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Katzen an der Leine – Harmlos oder Gefahr fürs Tierwohl?

Viel Aufmerksamkeit ist Katzenbesitzern sicher, wenn sie mit ihrem Tier an der Leine durch die Straßen schlendern. Was viele vielleicht süß finden, kann für die Stubentiger extremen Stress bedeuten.

Aktuell werden immer mehr Katzen an der Leine durch Großstadtstraßen geführt. (Archivbild)
Foto: Paul Zinken/dpa

Influencer-generierte Trends betreffen auch Tiere, wie zum Beispiel Katzen, die aktuell immer häufiger an der Leine durch Großstadtstraßen geführt werden oder in Rucksäcke gesteckt und auf lange Ausflüge oder sogar in ferne Länder mitgenommen werden. Experten betrachten diesen Trend kritisch, da er die Vorstellung vermittelt, dass Katzen wie Hunde Gassi gehen können und dies immer genießen.

Angelika Firnkes von der Ludwig-Maximilians-Universität München sagt, dass es für unterforderte Wohnungskatzen eine Bereicherung sein kann, sich regelmäßig an Geschirr und Leine in einem sicheren, naturnahen Bereich in direkter Wohnungsnähe aufzuhalten. Spaziergänge an verschiedenen Orten, durch belebte Stadtparks, lange Wanderungen oder lange Transportstrecken seien jedoch nicht ratsam.

Beobachter, keine Dauerläufer

«Katzen sind Lauerjäger, sie durchstreifen durchaus ihr Revier, halten sich aber meist in ihren bevorzugten Jagdrevieren oder Rückzugsorten auf und nutzen auch häufig dieselben Wege», erklärt die Tierverhaltenstherapeutin. Selbst eine Tour etwa im ummauerten Innenhof sei nicht per se schön für jedes Tier: Auf Alter, Charakter und Gesundheit der Katze komme es ebenso an wie auf das Einfühlungsvermögen und die Trainingsbereitschaft des Halters.

Ebenso wie das Färben von Hunden (Doggy Dyeing), das Streicheln von Eulen in japanischen Cafés (Owl Cafe) oder das Halten von Minischweinen als Haustier (Teacup Pigs) sind Spaziergänge mit Hauskatzen ein kritisch zu sehender Trend. Großen Anteil am Interesse an diesen Themen haben Accounts wie «louieandtodd» und «nala_the_bengali» bei Instagram.

Petfluencer-Treffen im Park

Die junge Bengal-Mix-Katze Nala, die etwa 60.000 Follower hat, ist hauptsächlich in Landschaftsvideos zu sehen, wurde aber auch schon aufs SUP oder zum Flughafen-Training mitgenommen. Die beiden Britisch-Kurzhaar-Kater Prince Louie und Todd aus Chicago haben schon viel erlebt. Mit einer Häkelmütze auf dem Kopf, einer bunten Schleife um den Hals oder einem Katzenpulli bekleidet, sind sie viel gereist und werben erfolgreich für Katzenzubehör unter ihren über 170.000 Followern.

Die Kater im Central Park in New York werden von Menschen umringt, um mit anderen Petfluencer-Katzen ein Gruppenfoto zu machen. Sie besuchen Shopping-Malls, bekommen Milchschaum bei Starbucks und werden je nach Jahreszeit mit Hasenohren oder Weihnachtskostüm fotografiert.

Gestreichelt von hunderten Fremden

Todd war schon auf Osteuropa-Tournee und immer neue Videos zeigen, wie die beiden Kater scheinbar stoisch gelassen die Streicheleinheiten und Umarmungen unzähliger Fans und vermeintlicher Katzenliebhaber über sich ergehen lassen. «Süüüß», wird das in etlichen Kommentaren gefunden.

Die Petfluencer werden immer in entspannten Situationen gezeigt, kritische Situationen mit Hunden scheinen anscheinend nie vorzukommen. In sozialen Medien werden Versuche, es ihnen gleichzutun, oft unter Hashtags wie #CatOnALeash oder #LeashTrainingCats dokumentiert – auch solche, bei denen die Katze panisch an der Leine zieht oder ängstlich auf den Boden drückt und keinen Schritt macht.

Ein schönes Katzenleben?

Prinz Louie und Todd zeigen auf den Bildern und Videos keine Anzeichen von Stress – jedoch ist es unwahrscheinlich, dass sie begeistert von den knuddelnden Menschenmassen und den vielen Rucksack-Trips durch volle Straßen und Läden sind. Laut Moira Gerlach von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) sind Katzen im Allgemeinen ortstreue Tiere, und für die große Mehrheit von ihnen sind Transporte und Ortswechsel mit großem Stress verbunden.

«Falls es der Wunsch ist, dass man richtige Spaziergänge mit der Katze machen kann, ist eine Katze als Haustier sicherlich nicht die geeignete Wahl», betont die Leiterin des TVT-Arbeitskreises Hunde & Katzen. Denn auch wenn von Influencern gern betont wird, dass sich eine Katze genauso an der Leine führen lasse wie ein Hund: Das Bewegungsmuster der Tiere unterscheidet sich in Wahrheit ganz grundsätzlich.

Katzen bevorzugen es, von einem Versteck zum anderen zu laufen und in aller Ruhe ihre Umgebung zu beobachten. Wenn sie etwas Spannendes entdecken, können sie sofort losrennen. Sie klettern, balancieren, erkunden Nischen – alles in ihrem eigenen Tempo und nach ihren eigenen Wünschen.

Die Katze gibt die Richtung vor

Falls Besitzer einen Spaziergang an der Leine nach ausreichend Vorbereitung und geduldigem Training dennoch einmal testen möchten, sollte die Katze über das Erkunden der Umgebung bestimmen dürfen, sagt Gerlach. «Es sollte nicht um das Zurücklegen einer bestimmten oder festgelegten Strecke gehen.» Zu beachten sind auch Verletzungsrisiken etwa durch freilaufende Hunde.

«Katzen flüchten bei Gefahr meist in Richtung gewohnte Sicherheit, zum Beispiel zurück durch die nahegelegene Terrassentür oder in die Höhe», ergänzt Firnkes. Bei einer panisch flüchtenden Katze könne sich die Leine im Gebüsch oder oben im Baum verheddern und das Tier strangulieren.

Nichts zum nur mal Testen

Experten warnen davor, dass eine Katze so viel Freude an der Abwechslung beim Ausgang haben kann, dass sie ihn vehement und häufig einfordert. Laut Firnkes kann es zu Frustration führen, wenn Spaziergänge nur unregelmäßig oder gar nicht mehr stattfinden. Frustrierte Katzen könnten dann Verhaltensweisen wie Unsauberkeit oder das Bearbeiten von Möbelstücken und Türen zeigen.

Sehr deutliche Worte finden die beiden Haustier-Expertinnen für die Idee, Katzen im Rucksack mit auf Wanderungen oder zum Shoppingbummel zu nehmen, wie es in Instagram-Beiträgen sehr häufig gezeigt wird – gern verbunden mit Werbung für das jeweilige Produkt. «Die Mitnahme von Katzen im Rucksack auf lange Wanderungen ist abzulehnen», sagt Firnkes. Es gebe «keinen einzigen vernünftigen Grund», das einer Katze anzutun, betont auch Gerlach. «Hier werden höchstens die Bedürfnisse der Besitzer und Besitzerinnen befriedigt.»

Tierschutzwidrig: Katzenrucksäcke

Gerade auf längeren Strecken seien ein zu geringer Luftaustausch oder ein Hitzestau möglich. «Der manchmal gegebene Tipp, die Katzen im Rucksack anzuschnallen, ist zudem gefährlich», so Gerlach. Die Tiere könnten sich verletzen oder sogar strangulieren. «Der Transport in einem Katzenrucksack stellt keine verhaltensgerechte Unterbringung dar und Schmerzen, Leiden oder Schäden können durch die Nutzung nicht ausgeschlossen werden», lautet das Fazit Gerlachs. «Daher sind Katzenrucksäcke aus Sicht der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz als tierschutzwidriges Zubehör einzustufen.»

Insgesamt betrachtet sei für Katzen Freigang ohne Leine das beste, betont Firnkes. «Wenn der aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist, ist aus Katzensicht die beste Alternative ein katzensicher eingezäunter, naturnaher Garten.»

dpa