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Vielseitiger Beruf des Bestatters in Münnerstadt

Junge Azubis lernen Psychologie, Jura, Handwerk und Eventmanagement – Beruf mit persönlichem Kontakt und direktem Feedback.

Bei der Sarggestaltung ist handwerkliches Geschick gefragt.
Foto: Daniel Karmann/dpa

In der nordbayerischen Kleinstadt Münnerstadt herrscht meist eine beschauliche und ruhige Atmosphäre. Aus diesem Grund ist Münnerstadt ein bedeutender Ort für Bestattungsinstitute aus ganz Deutschland. Laut Stephan Neuser vom Bundesverband Deutscher Bestatter in Düsseldorf absolvieren hier junge Menschen aus allen Teilen der Republik ihre Ausbildung zum Bestatter bzw. zur Bestatterin. Mittlerweile sind mehr als die Hälfte der Auszubildenden weiblich. Der Verband betreibt das Bundesausbildungszentrum der Bestatter in Unterfranken.

«Manche Menschen sind eher abgeschreckt, wenn ich von meiner Berufswahl erzähle. Andere finden es cool», sagt die 18-jährige Belinda Beck. Dass das Bestattungswesen ein Beruf für sie sein könnte, habe sie schon als Zwölfjährige gemerkt. «Als meine Uroma starb, fand ich es spannend, wie es nun weitergeht», erzählt Beck. Eine persönliche Verbindung zum Beruf hat auch Azubi-Kollege Nils Angerbauer. Schon sein Bruder sei Bestatter gewesen, die Mutter Seelsorgerin.

Von Sargausbau bis Eventmanagement

Einige der Auszubildenden sitzen im Nadelstreifenanzug im Schulungsraum, andere tragen Arbeitskleidung und Hoodie. Dies spiegelt die Vielseitigkeit des Berufs wider. Handwerk, Psychologie, Jura, Betriebswirtschaftslehre, medizinische Kenntnisse, Veranstaltungsorganisation und Kreativität gehören dazu.

Das wird auch im Ausbildungszentrum deutlich. Im Erdgeschoss gibt es eine Werkstatt für Sargausbauten, einen Hygieneraum, in dem Leichen für Aufbahrungen vorbereitet werden, und eine kleine Kapelle. Dort lernen die Auszubildenden, wie sie das Ambiente für eine Trauerfeier passend zur Persönlichkeit des Verstorbenen dekorieren können. Zum Beispiel mit Requisiten, die ein Hobby darstellen.

Baggern üben auf dem Lehrfriedhof

In den Seminarräumen im Obergeschoss lernen die zukünftigen Bestatterinnen und Bestatter, wie sie Beratungsgespräche führen, welche psychologischen Aspekte bei Trauer auftreten und welche rechtlichen Bestimmungen sie beispielsweise bei Überführungen in andere Länder beachten müssen.

Auch wird diskutiert, wie ein Bestattungsinstitut architektonisch und farblich gestaltet werden kann, um trauernden Angehörigen ein angenehmes Gefühl zu vermitteln. Auf dem nahegelegenen Lehrfriedhof erhalten die Auszubildenden eine Schulung im Umgang mit einem Bagger, da an einigen Orten die Bestatter die Gräber ausheben. Die Bergung von Leichen ist ebenfalls Teil des Ausbildungsprogramms.

Auf verschiedene Religionen eingestellt sein

Bei den Azubis in der Werkstatt geht es nun ins Detail. «Die Löcher dürfen maximal 1,5 bis 2 Zentimeter Abstand haben», erklärt ein Ausbilder einer Gruppe junger Menschen. Sie stehen um einen Sarg, der noch mehr oder weniger im Rohbau ist. Gerade sollen die Löcher für die Sargdeckel-Schrauben angezeichnet werden. Zwar werden die Azubis die Särge später nicht unbedingt komplett selbst fertigen, aber sie mit Griffen oder Ausstaffierungen verfeinern und individuell anpassen.

Beruf ohne Nachwuchsmangel

Die Vielseitigkeit des Berufs ist laut Neuser vom Bundesverband Deutscher Bestatter ein Grund, weshalb es nicht an Nachwuchs mangelt. «Auch der häufig sehr persönliche Kontakt zu Angehörigen der Verstorbenen motiviert viele.» Dadurch erhielten Bestatter direktes Feedback zu ihrer Arbeit. 

Laut dem Verband gibt es derzeit etwa 1000 Auszubildende. Das Ausbildungszentrum soll weiterhin erweitert werden, um der steigenden Nachfrage und dem Bedarf gerecht zu werden.

Der Beruf sei anstrengend, meint Neuser. «Ein Bestattungsunternehmen muss 365 Tage im Jahr 24/7 ansprechbar sein.» Zudem stiegen die Anforderungen, unter anderem weil die Kundenwünsche individueller würden und sich nicht mehr so stark an kirchlichen Ritualen orientierten. «Der Beruf hat inzwischen auch Eventmanagement-Charakter.»

Meisterpflicht gefordert

Obwohl der Beruf hohe Anforderungen hat, ist er wenig reguliert. Seit 2020 ist er als Vollhandwerk anerkannt – vorher galt er nur als handwerksähnlich. Aber die Berufsbezeichnung Bestatter sei nicht geschützt, sagt Verbandsvertreter Neuser. Das heißt, jeder und jede könne einen Gewerbeschein anmelden und sich als Bestatter oder Bestatterin selbstständig machen. Daher fordert der Verband eine Meisterpflicht. «Das ist auch in Hinblick auf Pandemien und Gefahrenabwehr wichtig», sagt Neuser. Denn Tote könnten weiter infektiös sein. Der richtige Umgang mit ihnen müsse daher genau erlernt sein.

dpa