero schließlich erscheint, ist die Übertragung gestört, sodass viele seiner Worte nicht gehört werden können. Dies führt zu Spott und Ärger in den sozialen Medien – für einige Kubaner verdeutlicht der missglückte Auftritt die Inkompetenz der Regierung. Dann, am Freitagvormittag, fällt laut Regierungsangaben eines der wichtigsten Kraftwerke unerwartet aus und verursacht einen totalen Stromausfall.

Regierung macht USA verantwortlich

Präsident Miguel Díaz-Canel schreibt auf der Plattform X, der «Wirtschaftskrieg» der USA sei die Hauptursache für Kubas «Energienotstand», weil er es dem Karibikstaat erschwere, Kraftstoff und andere für die Stromerzeugung nötige Dinge zu importieren. Die autoritär regierenden Kommunisten machen die Sanktionen des großen Nachbarlandes, die sie «Blockade» nennen, für viele Probleme auf Kuba verantwortlich. Das US-Handelsembargo gegen Kuba besteht seit mehr als 60 Jahren. Hinzu kommen weitere Sanktionen – Kuba ist auch eines von nur vier Ländern auf der Liste des US-Außenministeriums der staatlichen Förderer des Terrorismus.

Für die gegenwärtige Wirtschaftskrise, eine der schwersten seit der Revolution um Fidel Castro von 1959, gibt es jedoch auch andere Gründe: zu wenig Tourismus, geringere Unterstützung durch das verbündete Venezuela aufgrund der dortigen Krise und nicht zuletzt die ineffizient organisierte Wirtschaft. Fast alles muss importiert werden – selbst das wichtige Produkt Zucker reicht nicht mehr für den internen Bedarf. Es fehlt dem Einparteienstaat jedoch an Devisen. Neben Lebensmitteln und Kraftstoff sind unter anderem auch Medikamente knapp. Massenhaft verlassen die Kubaner das Land. Allein in den Jahren 2022 und 2023 schrumpfte die Bevölkerung nach offiziellen Zahlen um fast zehn Prozent.

Landesweiter Ausfall zuletzt nach Hurrikan

Das bisher letzte Mal, als es einen inselweiten Stromausfall gab, war nach dem Durchzug des Hurrikans «Ian» vor gut zwei Jahren. Damals dauerte es für die meisten Haushalte in Havanna fünf Tage, bis die Lichter wieder angingen. Viele verloren dadurch das wenige Essen, das sie im Kühlschrank oder in der Tiefkühltruhe hatten. Es kam zu mehreren kleinen Protesten – die sind auf Kuba selten und werden immer schnell von den Sicherheitskräften gewaltsam beendet.

Die bisher größten Proteste seit der Revolution fanden am 11. und 12. Juli 2021 statt. Tausende Menschen demonstrierten für Freiheit und gegen Misswirtschaft, ein Anlass waren damals aber auch Stromausfälle. Um mögliche Demonstrationen zu verhindern, zeigt die Polizei in Havanna nun verstärkte Präsenz. Es gibt bisher keine Anzeichen dafür, dass erneut Massenproteste stattfinden werden – wahrscheinlich auch, weil Hunderte der Demonstranten von vor drei Jahren im Gefängnis sind und die meisten bekannten Dissidenten entweder ebenfalls in Haft oder im Exil sind.

Die Kubaner sitzen also zusammen in der Dunkelheit und versuchen, das Beste aus einer schlechten Situation zu machen – etwas, worin sie Meister sind. Allerdings ist es schwer zu schlafen wegen der Hitze, ohne Ventilator oder Klimaanlage. Die Ruhe hängt wohl auch davon ab, wie lange es dauert, bis die Lichter wieder angehen. Präsident Díaz-Canel versichert, dass unermüdlich an der Behebung des massiven Stromausfalls gearbeitet wird. Der Energienotstand wird jedoch auch danach fortbestehen.

dpa