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Klaasohm ohne Prügel? Borkumer feiern umstrittenen Brauch

Schläge mit einem Kuhhorn gegen Frauen soll es beim Nikolausbrauch Klaasohm auf Borkum nicht mehr geben. Der Auftakt des Fests verläuft laut der Polizei störungsfrei – bleibt es friedlich?

In einem ersten Teil des Brauches werden die ausgewählten Klaasohms an ihren Vereinslokalen eingesammelt.
Foto: Lars Penning/dpa

Begleitet von einem Polizeiaufgebot und einem großen medialen Interesse hat auf der Nordseeinsel Borkum der umstrittene Nikolausbrauch Klaasohm begonnen. Kurz vor Beginn des Festes, bei dem in der Vergangenheit gewalttätige Übergriffe auf junge Frauen dokumentiert wurden, bekräftigte der Vorsitzende des Vereins Borkumer Jungens, Maxi Rau, dass es keine Schläge mit Kuhhörnern gegen Frauen mehr geben soll.

«Was ich Ihnen auf jeden Fall versichern kann ist, dass wir Gewalt gegen Frauen ab jetzt nicht mehr tolerieren», sagte Rau, der als Vorsitzender auch Oldermann genannt wird, bei einer Pressekonferenz. In den Verein, der das Fest veranstaltet, dürfen nur männliche Inselbewohner ab 16 Jahren eintreten.

Brauch wird seit Generationen gefeiert

Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos) setzt darauf, dass die Zusage der Borkumer Jungens gilt. Dazu habe der Verein, wie in den Vorjahren schon, seinen Mitgliedern eine klare Ansage gemacht. «Das ist verboten und das ist dieses Mal noch eindringlicher gemacht worden», sagte der Bürgermeister der Deutschen Presse-Agentur. «Wir wollen das nicht mehr, auch wenn es früher so war. Wir distanzieren uns da ganz klar von.»

Seit Generationen wird auf der ostfriesischen Insel ein Brauch gefeiert, bei dem sich am Vorabend des Nikolaustages sechs junge Männer als sogenannte Klaasohms verkleiden, mit Masken, Schafsfellen und Vogelfedern.

Das Fest steht in diesem Jahr besonders im Fokus: Ein Bericht des ARD-Magazin «Panorama» hatte vor einigen Tagen gewalttätige Übergriffe auf Frauen bei vorherigen Klaasohm-Festen auf der ostfriesischen Insel dokumentiert. In dem Beitrag berichten Borkumerinnen anonym von aggressiven Übergriffen. Ein Team filmte im vergangenen Jahr, wie Frauen bei dem Fest auf der Straße von «Fängern» festgehalten wurden und ihnen die Klaasohms mit einem Kuhhorn auf den Hintern schlugen.

Die Recherche löste bundesweit Empörung aus. Die Borkumer Jungens kündigten danach an, den «Brauch des Schlagens» abzuschaffen.

Gefeiert wird bis in die Nacht

Am Nachmittag war die Stimmung auf den Straßen zum Beginn des Festes ausgelassen. Die Klaasohms wurden von Borkumerinnen und Borkumern an ihren Vereinslokalen abgeholt und zu einer Halle geführt – begleitet von lautem Tuten mit Hörnern. Viele Teilnehmer hatten Kuhhörner dabei.

Auch viele Familien, junge Mädchen und Kinder begleiteten die Klaasohms auf ihrem Zug, wie ein dpa-Reporter berichtete. Nach vorläufigen Schätzungen der Polizei waren rund 500 Menschen auf den Straßen unterwegs. Bis zum späten Nachmittag sei «alles störungsfrei» abgelaufen, sagte eine Polizeisprecherin. 

Am frühen Abend kam es – der Tradition folgend – in einer Halle unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu einem symbolischen Kampf der Klaasohms. Danach laufen die Klaasohms unter großem Getöse auf festgelegten Routen durch die Stadt. Bislang gehörte zu diesem Teil auch der «Brauch des Schlagens» dazu. Frauen, die sich zu nah an die Klaasohms wagten, wurden von ihnen mit einem Kuhhorn verhauen. 

Die Polizei erklärte vor dem Beginn des Festes, mit «starken Kräften» im Einsatz zu sein. «Wir möchten Straftaten verhindern», sagte Malte Hagspihl, Sprecher der Polizeidirektion Osnabrück. Die Stadt Borkum teilte zudem mit, eine Telefonnummer und Räume einzurichten, wo sich Frauen melden können, sollte es zu gefährlichen oder unangenehmen Situationen kommen. 

Am späten Donnerstagabend sollte der Höhepunkt des Festes auf einem zentralen Platz erreicht werden: Die Klaasohms springen dort nacheinander von einer meterhohen Säule in eine Menschenmenge.

Historikerin: Klaasohm-Tradition weiter verändern

Die derzeit laufende Diskussion hält auch die emeritierte Historikerin an der Universität Oldenburg, Katharina Hoffmann, für nötig. Dass der «Brauch des Schlagens» abgeschafft wird, begrüßt die Wissenschaftlerin, die unter anderem 2020 zu Klaasohm geforscht hatte. «Die Borkumerinnen und Borkumer sind spät dran. Aber es ist gut, dass sie jetzt diesen Schritt gemacht haben. Dennoch ist es wichtig, sich weiterhin mit dem Brauch auseinanderzusetzen und ihn weiter zu verändern», sagte Hoffmann der dpa. 

Hoffmann sagte, es wundere sie, dass viele Borkumer betonten, das Fest sei wichtig für die Identität und das Zugehörigkeitsgefühl auf der Insel. «Das ist schon sehr irritierend, dass man ein solches Fest braucht, um zu spüren, wer man ist und wozu man gehört.»

Laut den Medienberichten gab es auch auf der Insel Solidaritätsbekundungen für das Fest, etwa 200 Frauen nahmen am vergangenen Wochenende an einer Demonstration auf der Insel teil.

Krampus und Klausen als Touristen-Events

In der Nacht zum Nikolaus oder am Nikolaustag werden im Allgäu auch furchteinflößende Gestalten in Fellgewändern mit Tierköpfen oder Kappen mit Ochsenhörnern gesichtet, die Zuschauer jagen. Beim sogenannten Klausentreiben geht es darum, böse Nachtgeister zu vertreiben, wie es auf der Internetseite des Allgäus beschrieben wird.

Früher dienten die wilden Hiebe auf Passanten und Gegenstände nach Angaben des Klausenvereins Sonthofen dem Zweck, alles zu vertreiben, was sich bewegte oder verdächtig wirkte. «Heutzutage findet dies natürlich gesittet unter Beachtung bestimmter Regeln und Richtlinien durch die Klausen statt», heißt es auf der Internetseite des Vereins. Die Klausen sind verkleidete junge Männer. In einigen Orten gibt es aber auch einen vergleichbaren Brauch für Frauen. Beim Bärbeletreiben treiben an Hexen erinnernde verkleidete Frauen ihr Unwesen und sind auch mit Ruten bewaffnet. 

Krampus ist eine gruselige Figur, die den Nikolaus in Österreich und Oberbayern begleitet. Rund um den 6. Dezember werden in vielen Gemeinden Krampusläufe veranstaltet, bei denen junge Männer Holzmasken, zottelige Fellkostüme und Glocken tragen. Es kommt immer wieder zu Körperverletzungen bei diesen Volksfesten, bei denen auch Krampusse von Zuschauern angegriffen werden. Laut des Vereins Tourismus Oberbayern München sind die Krampusläufe heute zivilisierter als früher, dennoch geht es dort immer noch rau zu.

dpa