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Italien diskutiert über Waldfamilie – Weihnachten getrennt?

Die Familie lebte abseits der Zivilisation im Wald, nun sind die Kinder im Heim: Der Fall der «Waldfamilie» beschäftigt zu Weihnachten Italien. Auch Vize-Ministerpräsident Salvini meldet sich zu Wort.

Matteo Salvini spricht von «Schande». (Archivbild)
Foto: Antonio Calanni/AP/dpa

Die Geschichte einer fünfköpfigen Familie, die in den Abruzzen isoliert in einem Steinhaus ohne fließendes Wasser und Strom lebte, berührt viele Menschen in Italien. Die sogenannte Waldfamilie, über die das Land seit Wochen diskutiert, wird wahrscheinlich Weihnachten nicht zusammen zu Hause im Wald feiern können.

Die Behörden hatten aufgrund der Lebensumstände im November vorübergehend das Sorgerecht für die drei Kinder des britisch-australischen Elternpaares entzogen und das achtjährige Mädchen sowie die zwei sechsjährigen Zwillingsgeschwister vorläufig in einem Heim untergebracht. Der Einspruch der Eltern gegen diesen Beschluss des Jugendgerichts von L’Aquila wurde zuletzt vor dem Berufungsgericht abgewiesen.

Heftige Debatte bis in Italiens Regierung 

Das hat die Debatte erneut angeheizt – der Fall wird zum Politikum. «Für diese Richter gibt es nur ein Wort: Schande», kommentierte der Vize-Ministerpräsident und Chef der rechten Regierungspartei Lega, Matteo Salvini, auf der Plattform X. «Kinder sind kein Eigentum des Staates, sie müssen mit der Liebe ihrer Mutter und ihres Vaters leben und aufwachsen können.»

https://x.com/matteosalvinimi/status/2001986109459529888

Die rechte Politikerin Michela Vittoria Brambilla (Forza Italia) wetterte im «Corriere della Sera», es sei «wirklich unerträglich», dass die Kinder nicht einmal zu Weihnachten nach Hause dürften. Die Trennung von den Eltern dürfe nur allerletztes Mittel sein. Es müsse sorgfältig abgewogen werden, welcher Schaden dadurch entstehen könne.

Die örtliche Sektion der Nationalen Richtervereinigung schoss zurück: Die Arbeit der Richter, die zum Schutz der Minderjährigen eingeschritten seien, als «beschämend» zu bezeichnen, sei ein inakzeptabler Versuch der Delegitimierung. Er ziele offenkundig darauf, die Bürger vor dem Referendum zu der umstrittenen Justizreform zu beeinflussen, zitierte die Zeitung «Repubblica» den Vorstand. Es seien Überprüfungen nötig, ehe den Eltern die Verantwortung zurückgegeben werden könne. Dass Weihnachten dazwischenkomme, könne den Ablauf nicht ändern.

Es handelt sich bei der von Juristen-Organisationen abgelehnten Justizreform um eine Umstrukturierung der Laufbahnen von Richtern und Staatsanwälten, bei der die Politik indirekt mehr Einfluss auf Personalentscheidungen erhalten würde. Im Frühjahr soll das Volk darüber abstimmen.

Erstmals Dusche gesehen 

Die Eltern hatten sich entschieden, abseits der Konsumgesellschaft zu leben. Sozialdienste bewerteten die Situation im Wald jedoch als ungeeignet für die Kinder, auch aufgrund der hygienischen Bedingungen. Sie stellten fest, dass die Kinder sozial isoliert waren und Bildungsrückstände hatten, da sie nicht zur Schule gingen. Das achtjährige Mädchen konnte bisher weder Englisch noch Italienisch lesen und schreiben.

Laut Medienberichten hatten die Kinder im Heim erstmals elektrische Lichtschalter und eine Dusche kennengelernt. Die Mutter besucht die Kinder dort täglich, der Vater darf sie regelmäßig sehen.

Hoffen auf baldige Wiedervereinigung 

Die Anwälte der Familie zeigten sich laut dem «Corriere della Sera» zuversichtlich, dass die Familie bald wieder vereint werden könnte, da die Eltern Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Behörden und Sozialdiensten signalisierten. Das Jugendgericht müsse erneut entscheiden und die schon erzielten Veränderungen berücksichtigen. 

Ein Unternehmer, der den Vater vorübergehend aufgenommen hat, sagte der «Repubblica», der Mann sei sehr niedergeschlagen. Er scheine über den bisherigen Lebensstil ins Nachdenken zu gekommen zu sein: «Ich glaube, er hat ihn in dem Moment überdacht, als er mein Haus mit eigenem Bad und allem Komfort, wenn auch umweltfreundlich, angenommen hat», sagte der Unternehmer der Zeitung.

Der Fall begann vor etwa einem Jahr, als die Kinder mit einer Pilzvergiftung ins Krankenhaus kamen. Zu diesem Zeitpunkt geriet die Familie ins Visier des Jugendamtes.

dpa