Die Weltwirtschaft soll langsamer wachsen, Deutschland erwartet Nullwachstum. Handelsstreitigkeiten setzen Wirtschaftssystem unter Druck. Neue Ära.
Globaler Konjunkturabschwung erwartet,Deutschland mit Nullwachstum – IWF-Prognose
Der Internationale Währungsfonds erwartet aufgrund der aggressiven Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump eine weltweite Wachstumsverlangsamung und korrigiert auch die Prognose für Deutschland. Laut den Daten der neuen Konjunkturprognose geht der Fonds mit Sitz in Washington in diesem Jahr von einem Nullwachstum für die Bundesrepublik aus. Dies bedeutet eine Senkung um 0,3 Prozentpunkte im Vergleich zu den Annahmen vom Januar.
Der IWF hat auch seine Vorhersage für die Weltwirtschaft gesenkt. Sie soll mit 2,8 Prozent deutlich langsamer wachsen als noch im Januar prognostiziert (minus 0,5 Prozentpunkte). Die Weltwirtschaft werde auf eine «harte Probe» gestellt, schreibt IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas mit Blick auf die Handelsstreitigkeiten. Es handle sich um eine «neue Ära», das globale Wirtschaftssystem werde neu justiert.
So blickt der IWF auf Deutschland und den Euroraum
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer langen Phase der Schwäche. Gemäß der zentralen Prognose des IWF wird Deutschland auch in diesem Jahr wieder das Schlusslicht unter den G7-Industrienationen beim Wachstum sein. Während der IWF Deutschland in diesem Jahr Stillstand vorhersagt, hatten führende deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute immerhin ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) prognostiziert. Die geschäftsführende Bundesregierung plant erneut, ihre Konjunkturprognose zu senken und erwartet für dieses Jahr ebenfalls eine Stagnation.
Der IWF ist erst für das nächste Jahr optimistischer: Er prognostiziert dann ein Wachstum von 0,9 Prozent – das sind jedoch immer noch 0,2 Prozentpunkte weniger als im Januar vorhergesagt.
Das Wirtschaftswachstum im Euroraum wird in diesem Jahr voraussichtlich um 0,2 Prozentpunkte auf 0,8 Prozent im Vergleich zur Januarprognose sinken. Der IWF führt als Hauptgründe Unsicherheit und Zölle an. Im Jahr 2026 wird das Wachstum im Euroraum voraussichtlich bei 1,2 Prozent liegen (minus 0,2 Prozentpunkte). Steigender Konsum durch reale Lohnzuwächse und mehr finanzielle Spielräume in Deutschland aufgrund der Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung sollen für den Aufschwung sorgen.
Eine Prognose in einer außergewöhnlichen Lage
Der IWF betont, dass die globale Konjunkturprognose unter «besonderen Umständen» erstellt worden sei. Hintergrund ist das heftige Zollpaket, dass Trump am 2. April angekündigt hat und sowohl universelle als auch mittlerweile vorläufig ausgesetzte wechselseitige Zölle vorsieht. Die zu diesem Zeitpunkt fast abgeschlossenen Prognosen hätten über Bord geworfen werden müssen, so der Fonds. «Obwohl viele der geplanten Zollerhöhungen vorerst auf Eis gelegt wurden, hat die Kombination von Maßnahmen und Gegenmaßnahmen die Zollsätze in den USA und weltweit auf ein Jahrhunderthoch getrieben.»
Es wird berichtet, dass die Weltwirtschaft während der schweren Schocks der letzten vier Jahre erstaunlich widerstandsfähig war und immer noch erhebliche Spuren davon trägt. Es besteht nun die Gefahr, dass die Handelsspannungen durch Vergeltungsmaßnahmen weiter zunehmen und auch die Inflation wieder angeheizt werden könnte. Die Unsicherheit belastet das Wachstum. Der Fonds hat neben seiner zentralen Vorhersage, der sogenannten Referenzprognose, zwei weitere Prognosen vorgelegt.
Mehrere Prognosen wegen Zoll-Unsicherheit
Die Referenzprognose berücksichtigt alle Zollankündigungen bis zum 4. April. Demnach wächst die Weltwirtschaft dieses Jahr um genau 2,8 Prozent und im nächsten Jahr um 3 Prozent (minus 0,3 Prozentpunkte). Im Jahr 2024 betrug das Wachstum noch geschätzte 3,3 Prozent. Eine Prognose, die nur Zollankündigungen bis zum 12. März berücksichtigt – darunter eine erste Welle von US-Strafmaßnahmen gegen China, Kanada und Mexiko oder auch US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte – sieht das Wachstum in diesem und im nächsten Jahr bei 3,2 Prozent.
Eine modellgestützte Prognose, die auch Zollankündigungen nach dem 4. April wie die Pause bei wechselseitigen Zöllen berücksichtigt, prognostiziert das Weltwirtschaftswachstum in diesem Jahr auf etwa 2,8 Prozent und für 2026 auf etwa 2,9 Prozent. Dies entspricht ungefähr den Schätzungen für das globale Wachstum in der Referenzprognose, wenn auch mit einer anderen Zusammensetzung der Wachstumsraten in den einzelnen Ländern, so der Bericht. Keine der Prognosen sagt eine Rezession voraus. Die einzelnen Länderprognosen beziehen sich auf die Referenzprognose.
So blickt der IWF auf einzelne Länder:
- USA: Der Fonds hat die Prognose für die größte Volkswirtschaft der Welt deutlich nach unten korrigiert. In diesem Jahr soll das BIP um 1,8 Prozent wachsen (minus 0,9 Prozentpunkte), im kommenden um 1,7 (minus 0,4 Prozentpunkte). «Die Abwärtskorrektur ist das Ergebnis größerer politischer Unsicherheit, Handelsspannungen und eines schwächeren Nachfrageausblicks angesichts eines langsamer als erwarteten Konsumwachstums», so der IWF. Zu Jahresbeginn sei die Stimmung bei Verbrauchern, Unternehmen und Investoren noch optimistisch gewesen, das habe sich geändert.
- China: Auch bei der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sieht der IWF Korrekturbedarf nach unten. So soll Chinas Wirtschaft sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr um 4 Prozent wachsen (minus 0,6 Prozentpunkte/minus 0,5 Prozentpunkte). Neben der Schwäche des Immobiliensektors wird Chinas Wirtschaft dem IWF zufolge vor allem vom Handelsstreit mit den USA schwer belastet.
- Russland: Dort verliert das Wachstum im Vergleich zum vergangenen Jahr an Dynamik. Für dieses Jahr sagt der IWF 1,5 Prozent (plus 0,1 Prozentpunkte) voraus, 2026 sollen es 0,9 Prozent (minus 0,3 Prozentpunkte sein). Als Gründe nennt der Fonds, dass der private Konsum und Investitionen nachließen. Das Lohnwachstum verlangsame sich.
Das macht dem IWF Sorgen
Der IWF schaut mit großer Besorgnis auf die Handelspolitik. Eine Verschärfung des Handelskonflikts würde sich negativ auf das Wachstum der Weltwirtschaft auswirken, wenngleich einzelne Länder unterschiedlich getroffen würden. «Diejenigen, auf die die neuen Zölle direkt abzielen, wären am stärksten betroffen, vor allem China und die Vereinigten Staaten, aber mittelfristig auch eine große Anzahl von Ländern in Asien und Europa», so der IWF.
Im Gegensatz zum vorigen Jahrhundert ist die Weltwirtschaft heute wirtschaftlich und finanziell eng miteinander verbunden. Eine Unterbrechung dieser Lieferketten und Finanzströme könnte zu erheblichen wirtschaftlichen Störungen führen. Darüber hinaus führt die Verringerung des Wettbewerbs dazu, dass es weniger Anreize für Innovation gibt. Insgesamt erwartet der Fonds aufgrund der Zölle einen Rückgang der Gesamtproduktivität, was wiederum zu höheren Produktionskosten und Preisen führt.
So hat der Fonds auch seine Vorhersage für die Inflationsrate nach oben korrigiert. In den Industrienationen soll sie 2025 im Schnitt bei 2,5 Prozent (plus 0,4 Prozentpunkte) und im kommenden Jahr bei 2,2 Prozent (plus 0,2 Prozentpunkte) liegen. Zentralbanken streben in der Regel 2 Prozent an. Mit Blick auf die Konjunktur hält der Fonds fest: «Wenn die Länder ihre derzeitige Zollpolitik deeskalieren und sich abstimmen, um für Klarheit und Stabilität in der Handelspolitik zu sorgen, könnten sich die Aussichten sofort aufhellen.»