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Kein Aufschwung in Sicht: «Wirtschaftsweise» senken Prognose

Kurz nach dem Scheitern der Ampel-Koalition und mitten in der Konjunkturflaute stellen die «Wirtschaftsweisen» ihr Jahresgutachten vor. Es bringt keine guten Nachrichten.

Auch der Export schwächelt.
Foto: Christian Charisius/dpa

Kein Aufschwung in Sicht: Die «Wirtschaftsweisen» rechnen nach einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr auch 2025 nicht mit einem spürbaren Wachstum der deutschen Wirtschaft. Der Sachverständigenrat erwartet 2025 nur ein Mini-Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,4 Prozent und senkt damit seine Prognose deutlich.

Die deutsche Volkswirtschaft befinde sich weiterhin in der Stagnation, teilte der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten mit. «Die anhaltende Wachstumsschwäche legt nahe, dass die deutsche Wirtschaft von konjunkturellen wie auch von strukturellen Problemen ausgebremst wird.» 

Wirtschaftsweise senken Prognose

Im Mai hatte der fünfköpfige Rat noch ein Wachstum von 0,2 Prozent im Jahr 2024 und von 0,9 Prozent im Jahr 2025 erwartet. Nun wird prognostiziert, dass sich die deutsche Wirtschaft erst im Verlauf des Jahres 2025 leicht erholen wird. Die Produktion und Wertschöpfung in der Industrie sind gesunken. Ebenso sind die Investitionen rückläufig. Die Erholung der Weltwirtschaft führt nicht wie gewohnt zu einem Anstieg der deutschen Exporte. Auch der private Konsum bleibt schwach. Die Sparquote bleibt hoch. Das heißt, viele Haushalte sparen ihr Geld lieber, anstatt es auszugeben.

Nach den hohen Inflationsraten der letzten Jahre gibt es jedoch eine Entspannung bei den Verbraucherpreisen. Gemäß der Prognose wird die Inflationsrate im Jahr 2024 durchschnittlich 2,2 Prozent betragen und im kommenden Jahr 2,1 Prozent.

Ampel-Aus führt zu weiterer Unsicherheit

Die Konjunkturprognose der Bundesregierung wurde im Oktober gesenkt. Für dieses Jahr wird ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent erwartet. Ein Grund dafür war die Unsicherheit bei Unternehmen und Bürgern, die Investitionen zurückhalten. Diese Unsicherheit könnte sich nach dem Scheitern der Ampel und der unklaren Zukunftsperspektive weiter verstärken. Die Neuwahl des Bundestags ist für Februar geplant.

Die Bundesregierung erwartet für das nächste Jahr ein Wachstum von 1,1 Prozent. Trotzdem plant sie eine Wachstumsinitiative mit Steuererleichterungen, Arbeitsanreizen und Vergünstigungen bei den Strompreisen. Ob diese Maßnahmen noch vor Jahresende umgesetzt werden, bleibt nach dem Scheitern der Ampel jedoch völlig unklar.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte bei der Übergabe des Gutachtens der «Wirtschaftsweisen», die Wachstumsinitiative sei sehr dringend notwendig. Er wolle möglichst viele überzeugen. SPD und Grüne haben aber keine Mehrheit mehr im Bundestag.

Für zusätzliche Maßnahmen zur Entlastung der Industrie sind die Türen ebenfalls offen. Am Freitag ist ein erneuter Industriegipfel bei Scholz geplant. Wirtschaftsverbände fordern seit langem grundlegende Reformen, insbesondere für niedrigere Energiepreise und weniger Bürokratie.

Deutschland fällt zurück

Einst war Deutschland in Europa die «Wachstumslokomotive» – das gilt aber nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt sei in den vergangenen fünf Jahren real insgesamt lediglich um 0,1 Prozent gewachsen, so die «Wirtschaftsweisen». Damit bleibe die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands im internationalen Vergleich weiter zurück. In den USA liege das Bruttoinlandsprodukt bereits heute um mehr als zwölf Prozent über dem Vor-Corona-Niveau, im Euro-Raum um gut vier Prozent.

«In Deutschland gab es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Versäumnisse in der Politik und in der Wirtschaft. Um so wichtiger ist es, die Modernisierung unseres Landes jetzt entschlossen voranzutreiben», sagte Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Das Gremium, dessen Mitglieder auch als «Wirtschaftsweise» bezeichnet werden, berät die Bundesregierung. 

Wirtschaftsweise schlagen Reformen vor

Der Staat müsse mehr investieren in wichtige Zukunftsvorhaben, sagt der Rat. Bisher seien in Deutschland öffentliche Ausgaben für Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Verteidigung zu gering. «In allen drei Bereichen besteht ein hoher Nachholbedarf.»

Die Konsequenzen zeigen sich beispielsweise in der Verkehrsinfrastruktur: ein marodes Schienennetz mit unpünktlichen Zügen sowie marode Brücken, die gesperrt werden müssen.

Verkehrsinfrastrukturfonds 

Die «Wirtschaftsweisen» schlagen für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur einen Verkehrsinfrastrukturfonds vor, dem dauerhaft eigene Einnahmen aus dem Kernhaushalt übertragen werden. Kontinuierliche Einnahmequellen könnten zum Beispiel die Lkw-Maut oder eine Pkw-Maut sein. Eine Pkw-Maut gibt es bisher nicht. 2019 war die geplante Pkw-Maut in Deutschland – ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen Bundesregierung – vom Europäischen Gerichtshof als rechtswidrig gestoppt worden, weil sie faktisch nur für ausländische Autofahrer gelten sollte. 

Auch innerhalb der Ampel-Regierung wurden Vorschläge für einen Infrastrukturfonds diskutiert, um sicherzustellen, dass die Ausgaben stabilisiert werden und nicht jedes Jahr neu im Haushalt verhandelt werden müssen.

dpa