Die Herbstbelebung bleibt aus, die Kurzarbeit nimmt zu. Auch die Lücke am Ausbildungsmarkt wächst.
Arbeitsmarkt in Deutschland: Weniger Arbeitslose, aber steigende Kurzarbeit
Die Auswirkungen der schwachen Konjunktur auf dem Arbeitsmarkt werden immer deutlicher sichtbar, mit steigender Arbeitslosigkeit, mehr Kurzarbeit und vielen jungen Menschen ohne Ausbildungsstelle. Laut der Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl der Arbeitslosen im Oktober im Vergleich zum Vormonat minimal um 16.000 auf 2,791 Millionen gesunken – ein so geringer Rückgang wie seit 20 Jahren nicht mehr.
«Die Herbstbelebung am Arbeitsmarkt fällt in diesem Jahr weitgehend aus», sagte die Vorstandsvorsitzende Andrea Nahles in Nürnberg. Bereits im September hatten Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung kaum abgenommen. Im Oktober nahm die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt sogar um 27.000 zu. Die Arbeitslosenquote blieb unverändert bei sechs Prozent.
Mehr Kurzarbeit, weniger offene Stellen
Der Vergleich zum Vorjahr zeigt die Entwicklung noch deutlicher: Damals waren 183.000 Menschen weniger arbeitslos, während die Zahl der offenen Stellen um 60.000 höher lag. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland steigt seit über zwei Jahren, so fasste Nahles zusammen. Im langfristigen Vergleich bewegt sie sich jedoch auf einem eher niedrigen Niveau. Die Bundesagentur griff für ihre Oktober-Statistik auf Datenmaterial zurück, das bis zum 14. Oktober vorlag.
Auch die Kurzarbeit nimmt zu, erklärte Nahles. Vom 1. bis 24. Oktober meldeten Unternehmen für 67.000 Beschäftigte konjunkturelle Kurzarbeit an. Bis zum Monatsende wird diese Zahl jedoch voraussichtlich auf das Niveau des Vormonats von 92.000 Anzeigen ansteigen. Die Anzahl der Anzeigen gilt als Frühindikator für die weitere Entwicklung, auch wenn noch nicht absehbar ist, wie viele Betriebe tatsächlich Kurzarbeit in Anspruch nehmen werden.
Laut dem Bundesarbeitsministerium gibt es jedoch gute Nachrichten für die Geflüchteten aus der Ukraine. Im Oktober haben fast 8.000 Personen eine Beschäftigung, eine Ausbildung oder eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen. Dies entspricht einer Verdopplung des Vorjahreswerts. Demnach haben bisher 221.000 Ukrainerinnen und Ukrainer (Stand: August 2024) eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden.
Herausforderung Ausbildungsmarkt
Nahles sagte, dass es auf dem Ausbildungsmarkt zunehmend schwieriger werde, junge Menschen und Betriebe zusammenzubringen. Die Lücke zwischen den 432.000 Bewerbern und den 519.000 angebotenen Stellen habe sich zwar verringert. Dennoch hätten am 30. September immer noch 31.000 junge Menschen keinen Ausbildungsplatz gefunden – mehr als in den letzten 16 Jahren. Gleichzeitig seien 69.000 Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben.
«Auch der Ausbildungsmarkt ist vor konjunkturellen Schwankungen nicht gefeit», sagte Nahles. Es gebe aber auch strukturelle Gründe dafür, dass von Oktober 2023 bis September 26.000 Ausbildungsstellen weniger als im Vorjahreszeitraum angeboten worden seien. Wenn ein Bäcker zum Beispiel seit Jahren keine Auszubildende mehr gefunden habe, melde er diese Stelle irgendwann auch nicht mehr.
«Viel ungenutztes Potenzial»
Es seien Kompromisse auf beiden Seiten nötig, betonte Nahles. Junge Menschen müssten auch Alternativen zu ihrem Traumberuf in Erwägung ziehen und Unternehmen sich für Auszubildende öffnen, die anfangs vielleicht nicht die perfekten Kandidatinnen oder Kandidaten seien. Die Angebote der Arbeitsagenturen, um Auszubildende und Betriebe zu unterstützen, müssten deshalb bekannter und vereinfacht werden. «Es gibt noch viel ungenutztes Potenzial», sagte Nahles. Angesichts des demografischen Wandels könne aber auf keine Arbeitskraft verzichtet werden.
Nahles sieht das verstärkte Anwerben von Fachkräften in Indien, wie es die Bundesregierung plant, dennoch kritisch. „Die Grenzen der finanziellen Möglichkeiten der Bundesagentur sind erreicht“, betonte sie. Die steigenden Arbeitslosen- und Kurzarbeiterzahlen belasten den Haushalt.
Am Ende dieses Jahres rechnet Nahles mit einer «roten Null». Im kommenden Jahr werde ein deutliches Minus erreicht, sagte sie. Das liege auch daran, dass die Bundesagentur dann die Finanzierung von Weiterbildung oder Reha-Maßnahmen über die Jobcenter übernehmen werde, was allein mit 900 Millionen Euro zu Buche schlage.