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Leben mit zehn Geschwistern – «unfassbar bereichernd»

Viele Jungen und Mädchen wachsen als Einzelkinder auf. Wie ist es, wenn man mit zehn Geschwistern unter einem Dach lebt? Was sind Vorteile, wo liegen Nachteile? Warum gibt es so wenig XXL-Familien?

Unter den drei Schwestern und sieben Brüder herrscht Vertrauen.
Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa

Bei Familie Hofstee gibt es zehn Kinder – das bedeutet neun Geschwister für jeden. Andrea (47) und Marc (48) leben mit ihren sieben leiblichen Brüdern und drei Schwestern in einem Einfamilienhaus mit kleinem Garten. Die Hofstees wohnen im niedersächsischen Emsbüren, nahe der Grenze zu Nordrhein-Westfalen.

In schneller Folge hat das Ehepaar zunächst Julian (25), Laurin (23), Sara (21), Elisa (17) und Jonathan (15) bekommen. Und es sei immer noch «Platz im Herzen» gewesen, erzählt Familienvater Marc Hofstee. In kurzen Abständen kamen Lennart (12), Josua (10), Till (7), Caspar (5) und Aurelia (4) hinzu.

Wie lebt es sich mit so vielen Geschwistern?

«Also einsam ist man nie, das ist ein Riesenpluspunkt», sagt Julian, der Älteste. «Ich habe sehr profitiert davon, dass ich so viele Geschwister habe, zumal ich als Erstgeborener auch früh relativ viel Verantwortung tragen musste. Plus, dass ich bei Sozialkompetenzen schon recht viel mitbekommen habe.» Er spricht zwischendurch immer wieder lauter. Der Geräuschpegel im Hintergrund ist hoch – es wird erzählt, gelacht, gekichert, gespielt.

Julian ist vor einigen Jahren ausgezogen, hat studiert. Inzwischen ist er berufstätig. «Auf Leute zuzugehen, mich einzufügen, ist für mich das Normalste der Welt.» Und: «Kompromisse mache ich quasi mein ganzes Leben schon», schildert der 25-Jährige lachend. «Viele Geschwister zu haben ist unfassbar bereichernd.»

Mit Muße und Entspannung sei es allerdings so eine Sache: «Ständig platzen kleinere Geschwister ins Zimmer rein, reden und wollen spielen. Und dann nimmst du dir die Zeit, ein gewisses Verständnis ist natürlich da.» Aber mitunter könne es auch nervtötend sein, ergänzt Julian mit einem Zwinkern. Er hat sie trotzdem alle lieb – die ganze Bande, jeden Einzelnen. «Da gibt es keinen ersten oder zweiten Platz.»

Ein Geschenk – aber manchmal auch anstrengend

Alle zehn haben ihren eigenen, gleichberechtigten Platz, berichtet die 17-jährige Elisa, genannt Lizzy. Bei so vielen Geschwistern ist ihr das wichtig. «Wir werden nicht verglichen, jeder ist so, wie er ist, hat seine eigene Persönlichkeit und wird so geschätzt.» Man halte zusammen, ein großer Vorteil.

«Es gab auch Momente, da wollte ich mehr gesehen werden.» Ihre Eltern zeigten dafür viel Verständnis, betont die Schülerin. Es gebe auch Kinostunden allein mit der Mutter oder Gespräche nur mit dem Vater. «Quality-Time» mit ihren Eltern bedeute ihr viel.

«Die Ruhe fehlt manchmal, das kann anstrengend sein, zum Beispiel, wenn man für Klausuren lernen muss.» Aber es gebe immer jemanden zum Austauschen und etwas zu Lachen, vor allem bei den Abendbrot-Runden mit der ganzen Mannschaft, sagt Lizzy. «Jetzt, wo die Ersten ausgezogen sind, merke ich besonders, was für ein Geschenk es ist, so viele Geschwister zu haben.»

«Mehrkindfamilien gelten nicht mehr als trendy und erstrebenswert»

Gäbe es mehr große Familien, wäre die Unterstützung auf gesellschaftlicher und politischer Ebene größer, meint Elisabeth Müller vom Verband kinderreicher Familien (KRFD) in Mönchengladbach. «Mehrkindfamilien gelten nicht mehr als trendy und erstrebenswert», bedauert die Bundesvorsitzende. Erfolg werde stattdessen oft mit Karriere, Reisen und Individualismus verbunden. «Dabei sind gerade kinderreiche Familien essenziell für sozialen Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.»

Laut Angaben des Statistischen Bundesamts wachsen in Deutschland etwa 3,3 Millionen Minderjährige ohne Geschwister auf – das entspricht etwa einem Viertel aller Kinder. Im Gegensatz dazu werden 10,9 Millionen Kinder mit Geschwistern großgezogen – am häufigsten mit einem Geschwisterkind (ungefähr 6,7 Millionen), gefolgt von zwei Geschwistern (ungefähr 2,8 Millionen). Lediglich etwa 1,3 Millionen Kinder leben laut Statistik mit drei oder mehr Geschwistern (Stand: 2022). Ein Haushalt mit zehn Kindern ist äußerst selten.

Jahrzehntelang sei das Zwei-Kind-Modell als gesellschaftliches Ideal aufgebaut worden, erläutert Elisabeth Müller. Da die Familienplanung vieler Paare oft erst recht spät beginne, sinke schon biologisch die Chance auf eine größere Kinderzahl. «Hohe Wohnkosten, fehlender Wohnraum, mangelnde gesellschaftliche und politische Wertschätzung und finanzielle Zwänge erschweren zusätzlich das Gründen großer Familien», kritisiert sie zum Tag der Geschwister am 10. April.

Mal braucht der eine mehr Aufmerksamkeit, mal die andere

In finanzieller Hinsicht müsse man lernen, Kompromisse einzugehen, sagt Familienvater Marc Hofstee. Denn für eine Großfamilie sei manches einfach nicht drin. Für ihn und seine Frau stehe aber fest: «In Kinder zu investieren, ist immer sinnstiftend.»

Die Kinder seien innig miteinander, beobachtet Hofstee. «Alle haben ihre Marotten – und kennen sie auch untereinander. Sie vertrauen sich. Den Älteren konnten wir auch stückweise etwas Verantwortung abgeben.» Wichtig seien für ihn und seine Frau: «Man kann nie einfach so nach Plan vorgehen, vieles ergibt sich situativ. Mal braucht das eine Kind mehr Aufmerksamkeit, mal das andere.»

Der zehnfache Vater ist überzeugt: «Das Erziehen und das gemeinsame Aufwachsen lehrt und schult eine gewisse Demut und führt zur Einsicht: Ich muss nicht immer an erster Stelle stehen.»

«Manche sind vielleicht einfach neidisch»

Die Älteren diskutieren in der Küche über Politik, während die Jüngeren auf dem Sofa im Zimmer nebenan ihre begrenzte Spielzeit nutzen. Der zehnjährige Josua freut sich, dass er so viele Geschwister hat, sagt er. Er langweilt sich nie und hat immer jemanden zum Spielen. Es gibt genug Platz. Im Wohnzimmer gibt es eine freie Spielecke. Ein großer Sandkasten mit vielen Spielzeugen dominiert den Gartenbereich.

Der siebenjährige Till berichtet, in seiner Klasse gebe es auch Einzelkinder. «Das würde mir keinen Spaß machen.» Er möchte auf keinen Fall tauschen und glaubt, dass andere Kinder auch gerne viele Geschwister hätten. «Manche sind vielleicht einfach neidisch.»

dpa
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